Beschleunigende Jets aus aktiven Galaxienkernen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
24. März 2025
Ein internationales Forschungsteam hat 16 aktive galaktische
Kerne mit dem Event Horizon Telescope ins Visier genommen. Dank dessen
Auflösungsvermögen konnten die Jets näher als je zuvor an den zentralen
supermassereichen Schwarzen Löchern dieser Galaxien beobachtet werden. Die Daten
wurden dann mit Messungen anderer Teleskope verglichen.

Künstlerische Darstellung des Zentrums einer
aktiven Galaxie.
Bild:
Juan Carlos Algaba [Großansicht] |
Um zu beurteilen, wie genau die Entwicklung von Jets in den Zentren aktiver
Galaxien mit supermassereichen Schwarzen Löchern vonstatten geht, hat ein
internationales Forschungsteam unter der Leitung von Jan Röder vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und Instituto de
Astrofisica de Andalucia (IAA-CSIC) inm spanischen Granada Beobachtungen mit dem
Event-Horizon-Teleskop mit früheren Studien mit dem Very Long Baseline Array
und dem Global Millimeter VLBI Array verglichen, die viel größere
räumliche Skalen untersuchen. Aus diesem Vergleich konnte das Team ableiten, wie
sich die Jets von ihrem Ursprung in der Nähe des Schwarzen Lochs bis zu einer
Entfernung von vielen Lichtjahren in den interstellaren Raum entwickeln. Die
Intensität der von einer bestimmten Himmelsregion ausgehenden Strahlung,
gemessen als Helligkeitstemperatur, nimmt im Allgemeinen zu, wenn sich das
Jet-Plasma, von dem die Strahlung emittiert wird, weiter vom Schwarzen Loch
entfernt.
"Unsere Ergebnisse stellen langjährige Annahmen über das Verhalten von Jets
in Frage", urteilt Röder. "Durch die Analyse einer Stichprobe von sechzehn
aktiven galaktischen Kernen konnten wir den Einfluss individueller
Besonderheiten reduzieren und ein breiteres Bild vom Verhalten dieser Jets
gewinnen." Im bisher gebräuchlichsten Modell wird davon ausgegangen, dass Jets
konisch sind und ein Plasma enthalten, das sich mit konstanter Geschwindigkeit
bewegt, während die magnetische Feldstärke und die Dichte des Jet-Plasmas mit
zunehmender Entfernung vom aktiven Galaxienkern im Zentrum abnehmen. Auf der
Grundlage dieser Annahmen können Vorhersagen über die beobachtbaren
Eigenschaften von Jets gemacht werden.
"Dieses Basismodell kann nicht alle Jets perfekt beschreiben -
höchstwahrscheinlich nur einen kleinen Teil. Die Dynamik und die Substruktur von
Jets sind kompliziert, und die Beobachtungsergebnisse können durch
astrophysikalische Entartungen stark beeinträchtigt werden", fährt Röder fort.
"Wir wissen zum Beispiel, dass viele Jets zu beschleunigen scheinen. Entweder
beschleunigt das Plasma selbst, oder es kann ein Effekt der Geometrie sein: Wenn
sich der Jet krümmt, kann er direkter auf uns gerichtet sein, was den Eindruck
einer schnelleren Bewegung vermittelt."
"Durch die Verwendung einer Stichprobe von sechzehn aktiven galaktischen
Kernen konnten wir uns ein umfassenderes Bild vom Verhalten der Jets machen, als
wenn wir nur einzelne Quellen untersucht hätten. Auf diese Weise sind die
Ergebnisse weniger anfällig für die Beeinflussung durch ihre jeweiligen
individuellen Eigenschaften", sagt Maciek Wielgus vom IAA-CSIC, der Co-Leiter
des Projekts. "Wir haben festgestellt, dass die Helligkeit der Jets
typischerweise mit zunehmender Entfernung vom Schwarzen Loch zunimmt, was einen
starken Hinweis auf eine Beschleunigung darstellt."
