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Astronomen haben jetzt eine neue Radiokarte der Andromedagalaxie fertiggestellt: Die Karte zeigt, wo sich in unserer Nachbargalaxie kaltes Gas befindet, das Baumaterial für die Entstehung neuer Sterne. Darüber hinaus wird die Bewegung dieses Gases erkennbar. Mit über 800 Stunden Teleskopzeit ist dieses Projekt eines der umfangreichsten in der Millimeter-Radioastronomie.
Wie entstehen Sterne? Bis heute eine der wichtigsten Fragen der Astronomie. Die Geburtsstätten der Sterne, so viel wissen Astronomen inzwischen, liegen in kalten Gaswolken mit Temperaturen von unter -220 Grad Celsius. Nur diese können eine ausreichend hohe Dichte erreichen und dann unter ihrer eigenen Gravitation zusammenstürzen. Kalte Gaswolken im Weltall bestehen vor allem aus molekularem Wasserstoff H2 (zwei Wasserstoff-Atome zu einem Molekül verbunden). Dieser sendet schwache Strahlung in Infrarot-Spektrallinien aus, die mit erdgebundenen Teleskopen fast nicht nachzuweisen sind, weil die Atmosphäre diese Strahlung absorbiert. Daher untersuchen die Astronomen ein anderes Molekül, das zwar viel seltener ist, aber erfahrungsgemäß immer zusammen mit H2 auftritt: Kohlenmonoxid (CO). Dieses hat eine helle Spektrallinie bei 2,6 mm Wellenlänge, messbar mit Radioteleskopen in klimatisch günstiger Lage, also auf Bergen, in der Wüste oder am Südpol. Kohlenmonoxid hat im Kosmos einen besseren Ruf als auf der Erde, denn das Molekül ist ein Indikator für günstige Bedingungen, unter denen neue Sterne und Planeten entstehen können. In unserer eigenen Galaxis, der Milchstraße, wird das Vorkommen von Kohlenmonoxid seit langem untersucht. Es gibt noch genügend kaltes Gas, um auch in Zukunft neue Sterne hervorbringen zu können. Viele Fragen sind jedoch noch offen, etwa wie das "Baumaterial" molekulares Gas selbst entsteht. Stammt es aus einem Vorrat aus der Frühzeit der Galaxis oder kann es sich aus dem (wärmeren) atomaren Gas bilden? Kann eine Gaswolke spontan kollabieren, oder braucht sie einen Anstoß von außen, um instabil zu werden? Wir befinden uns mitten in der Scheibe unserer Galaxis, und es ist sehr schwierig, von innen heraus einen Überblick über diese Vorgänge zu bekommen. Also haben Astronomen unseren Nachbarn im All ins Visier genommen: Die Andromeda-Galaxie (M31) ist ein Sternsystem aus vielen Hundert Milliarden Sternen, ähnlich unserer Milchstraße. Mit "nur" 2,5 Millionen Lichtjahren Entfernung ist M31 die nächste Spiralgalaxie. Am Himmel nimmt sie einen Winkel von fast 5 Grad ein und ist mit bloßem Auge bereits bei klarem Himmel als diffuses Wölkchen erkennbar. M31 ist ein ideales Objekt, das den Forschern hilft, die Vorgänge in unserem eigenen Sternsystem besser zu verstehen.
