In den Orbit, zum Mond und dann zum Mars?
Redaktion / ESA
astronews.com
14. Juli 2005
Unter Federführung der Europäischen Weltraumorganisation ESA haben Studenten aus
zwölf Ländern in nur einem Jahr den Satelliten SSETI-Express gebaut. Am
25. August soll er vom russischen Kosmodrom Plessezk seine Reise ins All
antreten. Läuft alles nach Plan, soll ein weiterer Studentensatellit zur Erderkundung
folgen. Und auch an eine studentische Mond- und Marsmission ist schon gedacht.

SSETI Express soll die Erde in 686 Kilometer Höhe umkreisen. Bild:
Morten Bisgaard / SSETI |
SSETI hat nichts mit Außerirdischen zu tun. Hinter dem Kürzel verbirgt sich
eine europäische Weltraumausbildungs- und -technologieinitiative für Studenten (Student
Space Exploration & Technology Initiative). SSETI-Express ist ihr
erstes flugfähiges Satellitenprodukt. Zwölf Länder sind daran beteiligt:
Deutschland, Österreich, Schweiz, die Niederlande, Dänemark, Italien,
Frankreich, Portugal, Polen, Spanien, Großbritannien und Norwegen.
Der Startschuss für den Bau von SSETI-Express fiel Ende Januar 2004 bei
einem Workshop im ESA-Weltraumtechnologiezentrum ESTEC. Bereits im Herbst
desselben Jahres stand der 60 mal 60 mal 70 Zentimeter große Satellit in einem
Reinraum des ESTEC. Dort wurden die Subsysteme und Komponenten integriert, die
aus allen Teilen Europas beim ESTEC eingingen.
Anschließend ging es in die
dortigen Testanlagen, wo der fertige Studentensatellit auf Weltraumtauglichkeit
geprüft wurde. Auf dem Programm standen dabei Hitze- und Kältetests im Vakuum,
Rütteltests sowie Radioemissionstests. Anfang Mai konnten die ESA-Ingenieure und
die beteiligten Studenten dann vermelden: SSETI-Express startklar.
In diesen Tagen wird nun der Satellit zum nordrussischen Kosmodrom Plessezk
gebracht. Nach weiteren Tests beginnen die Integrationsarbeiten des 62 Kilogramm
schweren studentischen Raumflugkörpers. Er soll, gemeinsam mit zwei britischen
Satelliten, mit einer Trägerrakete vom Typ Kosmos-3M am 25. August gestartet
werden. SSETI-Express ist ein waschechtes paneuropäisches Raumfahrzeug.
"Die Hauptstruktur, also das gesamte Gehäuse des Satelliten, wurde in Portugal
geplant und an der Universität Dortmund gefertigt", erläutert Lars Mehnen von
der TU Wien, der auch Vizepräsident der SSETI-Association ist. Die TU Wien hat
Teile der Hauptkommunikationseinrichtung des Satelliten hergestellt. Die
Solarzellen stammen aus Frankreich. Ein Team aus Neapel hat das
Stromversorgungssystem gebaut. Bordcomputer und Bordkamera kommen ebenso wie das
innovative Fluglagebestimmungssystem aus Dänemark.
An Bord befindet sich
außerdem ein Kaltgas-Antriebssystem, das Studenten der Universität Stuttgart
entwickelt haben. "Die Jungs aus Stuttgart waren bei der SSETI-Initiative von
Anfang an dabei", erinnert sich Lars Mehnen. "Der Gasantrieb, den sie entwickelt
haben, soll bei späteren Missionen durch ein stärkeres System ersetzt werden".
Die SSETI-Express-Mission wird vor allem als Beleg dafür dienen, dass
ein europaweites Studentennetzwerk in der Lage ist, weltraumtaugliche Satelliten
herzustellen. Außerdem soll der auf einer kreisförmigen polaren Umlaufbahn in
685 Kilometern Höhe operierende Satellit Bilder der Erdoberfläche anfertigen
sowie als Versuchsträger die integrierte Hard- und Software der Folgemission
SSETI-ESEO (European Student Earth Orbiter) testen.
