Dem Licht des Urknalls auf der Spur
Redaktion
/ Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
9. Februar 2009
Voraussichtlich am 16. April soll das neue Weltraumteleskop
Planck an Bord einer Ariane-5-Rakete ins All starten. Ziel der
internationalen Mission unter Federführung der europäischen Weltraumagentur ESA
ist die Vermessung des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds. Beteiligt an dem
Projekt ist auch das Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching, wo
wichtige Software-Komponenten entwickelt wurden. Diese hat man jetzt an die
Kollaboration übergeben.

Blickt 13,8 Milliarden Jahre in die Zeit zurück:
Der Satellit Planck soll die kosmische
Hintergrundstrahlung mit bisher unerreichter
Präzision einfangen und damit Einblick in die
Geburt des Universums gewähren.
Bild: ESA |
Alle Strukturen wie Galaxien, Galaxienhaufen und -filamente, die wir heute im
Universum sehen, waren bereits 380 000 Jahre nach dem Urknall in Form von
winzigen Fluktuationen der Materiedichte angelegt. Zu jenem Zeitpunkt wurde das
Universum durchsichtig. Das dabei frei werdende Licht des Urknalls ist noch
heute im Kosmos unterwegs und als kosmische Mikrowellenstrahlung messbar. Diese
Strahlung bietet ein getreues Bild des Universums, wie es vor 13,8 Milliarden
Jahren aussah - genau zu der Epoche, als es durchsichtig wurde.
Der Mikrowellen-Hintergrund, für dessen erste Vermessung der
Physik-Nobelpreis 2006 verliehen wurde, zeigt diese ursprünglichen
Dichtefluktuationen als winzige Temperaturvariationen. Diese wurden vor 40
Jahren von Rashid Sunyaev, heute Direktor am Max-Planck-Instituts für
Astrophysik, vorhergesagt; 25 Jahre später hat sie der COBE-Satellit
tatsächlich entdeckt.
Das Weltraumteleskop Planck soll diese Strahlung eineinhalb bis
zweieinhalb Jahre lang an seinem Standort in der Nähe des sogenannten zweiten
Lagrange-Punkts des Sonne-/Erde-Systems mit einem Hoch- und einem
Niederfrequenz-Instrument und in insgesamt neun verschiedenen Frequenzbändern
vermessen.
Durch die Bestimmung von Temperaturvariationen wird Planck nicht nur
die Frühphase unseres Universums untersuchen. Aus den Daten erhoffen sich die
Wissenschaftler auch Antworten auf wichtige Fragen der Kosmologie: Was genau
spielte sich beim Urknall ab? Aus welchen Materie-, Strahlungs- und
Energieformen besteht das heutige Weltall? Wie alt ist es, und wie haben sich
seine Strukturen gebildet?
Außerdem könnten die Messdaten dazu beitragen, die Inflationstheorie zu
überprüfen. Bevor das Universum ganze 10-35 Sekunden alt war, soll
sich der Raum explosionsartig aufgebläht haben. Winzige Quantenfluktuationen
eines diese Raumexplosion antreibenden hypothetischen Energiefelds sollten die
Saat jener im Mikrowellenbereich sichtbaren Dichtefluktuationen angelegt haben,
aus denen die heutigen Galaxien entstanden sind.
"Die Inflationstheorie mit ihrem Anspruch, die grundlegenden Eigenschaften
unseres heutigen Kosmos komplett auf diese bizarre Expansionsepoche
zurückzuführen, ist eine unglaublich anmutende Vorstellung, die unbedingt
experimentell überprüft werden muss", sagt Torsten Enßlin, Kosmologe und Manager
der deutschen Planck-Beteiligung, die am Garchinger Max-Planck-Institut
für Astrophysik angesiedelt ist.
