|
Blick auf einen interstellaren Besucher
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
3. November 2025
Die europäische Raumsonde JUICE befindet sich gerade auf dem
Weg zum Jupiter, wird aber in den kommenden Wochen ein ganz anderes Objekt ins
Visier nehmen: den interstellaren Kometen 3I/ATLAS. Von der Erde aus ist der
Komet derzeit kaum zu sehen, JUICE hingegen hat eine deutlich bessere Position.
Das Team hofft durch die Beobachtungen mehr über das Wasser von 3I/ATLAS zu
erfahren.

Der interstellare Komet 3I/ATLAS in einer
Aufnahme des Teleskops Gemini South.
Bild: International Gemini Observatory /
NOIRLab / NSF / AURA / Shadow the Scientist /
Bildverarbeitung: J. Miller & M. Rodriguez
(International Gemini Observatory / NSF NOIRLab),
T. A. Rector (University of Alaska Anchorage /
NSF NOIRLab), M. Zamani (NSF NOIRLab) [Großansicht] |
Auf ihrer achtjährigen Reise zum Jupiter erwartet die ESA-Raumsonde JUICE ab
Sonntag eine unverhoffte Abwechslung: Die Sonde hat in den kommenden Wochen gute
Sicht auf das interstellare Objekt 3I/ATLAS. Vor wenigen Monaten, am 1. Juli
dieses Jahres, zeigte sich der Körper erstmals in Aufnahmen des chilenischen
ATLAS-Teleskops – und ließ sich anhand seiner Flugbahn als Besucher von
außerhalb des Sonnensystems identifizieren. Nur zwei weitere interstellare
Objekte sind bisher bekannt. Forschende des Max-Planck-Instituts für
Sonnensystemforschung (MPS) haben in den vergangenen Monaten dazu beigetragen,
die spontan einberufene JUICE-Messkampagne vorzubereiten und hoffen auf
einzigartige Daten.
"Dass sich JUICE und 3I/ATLAS auf ihren ganz unterschiedlichen Wegen durch
das Sonnensystem begegnen, ist ein außerordentlich Glücksfall. Mit so etwas
hatten wir nie gerechnet", freut sich Ladislav Rezac, MPS-Wissenschaftler und
Projektleiter des SWI-Teams von JUICE. In den nächsten Wochen sind die
Beobachtungsbedingungen für JUICE günstig. Mit einem Abstand von 210 Millionen
Kilometern hat 3I/ATLAS gestern seinen sonnennächsten Punkt, innerhalb der
Marsbahn, erreicht. Unter dem Einfluss der Sonne dürften in den nächsten Tagen
und Wochen vermehrt gefrorene Gase von der Oberfläche des weitgereisten Gastes
sublimieren, Staubteilchen mit sich reißen und so den kosmischen Brocken in eine
vergleichsweise gut erkennbare Wolke aus Gas und Staub hüllen. JUICE trennen
derzeit nur etwa 60 Millionen Kilometer von diesem Spektakel. Teleskope auf der
Erde haben hingegen in den nächsten Tagen kaum eine Chance, das interstellare
Objekt zu Gesicht zu bekommen. Unser Planet befindet sich derzeit beinahe genau
auf der anderen Sonnenseite.
Die Mitglieder des JUICE-Teams am MPS interessieren sich besonders für das
Wasser, das von 3I/ATLAS ins All sublimiert. Das Submillimeter Wave
Instrument (SWI) an Bord von JUICE, das unter Leitung des MPS entwickelt
und gebaut wurde, fängt Strahlung mit Wellenlängen zwischen etwa einem Viertel-
und einem halben Millimeter ein. In diesem Wellenlängenbereich hinterlassen
Wassermoleküle charakteristische Signaturen. Mit seiner extrem hohen spektralen
Auflösung kann SWI diesen Spuren weitere Informationen entnehmen, etwa ob die
Wassermoleküle von der Oberfläche des interstellaren Brocken stammen oder
zusätzlich von Eiskörnchen in seiner Umgebung.
"Wir hoffen, dass mit SWI die ersten hochaufgelösten Messungen von Wasser auf
3I/ATLAS gelingen", so MPS-Wissenschaftler Paul Hartogh, wissenschaftlicher
Leiter des SWI-Teams. "Dies könnte uns unter anderem helfen, die Verteilung von
oberflächennahem Wassereis zu verstehen", fügt er hinzu. Auch das
Instrumentenpacket Particle Environment Package (PEP) von JUICE wird in
den nächsten Tagen einen seiner Sensoren einschalten. Der Sensor fängt
energetische ungeladene Atome wie etwa Wasserstoff, Helium oder Sauerstoff ein.
Sie entstehen, wenn geladene Sonnenwindteilchen auf die Gaswolke trifft, die
3I/ATLAS umgibt – und zwar um so zahlreicher je mehr Gas der interstellare
Körper ins All spuckt.
"Die Messungen können uns verraten, welche Gase von der Oberfläche von
3I/ATLAS sublimieren und in welcher Menge", erklärt Elias Roussos,
PEP-Teammitglied vom MPS. Da voraussichtlich nur sehr wenige Neutralteilchen
entstehen werden, wird PEP zwölf Tage am Stück messen und so hoffentlich
ausreichend Teilchen einfangen. Mit etwas Glück zeigt sich 3I/ATLAS in den
nächsten Tagen besonders aktiv. Während das Objekt aktuell etwa zwei Tonnen
Wasserdampf pro Sekunde produziert, könnte es kurz nach der Sonnenpassage auf
einen Schlag ausbruchartig noch größere Mengen freisetzen. Solches Verhalten ist
von Kometen bekannt und würde die geplanten Messungen erleichtern.
Die JUICE-Instrumente, die ihren Blick auf 3I/ATLAS richten, werden vom 2.
bis 25. November eingeschaltet. Die Beobachtungskampagne ist aus operativer
Sicht knifflig. Sonde und interstellares Objekt sind in unterschiedlichen
Richtungen unterwegs, 3I/ATLAS mit einer rasanten Geschwindigkeit von etwa
220.000 Kilometern pro Stunde. Zudem kann JUICE für nicht länger als 30 Minuten
pro Tag auf den weitgereisten Besucher schauen. Andernfalls würde die
empfindliche Seite der Raumsonde zu viel Sonnenstrahlung ausgesetzt. Nur PEP mit
seinem deutlich größeren Sichtfeld kann trotz der Schwenkbewegungen mehrere Tage
am Stück beobachten. Ob die Bemühungen erfolgreich waren, wird sich erst im
Februar nächsten Jahres zeigen. Erst dann werden die Messdaten zur Erde gefunkt
– eine Art verspätetes Erinnerungsfoto an eine einzigartige Begegnung.
|