Eduardo Ros, vom MPIfR, der europäische Planer des Global Millimeter VLBI
Array, betont die Bedeutung der Beobachtungen im mittleren Maßstab: "Das
Global Millimeter VLBI Array, das bei einer Wellenlänge von 3,5 mm
arbeitet, liefert Schlüsselinformationen zwischen den höchsten Auflösungen, die
das EHT erreicht, und dem allgemeineren Bild der Jets, das das Very Long
Baseline Array liefert. Dies wurde im Fall von M 87 deutlich, wie von RuSen
Lu und Mitarbeitern in einer früheren Arbeit gezeigt werden konnte."
Aktive galaktische Kerne, die hellen Zentralquellen einiger Galaxien, werden
von supermassereichen Schwarzen Löchern angetrieben. Aus einigen dieser Objekte
treten mächtige Plasmastrahlen aus, die viele tausend Lichtjahre weit in den
intergalaktischen Raum reichen. Um die komplizierte Physik hinter diesem
Phänomen zu verstehen, sind Beobachtungen mit extremer Winkelauflösung
erforderlich, die es den Astronomen ermöglichen, in die Nähe des Ursprungs für
den Jet zu blicken. Das Event-Horizon-Teleskop (EHT) ist eine Anordnung von
Radioteleskopen, die über die ganze Welt verstreut sind. Zusammen bilden sie ein
virtuelles Teleskop von der Größe der Erde, das die erforderliche Auflösung für
die Untersuchung von Schwarzen Löchern und ihren Jets bietet.
Das EHT wird von einer internationalen Zusammenarbeit von Hunderten von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern betrieben und lieferte die ersten
Bilder von supermassereichen Schwarzen Löchern in den Zentren der Milchstraße (Sagittarius
A*) und der Galaxie M 87 (astronews.com berichtete wiederholt). Neben diesen
Hauptzielen beobachtete das EHT während seiner Kampagne 2017 auch eine Reihe
weiterer aktiver galaktischer Kerne. Um zu beurteilen, wie genau - oder ungenau
- das Verständnis für die Entwicklung von Jets ist, verglichen die Forscher die
EHT-Ergebnisse mit früheren Beobachtungen der gleichen Quellen. Diese wurden mit
dem Very Long Baseline Array und dem Global Millimeter VLBI Array
durchgeführt, mit denen viel größere räumliche Skalen untersucht werden können
als mit dem EHT.
Aus diesem Vergleich konnte die Entwicklung der Jets von der Nähe ihres
Ursprungs bis hin zu vielen Lichtjahren Entfernung im interstellaren Raum
abgeleitet werden. Die durch die Helligkeitstemperatur gemessene
Strahlungsleistung pro Raumwinkel, die von einer bestimmten Quelle ausgeht,
nimmt allmählich zu, wenn sich das strahlende Jet-Plasma immer weiter vom
Schwarzen Loch entfernt. Es gibt zwar alternative Erklärungen für diese neuen
Beobachtungen, wie etwa eine Abweichung von der konischen Geometrie, aber das
grundlegende theoretische Modell kann die Eigenschaften von Jets in der Nähe
ihres Ursprungs mit Sicherheit nicht vollständig reproduzieren.
"Es sind weitere Studien erforderlich, um den Beschleunigungsmechanismus, den
Energiefluss, und die Rolle von Magnetfeldern in den Jets aktiver galaktischer
Kerne und ihre Geometrien vollständig zu verstehen. Das expandierende
EHT-Netzwerk wird eine wichtige Rolle bei der zukünftigen Entdeckung dieser
faszinierenden Objekte spielen", ist Röder überzeugt. J. Anton Zensus, Direktor
am MPIfR und Gründungsvorsitzender der EHT-Kollaboration, fasst zusammen: "Diese
Ergebnisse beruhen auf den laufenden Arbeiten des EHT und werden durch die
Studien des Global Millimeter VLBI Array bestätigt. Sie zeigen, wie
wichtig globale Partnerschaften, Spitzentechnologien und beharrliche Forschung
für den wissenschaftlichen Fortschritt sind. Mit neuen Teleskopen und der
nächsten Generation von Netzwerken werden wir unser Verständnis für diese
faszinierenden kosmischen Phänomene weiter vertiefen."
Über die Studie berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheinen wird.
|