Zwar mag man diese Epoche niemals direkt vermessen können, um die
Inflationstheorie zu überprüfen. Doch die messbaren Temperaturfluktuationen im
Mikrowellenbereich bergen Botschaften aus jener frühesten Epochen, die sich
mittels präziser Vermessung durch Planck und statistischer Datenanalyse
herauslesen lassen. Aufschlussreiche Ergebnisse verspricht sich das Projekt
durch die genaue Vermessung der Polarisation dieser Strahlung. Sie könnte ein
fantastisches Fenster in die Frühphase des Universums eröffnen. "Heutige
Vorstellungen von den ersten Sekundenbruchteilen im Leben des Universums lassen
sich durch solche präzise Polarisationsmessungen überprüfen, bestätigen oder
komplett revidieren", sagt der Garchinger Wissenschaftler.
Das Max-Planck-Institut für Astrophysik vertritt Deutschland im Planck-Konsortium
und übernahm einen Teil der Entwicklung der Software. So wurde für die Zentren
in Paris und Triest in den vergangenen zehn Jahre ein
Missions-Simulationssoftware-Paket entwickelt: Diese Simulation erzeugt
synthetische Datenströme, die den echten des Satelliten gleichen. Allerdings
kennt man für sie die genauen Eigenschaften jenes Universums, das sie
hervorgebracht haben könnte.
Somit ermöglicht diese Software ein Testen und Optimieren der
Datenverarbeitung - und die ist recht komplex. "Nach der Überprüfung der täglich
vom Satelliten zur Erde gefunkten Daten und ihrer Kalibration werden für die
neun Frequenzbänder der Instrumente individuelle Himmelskarten erzeugt. Dies
geschieht je nach Wellenlängenbereich in unterschiedlichen
Datenverarbeitungszentren", sagt Wolfgang Hovest, Softwareentwickler in der
Garchinger Planck-Gruppe.
In den beiden Prozessierungszentren in Paris und Triest werden diese Karten
anschließend in unterschiedliche Quellen wie galaktische Radiostrahlung,
Staubstrahlung und kosmische Mikrowellenstrahlung umgewandelt. Für die
Koordination der komplexen Datenverarbeitungsprozesse entwickelte das Planck-Team
zudem eine Datenbank-gestützte grafische Workflow Engine, den Planck Process
Coordinator (kurz ProC genannt). Dieser ist ein wesentlicher Bestandteil
der Software-Infrastruktur des Projekts.
Der ProC wird zur Konstruktion, Ausführung und Überwachung der
Datenanalyseschritte benötigt. Mit Simulationspaket und Prozesskoordinator
steuert das Max-Planck-Institut für Astrophysik wesentliche Komponenten zur
Planck-Mission bei. Als der führende deutsche Partner innerhalb des
Projekts, das sowohl Informatiker als auch Astrophysiker vor große
Herausforderungen stellt, wird sich das Institut selbst intensiv an der
wissenschaftlichen Auswertung der Daten beteiligen. Neben den im Mittelpunkt
stehenden kosmologischen Ergebnissen wird es dabei auch um astrophysikalische
Objekte im engeren Sinne gehen - etwa um die Untersuchung von Galaxienhaufen
oder um aktive galaktische Kerne.
Die Planck-Mission wird von dem europäisch-nordamerikanischen
Planck-Konsortium unter Koordination der ESA durchgeführt. Beteiligt sind
unter anderem Frankreich, Italien, Deutschland, Großbritannien, Dänemark,
Finnland, Schweiz, Spanien, die USA und Kanada. Das Projekt ist in zwei
Konsortien aufgeteilt, die das Hochfrequenz- und das Niederfrequenzinstrument
entwickelten und betreuen. Die deutsche Beteiligung am Max-Planck-Institut für
Astrophysik (MPA) wird durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
sowie der Max-Planck Gesellschaft gefördert.
Planck wird zusammen mit dem Herschel-Satelliten mit einer
Ariane-5-Rakete vom ESA-Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana
(Südamerika) gestartet werden. Voraussichtlicher Starttermin ist der 16. April.
Der Transfer zum zweiten Lagrange-Punkt des Sonne-/Erde-Systems wird etwa drei
Monate dauern. Es sind zwei Himmelsdurchmusterungen zu je sechs Monaten geplant;
eine längere Laufzeit mit bis zu vier Durchmusterungen könnte je nach
Kühlmittelverbrauch möglich sein. Alle wissenschaftlichen Daten sollen nach
Abschluss der Mission öffentlich werden.
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