Das geheime Leben eines Mira-Sterns
von Stefan Deiters astronews.com
6. Juni 2007
Pulsierende rote Riesensterne spielen in der galaktischen
Entwicklung eine wichtige Rolle: In dieser letzten Phase eines Sternenlebens
bläst die sterbende Sonne große Mengen an Material ins All und liefert damit die
Grundbausteine für neue Sterne, neue Planetensysteme und vielleicht auch für
neues Leben. Mit dem Very Large Telescope Interferometer und dem
Very Large Baseline Array gelang nun ein einmaliger Einblick in die äußeren
Hüllen eines solchen Riesensterns.
Bei dem Stern, den die Astronomen im Visier hatten, handelt es
sich um S Orionis, einem veränderlichen Roten Riesenstern vom Mira-Typ. S
Orionis hat etwa die gleiche Masse wie unsere Sonne, so dass sein Schicksal
auch unserer Sonne bevorstehen dürfte. Genau wie unser
Zentralgestirn wird auch S Orionis als Weißer Zwergstern enden. Mira-Sterne
verlieren enorme Mengen an Materie - im Falle von S Orionis ist dies etwa eine
Erdmasse pro Jahr. Unsere Sonne könnte bis zur Hälfte ihrer Masse in dieser
Phase ins All abgeben.
"Wir alle bestehen aus Sternenstaub", erläutert Markus Wittkowski von der
ESO, der auch Hauptautor eines Fachartikels in der Zeitschrift Astronomy &
Astrophysics ist, in dem die Beobachtungen beschrieben werden. "Die Beobachtung
der Phasen im Leben eines Sterns, in denen prozessierte Materie ins
All zurückgegeben wird, um für die nächste Generation von Sternen, Planeten und
vielleicht Menschen zu Verfügung zu stehen, ist daher sehr wichtig."
S Orionis pulsiert mit einer Periode von 420 Tagen: Regelmäßig ändert der
Stern seine Helligkeit um einen Faktor 500 und seinen Durchmesser um etwa 20
Prozent. S Orionis ist riesig: Würde der Stern in unserem Sonnensystem an
Stelle der Sonne liegen, würde seine Hülle die Erde und sogar den Mars ohne weiteres erreichen.
Doch trotz dieser Größe und wegen ihrer großen Entfernung sind die Roten Riesen nur sehr schwer zu
studieren, besonders wenn man sich für Details in ihrer Hülle interessiert.
Helfen kann da nur die Interferometrie, also das Zusammenschalten mehrerer
Teleskope.
"Astronomen sind da wie Ärzte, die auch verschiedene Instrumente benutzen, um
verschiedene Organe des Körpers zu untersuchen", vergleicht Teammitglied David Boblotz vom U.S. Naval Observatory. "Während man den Mund mit normalen
Licht untersuchen kann, benötigt man ein Stethoskop, um den Herzschlag
abzuhören. Bei Sternen kann der Herzschlag im optischen Bereich des Lichtes
untersucht werden, die Staub- und Molekülschichten im Infraroten und die
Maser-Emissionen im Radiobereich. Nur zusammen ergibt sich ein vollständigeres
Bild des Sterns und seiner Hülle."
Maser-Emissionen, also das Mikrowellen-äquivalent zu Lasern, stammen von
Siliziummonoxid und können verwendet werden, um die Bewegung von Gaswolken in
einer stellaren Hülle zu verfolgen, die etwa den zehnfachen Durchmesser der
Sonne hat. Zum Aufspüren von Maser-Emissionen benötigt man Radioteleskope.
Die Astromomen beobachteten S Orionis mit dem Very Large Telescope
Interferometer (VLTI) der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf dem Gipfel
des Paranal in Chile im Infraroten sowie im Radiobereich mit dem Very Large
Baseline Array (VLBA). Da sich die Leuchtkraft des Sterns periodisch
ändert, fanden die Beobachtungen jeweils gleichzeitig statt und zwar einmal kurz
vor dem Minimum der Helligkeit des Sterns und einmal kurz nach dem Maximum.
Die Astronomen stellten so fest, dass die Größe von S Orionis zwischen 400
und 500 Sonnenradien schwankt. Die innerer Staubhülle ist fast doppelt so groß
und das sich ins All ausdehnende Gas tut dies mit einer Geschwindigkeit von etwa
10 Kilometern pro Sekunde. Am meisten Staub und Materie wird während des
Helligkeitsminimums ins All geblasen. Erreicht der Sterne seine maximale
Helligkeit, kann man eine sehr ausgedehnte Staubhülle beobachten, was die
Forscher als deutliches Indiz für einen Zusammenhang zwischen den Pulsationen
und der Staubproduktion und -abstoßung werten.
Die Staubhülle von S Orionis scheint darüber hinaus größtenteils aus
Aluminiumoxid zu bestehen, die Staubkörner haben eine Größe von etwa einem
Millionstel Zentimeter. "Wir kennen nun ein Kapitel im geheimen Leben eines
Mira-Sterns", so Wittkowski, "aber wir hoffen noch viel mehr lernen zu können,
wenn wir demnächst noch Infrarot-Beobachtungen mit AMBER am VLTI machen und so
unser schon jetzt sehr breit angelegtes Beobachtungsprojekt noch weiter
ausdehnen."
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