Doppelstern in der Nähe des supermassereichen Schwarzen
Lochs der Milchstraße entdeckt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität zu Köln astronews.com
18. Dezember 2024
Mithilfe des Very Large Telescope wurde jetzt ein
Doppelstern in direkter Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs
Sagittarius A* im Zentrum unserer Galaxie gefunden. Vermutlich wird das D9
genannte System in naher Zukunft zu einem einzelnen Stern verschmelzen. Der Fund
könnte mehr über die Sternentstehungsprozesse in dieser Region verraten.
Das Doppelsternsystem D9 in unmittelbarer
Nähe des zentralen Schwarzen Loch Sgr A*.
Bild: ESO / F. Peißker et al.
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Seit ungefähr dreißig Jahren ist es möglich, einzelne Sterne in der Nähe des
zentralen Schwarzen Lochs der Milchstraße zu beobachten. Der Zentralbereich um
das supermassereiche Schwarze Loch Sagittarius A* (kurz: Sgr A*) beinhaltet
Millionen von Sternen und unterteilt sich in verschiedene Unterbereiche. Eine
besonders interessante Region dieses sogenannten "inneren Parsec" ist der
S-Sternhaufen, welcher Sgr A* selbst beinhaltet. Aufgrund der hohen
Sternendichte müsste es dort in der Theorie viele Doppelsterne geben.
Tatsächlich befinden sich die fünf bekannten Doppelsterne aber in anderen weiter
entfernten Bereichen, während in diesem Sternhaufen bislang keine nachgewiesen
werden konnten.
Forschende führten diesen Umstand auf die gravitativen Kräfte zurück. Denn
die Sterne im S-Sternhaufen bewegen sich zwar auf stabilen Bahnen um das
Schwarze Loch, ähnlich wie die Erde um die Sonne. Allerdings sind die dortigen
Bedingungen viel extremer, da Sgr A* vier Millionen Mal massereicher als unsere
Sonne ist. Die Sterne erreichen daher teilweise Geschwindigkeiten von mehreren
tausend Kilometern pro Sekunde – keine guten Bedingungen für die Entstehung von
Doppelsternsystemen.
Ein Team unter Leitung von Dr. Florian Peißker vom Institut für Astrophysik
der Universität zu Köln hat aber nun mit "D9" ein Doppelsternsystem in genau
diesem Sternhaufen entdeckt. Der Fund gelang, da die Forschenden bei der
Beobachtung bestimmter Staubquellen im S-Sternenhaufen anders vorgegangen waren
als bislang üblich: Normalerweise werden mehrere Einzelbeobachtungen eines
Jahres übereinandergelegt und addiert, um das Signal der Objekte zu verstärken.
"Niemand hat sich Einzelbeobachtungen der Staubquellen pro Nacht genau
anzuschauen", sagt Peißker. "Das war für unsere Studie der Knackpunkt: die
Untersuchung und Analyse jeder einzelnen Nacht. Die Daten der Aufnahmen sind
zwar verrauschter, aber immer noch gut genug. So konnten wir den Doppelstern
identifizieren."
Durch die Entdeckung von D9 eröffnet sich für die Forschung nun die
Möglichkeit, die Prozesse einer Sternentstehung genauer zu untersuchen, da das
System in den nächsten Jahrzehnten bis Jahrtausenden sehr wahrscheinlich
verschmilzt und sich damit ein neuer, etwas massereicherer Stern bildet. Dies
würde ein weiteres Mysterium lösen: Denn die Sterne im S-Sternhaufen, nahe dem
supermassereichen Schwarzen Loch, sind jünger als es jede Sternenhaufentheorie
vorhergesagt hat. Die Anwesenheit des Doppelsternsystems könnte daher neue
Hinweise darüber liefern, wie sich die Sterne rund um das zentrale Schwarze Loch
bilden.
Das Team hält es für möglich, dass sich einige der jungen Sterne aus
Doppelsternsystemen formten, die zuvor aus der Umgebung des "inneren Parsec" zum
supermassereichen Schwarzen Loch migriert sind. "Bisher war es ein Rätsel, wie
sich so junge Sterne so nahe an Sgr A* bilden konnten, das im Prinzip jeden
Gravitationskollaps verhindern sollte, der für die Sternentstehung notwendig
ist. Die Entdeckung dieses Doppelsternsystems wird unser Wissen in dieser
Richtung erheblich erweitern", so Dr. Michael Zajaček von der
Masaryk-Universität im tschechischen Brünn. "Bei dieser Arbeit kamen
verschiedene Generationen von Instrumenten des Very Large Telescope zum
Einsatz", unterstreicht Dr. Emma Bordier von der Universität zu Köln. "Die neuen
Erkenntnisse zeigen eindrücklich, wie die Kombination von Archivdaten und
neueren Beobachtungen sich gegenseitig ergänzen können, um innovative Studien zu
ermöglichen und zu spannenden Entdeckungen zu führen."
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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