Das Universum in all seinen Dimensionen im Blick
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Physik astronews.com
20. Juni 2025
Im Rahmen eines neuen Zentrums für Teilchenphysik,
Kosmologie und Geometrie wollen Forschende aus Deutschland, den USA und Taiwan
versuchen, ein tieferes Verständnis des Universums in all seinen Dimensionen zu
erlangen. Bislang sind Theorien wie das Standardmodell der Teilchenphysik oder
die Relativitätstheorie zwar für sich genommen sehr erfolgreich, untereinander
aber nicht vereinbar.

Durch Kombination von Teilchenphysik,
Kosmologie und Geometrie erhoffen sich Forschende einen neuen
Blick auf unser Universum. Hier das Hubble Ultra Deep Field.
Bild: NASA, ESA und S. Beckwith (STScI)
und das HUDF-Team [Großansicht] |
Die Theorien, mit denen Forschende das Universum auf den kleinsten
(Teilchenphysik) und größten Skalen (Kosmologie) beschreiben – vom
Standardmodell bis zur Allgemeinen Relativitätstheorie – gelten jeweils als
äußerst erfolgreich. Doch sie sind untereinander nicht vereinbar. Um ein
tieferes Verständnis für das Universum in all seinen Dimensionen zu erlangen,
wurde nun das Max-Planck-IAS-NTU-Zentrum (MPC) für Teilchenphysik, Kosmologie
und Geometrie gegründet. Es handelt sich um eine gemeinsame Initiative der
Max-Planck-Gesellschaft (MPG) in Deutschland, des Institute for Advanced
Study (IAS) in Princeton, USA, und der National Taiwan University
(NTU) in Taipeh, Taiwan.
"Durch die Vereinigung des Fachwissens und des wissenschaftlichen Potenzials
unserer drei Partner-Institute entsteht ein globaler Knotenpunkt für Exzellenz
und Wissenstransfer in der theoretischen Physik", sagt Johannes Henn vom
Max-Planck-Institut für Physik (MPP). "Das Zentrum fördert die Zusammenarbeit
über institutionelle und disziplinäre Grenzen hinweg. So entstehen Synergien –
etwa in der Entwicklung neuer mathematischer Werkzeuge für die
Quantenfeldtheorie, in der Beschreibung von Elementarteilchenwechselwirkungen
oder beim Verständnis der Physik des frühen Universums."
Teilchenphysik befasst sich mit den fundamentalen Bausteinen der Materie auf
subatomarer Ebene, während die Kosmologie die Struktur und Entwicklung des
Universums als Ganzes untersucht. In den letzten Jahren wurden überraschende
Verbindungen zwischen Teilchenphysik, Kosmologie und Geometrie entdeckt, welche
neue Wege zur Beschreibung von Teilchenstreuung und zur Erforschung der
Anfangsbedingungen des Universums nach dem Urknall eröffnen könnten. Durch die
Integration dieser drei Disziplinen verspricht das neue Zentrum Erkenntnisse,
die aus der Perspektive einzelner Fachgebiete nicht zugänglich wären.
"Eine der bemerkenswertesten Entdeckungen der modernen Kosmologie ist die
Tatsache, dass der heiße Urknall nicht der Beginn der Zeit war. Eine
faszinierende Frage ist, was vor dem heißen Big Bang geschah und wie er die
Ausgangsbedingungen für die Strukturen schuf, die wir im späten Universum
sehen", erklärt Daniel Baumann, Chee-Chun Leung Professor für Kosmologie an der
NTU. "Mit diesem Zentrum bringen wir Fachleute aus Teilchenphysik, Kosmologie
und Geometrie zusammen, um neue Antworten auf die fundamentalen Fragen zur
Entstehung und Entwicklung des Universums zu finden."
Das neue Zentrum wird weltweit renommierte Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler sowie Studierende aus der ganzen Welt zusammenbringen. Auch
Expertinnen und Experten aus der Beobachtungskosmologie und Astrophysik werden
beteiligt sein, um die theoretischen Konzepte mit empirischer Forschung zu
ergänzen. Zentrale Aktivitäten umfassen internationale Workshops, Konferenzen,
Sommerschulen und Forschungsaufenthalte. Damit soll ein dynamischer Austausch
über Fach- und Landesgrenzen hinweg gefördert werden. Das Zentrum setzt sich für
Exzellenz ein und will Talente weltweit identifizieren und fördern.