Darüber hinaus treten im Inneren des SSETI-Express-Raumflugkörpers
drei "CubeSat"-Kleinstsatelliten die Reise ins All an. Die drei Winzlinge
entstanden zwar nicht im Rahmen der SSETI-Initiative, wurden aber ebenfalls von
Studenten entwickelt. "Rechtlich gesehen gehören die CubeSats tatsächlich zum
SSETI-Express, sie wurden aber von eigenen Gruppen gebaut", präzisiert Lars
Mehnen.
Im Orbit angekommen, setzt SSETI-Express die drei 10 Zentimeter
großen Würfelsatelliten nacheinander aus. Neben einem norwegischen und einem
japanischen ist mit UWE-1 (University of Würzburgs Experimental Satellite 1)
auch ein kaum milchtütengroßer Satellitenzwerg aus Deutschland dabei. Der an der
Universität Würzburg entwickelte Testsatellit dient dazu, die gängigen
Internet-Protokolle (TCP/IP) für den Einsatz bei Weltraummissionen zu
qualifizieren (astronews.com berichtete).
Nach einer nominellen Missionszeit von etwa einem Monat wird SSETI-Express
sein zweites Leben als Funk-Transponder für Amateurfunker beginnen und solange
der Fangemeinde treue Dienste leisten, bis die Gravitationsgesetze ihn in der
Erdatmosphäre verglühen lassen.
SSETI-Express ist ein Ergebnis der SSETI-Ausbildungsinitiative für
Studenten, die die Bildungsabteilung der ESA im Jahr 2000 ins Leben gerufen hat.
SSETI soll Studenten anspornen, sich durch Entwicklung, Bau, Start und Betrieb
von Mikrosatelliten mit dem Weltraum und dessen technischen Anforderungen
vertraut zu machen.
Unter dem Motto "Let’s launch a dream!" entwickeln vernetzt arbeitende
studentische Teams an vielen europäischen Universitäten Komponenten und
Subsysteme für gemeinsame europäische Raumfahrzeuge. Die Teams werden bei ihrer
Arbeit von Experten der ESA unterstützt. SSETI hat sich zu einem echten
Fördernetzwerk für alle studentischen Weltraumaktivitäten in Europa entwickelt,
das es auch kleinen Universitäten ermöglicht, an Hightech-Projekten
teilzunehmen.
Die Studentengruppen an den verschiedenen Universitäten kommunizieren und
kooperieren in erster Linie via Internet. Die TU Wien übernimmt dabei eine
entscheidende Rolle. An der TU Wien stehen die zentralen SSETI-Server, was Wien
zum elektronischen Dreh- und Angelpunkt der europaweiten Kommunikation macht.
Der Informationsaustausch erfolgt durch einen zentralen Nachrichtenserver, durch
wöchentliche Internet Relay Chats (IRCs) sowie über die SSETI-Website.
Persönliche Treffen sind eher die Ausnahme, aber die Vertreter der Teams kommen
in der Regel alle sechs Monate zu einem Workshop im ESTEC zusammen.
SSETI-Express bereitet den Boden für eine zweite, komplexere
Studentensatelliten-Mission namens SSETI-ESEO. Der etwa 100 Kilogramm
schwere Raumflugkörper soll voraussichtlich 2007 mit einer Ariane 5 ins
All gebracht und im geostationären Orbit in 36.000 Kilometern Höhe positioniert
werden. Geplant sind außerdem ein europäischer Studenten-Mondorbiter (ESMO)
sowie ein Mondrover (ESMR). Aber auch ein Marsorbiter aus Studentenhand könnte
bald nicht mehr nur Zukunftsmusik sein.
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