Im Jahr 1995 begann ein Team von Radioastronomen am Institut de Radioastronomie Millimétrique (IRAM) in Grenoble und am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn mit dem ehrgeizigen Projekt, die komplette Andromeda-Galaxie in der Kohlenmonoxid-Linie mit dem 30-Meter-Teleskop des IRAM auf dem 2.970 Meter hohen Pico Veleta bei Granada (Spanien) zu kartieren. Bei einer Winkelauflösung dieses Teleskops von 23 Bogensekunden mussten, um auch nur die inneren 2 Grad Ausdehnung der Galaxie zu erfassen, über 1,5 Millionen Einzelpositionen gemessen werden. Zur Bewältigung dieser gewaltigen Aufgabe wurde nicht jeder Punkt eigens angefahren, sondern das Teleskop streifenweise über die Galaxie bewegt und die Messdaten dabei kontinuierlich aufgenommen. Diese Methode, speziell entwickelt für das M31-Projekt, ist auf dem Pico Veleta inzwischen Routine und auch an anderen Teleskopen übernommen worden. Jede Position in M31 lieferte nicht nur einen, sondern gleich 256 Messwerte über ein Spektrum mit einer Bandbreite von etwa 0,2 Prozent der zentralen Wellenlänge von 2,6 mm. Damit besteht das komplette Beobachtungsmaterial aus insgesamt ca. 400 Millionen Zahlenwerten. Die genaue Lage der Linie des CO im Spektrum gibt Aufschluss über die Bewegung des kalten Gases. Bewegt es sich auf uns zu, so ist die Linie zu kürzeren Wellenlängen verschoben, bewegt es sich von uns weg, so verschiebt sich die Spektrallinie zu größeren Wellenlängen, so wie man es auch von Polizei- oder Krankenwagen her kennt (Doppler-Effekt). So lassen sich sogar hintereinander liegende Gaswolken aufgrund ihrer unterschiedlichen Geschwindigkeiten trennen. Ist eine Linie besonders breit, so expandiert oder kollabiert die Gaswolke, oder sie besteht aus vielen Einzelwolken. Ende 2001 konnten die Beobachtungen abgeschlossen werden - nach mehr als 800
Stunden Teleskopzeit. Damit ist dieses Projekt eines der umfangreichsten, das je
bei IRAM oder am MPIfR durchgeführt wurde. Nach ausführlicher Bearbeitung und
Analyse der enormen Datenmenge, wurde die fertige Karte der Verteilung des kalten
Gases nun veröffentlicht. Der Unterschied zwischen der Dichte des kalten Molekül-Gases in den Spiralarmen und in den Zwischenarmgebieten ist enorm groß, Dagegen ist das atomare Gas, das sich im neutralen Wasserstoff zeigt, viel gleichmäßiger verteilt ist. Es wird diskutiert, ob das molekulare Gas aus atomarem Gas durch Verdichtung entsteht, und zwar vorzugsweise in einer schmalen Ringzone innerhalb der Galaxie, in der auch fast die gesamte Sternbildung stattfindet. Was diese Zone vor allen anderen auszeichnet, lässt sich noch nicht eindeutig beantworten. Möglicherweise ist der Gasring von M31 der noch nicht verbrauchte Rest einer ursprünglich viel größeren Gasmasse. Vielleicht spielt auch das außergewöhnlich reguläre Magnetfeld eine Rolle, das nach Radiobeobachtungen mit dem Effelsberger 100-Meter-Teleskop fast die gleiche Form hat wie die CO-Spiralarme und dort die Sternbildung auslösen könnte. Die Ringzone ("Geburtszone" für die Bildung neuer Sterne) in unserer eigenen Galaxis ist kleiner als die von M31, sie reicht von etwa 10.000 bis 20.000 Lichtjahre Entfernung von Zentrum. Trotzdem ist die Gesamtmasse an kaltem Gas in unserer Galaxis viel größer als in M31. Da alle Galaxien ungefähr gleich alt sind, muss die Milchstraße sparsamer mit dem Rohstoff für Sterne umgegangen sein. In M31 dagegen weisen die vielen alten Sterne im Zentralbereich auf eine helle Vergangenheit hin, in der die Sternbildungsrate viel höher war als heute. Jetzt ist dort fast das gesamte Gas verbraucht und die Sternproduktion zum Erliegen gekommen. Die neue Karte zeigt, wie aktiv die Andromeda-Galaxie bei der Sternbildung aus kalten Gaswolken war. In einigen Milliarden Jahren wird unsere Galaxis ähnlich aussehen.
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