"Dieses neue Zentrum ist einzigartig in seinem Forschungsansatz, da es
Teilchenphysik, Kosmologie und Mathematik aus einer neuartigen und innovativen
Perspektive miteinander verbindet. Es stärkt das Münchner Wissenschaftsökosystem
zusätzlich, indem es institutionelle Brücken zu führenden akademischen
Einrichtungen in Princeton und Taiwan schlägt", erklären Barbara Ercolano und
Stefan Schönert, Sprecherin und Sprecher des kürzlich bewilligten
Exzellenzclusters ORIGINS. "Insbesondere ergänzt und erweitert es den neuen
'ORIGINS Connector Cosmological Correlators', der Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität, der Technischen Universität
München, des MPP sowie der Max-Planck-Institute für Astrophysik und für
extraterrestrische Physik zusammenführt."
Das Zentrum wird Münchens internationale wissenschaftliche Partnerschaften
stärken, indem es internationale Zusammenarbeit fördert, wegweisende Forschung
vorantreibt und Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler
unterstützt. Unter der Leitung seiner drei Co-Direktoren soll es sich zu einem
Zentrum für exzellente Forschung und zu einer lebendigen Ausbildungsstätte für
zukünftige Generationen von Forschenden entwickeln. Noch vor zehn Jahren hätte
man es in Teilchenphysik und Kosmologie für absurd gehalten, dass die
Beschreibung kollidierender Elementarteilchen etwas mit Kombinatorik, Algebra
oder Geometrie zu tun haben könnte, so Nima Arkani-Hamed, Gopal-Prasad-Professor
an der Schule für Naturwissenschaften am IAS. Und umgekehrt sei es in der
Mathematik genauso gewesen. "Dass sich diese Verbindungen heute als real
erweisen, ist eine stimulierende Überraschung – und eine Chance. Dieses Zentrum
wird dabei helfen, diese bahnbrechende Entdeckung besser zu verstehen."
Der Forschungsbetrieb beginnt im Juli 2025. Die erste Förderperiode umfasst
fünf Jahre. Das offizielle Eröffnungssymposium findet vom 1. bis 3. September
2025 an der NTU statt. Eine Auftaktkonferenz ist vom 16. bis 20. März 2026 am
IAS geplant. Max-Planck-Zentren sind kollaborative Forschungsinitiativen der
Max-Planck-Gesellschaft mit führenden internationalen Partnerinstitutionen. Die
Zentren fokussieren sich auf spezifische Forschungsthemen und schaffen durch
gemeinsame Projekte, Workshops und die Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses eine langfristige und intensive Kooperation. Eine erste
Förderperiode umfasst in der Regel fünf Jahre mit der Option auf Verlängerung um
weitere fünf Jahre bei entsprechend erfolgreicher Ergebnisentwicklung. Sie
symbolisieren ein langfristiges Engagement für die wissenschaftliche
Zusammenarbeit auf höchstem Niveau.
Die Max-Planck-Gesellschaft ist Deutschlands führende Forschungsorganisation
für Grundlagenforschung. Sie wurde 1948 als Nachfolgerin der
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gegründet und zählt 31 Nobelpreisträger zu ihren
Mitgliedern. Das Max-Planck-Institut für Physik forscht schwerpunktmäßig in der
Teilchenphysik und beherbergt heute sieben Abteilungen. Das Institute for
Advanced Study in Princeton ist eine weltweit renommierte Einrichtung für
theoretische Forschung. Seit seiner Gründung 1930 war es Wirkungsstätte
herausragender Wissenschaftler wie Albert Einstein und J. Robert Oppenheimer.
Jährlich forschen rund 250 ausgewählte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
auf dem Campus in interdisziplinärer Umgebung. Die National Taiwan University
ist Taiwans führende Hochschule. Ihre Physikfakultät verfügt über starke Gruppen
in theoretischer Teilchenphysik und Kosmologie. Das MPC ist am dortigen
Leung Center for Cosmology and Particle Astrophysics angesiedelt.
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