ERDE
Das
Geheimnis der leuchtenden Nachtwolken
von Stefan
Deiters
astronews.com
19. Februar 2003
Den Astronauten an Bord der Internationalen Raumstation ISS bietet
sich zuweilen ein eindrucksvolles Schauspiel: In der oberen Erdatmosphäre
leuchten bläuliche dünne Wolken. Was dieses erst vor rund 100 Jahren
entdeckte Phänomen verursacht, ist nur ansatzweise bekannt. Manche geben
dem Treibhauseffekt die Schuld, andere machen kosmischen Staub dafür
verantwortlich.
Leuchtende Nachtwolken von der ISS aus gesehen.
Foto:
Don Pettit / NASA TV |
"In den letzten Wochen haben wir viele Male diese Wolken über der südlichen
Halbkugel der Erde gesehen", erzählte Don Pettit, derzeit Besatzungsmitglied der
Internationalen Raumstation ISS, in einem Beitrag für NASA TV. "Wir sehen sie
regelmäßig, wenn wir über Australien oder Südamerika fliegen." Und nicht nur die
Astronauten an Bord der ISS können dieses faszinierende Himmelsschauspiel
beobachten. Auch von der Erde aus sind die leuchtenden Nachtwolken (auch
noctilucent clouds oder kurz NLC genannt) nach Sonnenuntergang zu sehen,
doch ist der Blick aus dem All deutlich besser.
"Leuchtende Nachtwolken sind ein recht junges Phänomen", erläutert Gary
Thomas, Professor an der Universität von Colorado in einem Beitrag für die
Science@NASA-Webseite. "Zum ersten Mal wurden sie 1885 beobachtet - rund zwei Jahre nach
einem gewaltigen Vulkanausbruch in Indonesien, bei dem Asche bis in eine Höhe
von 80 Kilometern geschleudert wurde." Neben faszinierenden Sonnenuntergängen
sorgte diese Asche offenbar auch für ein bislang unbekanntes Phänomen, das
erstmals von einem deutschen Himmelsbeobachter aufgespürt wurde: bläulich
leuchtende Wolken, die nach Sonnenuntergang am Himmel zu sehen waren. Die
Wissenschaft damals erklärte sich diese durch den Eintrag von Asche in
hohe Atmosphärenschichten.
Doch als die Asche des Vulkanausbruchs langsam wieder aus der Atmosphäre
verschwand, blieben die leuchtenden Nachtwolken weiterhin sichtbar. "Es ist
schon rätselhaft", so Thomas, "die Wolken war nicht nur weiter zu beobachten,
sie haben sich auch immer weiter ausgebreitet." Die Wolken befinden sich in der
so genannten Mesosphäre, einer extrem trockenen Atmosphärenschicht in einer Höhe
zwischen 50 und 85 Kilometern. Hier herrschen Temperaturen von etwa minus 124
Grad Celsius. Trotz der extremen Trockenheit bestehen die Wolken aus winzigen
Eiskristallen, die das Sonnenlicht streuen, was für die typische bläuliche
Färbung sorgt.
Wie diese Eiskristalle in dieser Höhe entstehen können, ist eines der großen
Geheimnisse der leuchtenden Nachtwolken. Für die Bildung von Eiskristallen sind
nämlich Wasser und Staub nötig. Der Vulkanausbruch Ende des 19. Jahrhunderts
könnte also für einige Zeit den notwendigen Staub geliefert haben. Doch woher
ist der Nachschub gekommen? Manche Forscher glauben, das der notwendige Staub
nicht von der Erde, sondern aus dem All kam, nämlich von den vielen oft winzigen
Meteoriten, von denen die Erde jeden Tag bombardiert wird.
Das Wasser selbst wird von Winden in diese Atmosphärenschichten getragen, die
hauptsächlich im Sommer auftreten. Deswegen sind die Wolken auch nur in dieser
Jahreszeit auszumachen. An der zunehmenden Verbreitung der Wolken könnte der
Treibhauseffekt Schuld sein: Für die Entstehung der Eiskristalle an einem so
trockenen Ort wird extreme Kälte benötigt. Die Treibhausgase sorgen für warme
Temperaturen auf der Erdoberfläche und gleichzeitig für kältere Temperaturen in
der höheren Atmosphäre. Das könnte auch erklären, warum die Wolken erstmals zu
Beginn des Industriezeitalters beobachtet wurden.
Mehr Informationen über die leuchtenden Nachtwolken erhoffen sich die
Wissenschaftler von einem kleinen Satelliten namens AIM - für Aeronomy of Ice
in the Mesosphere. Nach dem geplanten Start im Jahr 2006 könnte er für die
Entstehung der Wolken entscheidende Messwerte wie Temperatur, Meteoritenhäufigkeit
und chemische Zusammensetzung in der fraglichen Atmosphärenschicht zur Erde
funken.
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