Neues über die Entstehung Brauner Zwerge
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München astronews.com
5. April 2022
Braune Zwerge sind Objekte, die massereicher sind als
Planeten, aber noch nicht massereiche genug, um in ihrem Inneren dauerhaft
nukleare Fusionsprozesse zu starten. Doch entstehen Braune Zwerge wie Sterne
oder ähnelt ihr Entstehungsprozess eher dem von Planeten? Beobachtungen mit dem
Radioteleskopverbund ALMA lieferten nun neue Hinweise.
Künstlerische Darstellung eines Braunen
Zwergs.
Bild:
NASA, ESA, J. Olmsted (STScI) [Großansicht] |
Die Geburt von Sternen ist, besonders in der Frühphase, ein chaotischer und
dynamischer Prozess, der durch komplexe Gasstrukturen in Form von Spiralen und
Ausläufern geprägt ist. Solche Strukturen werden als "Fütterungsfäden" (feeding
filaments) bezeichnet, die das gasförmige Material aus der Umgebung wie
kosmische Nabelschnüre in den heranwachsenden Stern einspeisen. Braune Zwerge
sind Himmelskörper deren Masse weniger als ein Zehntel der Masse der Sonne
beträgt. Sie sind damit zu klein, um Kernfusion zu betreiben und wie Sterne zu
leuchten.
Bisher war der Wissenschaft unbekannt, ob auch sie auf ähnliche Weise
entstehen wie sonnenähnliche Sterne. Um das zu überprüfen, muss man es mit sehr
empfindlichen und hochauflösenden Bildgebungsverfahren schaffen, Braune Zwerge
während ihrer frühesten Entstehungsphase zu beobachten. Einem internationalen
Team um Physikerin Dr. Basmah Riaz von der Universitäts-Sternwarte München ist
das nun gelungen: Die Forschenden haben den extrem jungen Braunen Zwerg Ser-emb
16 mithilfe des hochentwickelten Radioteleskopsverbunds ALMA in Chile vor die
"Linse" bekommen.
"Unsere Beobachtungen haben spektakuläre großräumige Spiral- und
Ausläuferstrukturen aufgedeckt, die noch nie zuvor bei einem neugeborenen
Braunen Zwerg gesehen wurden", sagt Riaz. Die Fäden erstrecken sich über ein
riesiges Gebiet von ungefähr 2000 bis 3000 Astronomischen Einheiten und sind mit
Ser-emb 16 verbunden. In dessen Umgebung sind auch Klumpen von
Materieansammlungen zu sehen, die sich möglicherweise ebenfalls zu jungen
Braunen Zwergen weiterentwickeln könnten. "Diese Beobachtungen zeigen zum ersten
Mal den Einfluss der äußeren Umgebung, der zu einer asymmetrischen Ansammlung
von Masse durch Fütterungsfäden auf einen entstehenden Braunen Zwerg führt",
meint die Astronomin.
Die spiralförmigen Strukturen und Ausläufer liefern wichtige Hinweise darauf,
wie Braune Zwerge geboren werden. Die Forschenden simulierten mögliche Szenarien
und verglichen sie mit den Daten aus dem ALMA-Observatorium. Die großen Gebilde
könnten zum Beispiel durch Kollisionen kollabierender Materie-Klumpen innerhalb
einer Sternentstehungsregion zustande kommen. Derartige Zusammenstöße müssten
dafür mindestens einmal im Laufe der Entwicklung von Sternbildungskernen
stattfinden. "Wir haben durch neuartige numerische Simulationen gezeigt, dass
Kollisionen den Kollaps selbst bei kleinen Klumpen auslösen, wodurch Braune
Zwerge entstehen. Dabei bilden sich Spiralen und Ausläufer verschiedener Größen
und Formen, weil die Kollisionen in der Regel seitlich und nicht frontal
stattfinden", sagt Dr. Dimitris Stamatellos von der University of Central
Lancashire in England.
Stimmt dieses Modell, so deute dies auf einen dynamischen Entstehungsprozess
von Braunen Zwergen hin, ähnlich wie bei sonnenähnlichen Sternen, bei denen
chaotische Wechselwirkungen mit der Umgebung schon in frühen Stadien häufig
auftreten. In einem anderen Szenario zeigten die Simulationen, dass die
beobachteten Strukturen der großen (Pseudo)-Scheibe um einen sehr jungen Braunen
Zwerg entsprechen, und dass diese durch die Rotation des Kerns in Gegenwart
eines starken Magnetfelds verdreht wurde. Wenn dieses Modell korrekt ist,
bedeutet das, dass das Magnetfeld eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess des
Braunen Zwerges spielt.
Ein Vergleich der Beobachtungen mit den Modellen stützt das
Gravitationseinbruchsszenario. Es erklärt die asymmetrische Massenakkretion in
Form von Spiralen und Ausläufern, wie sie auch um neue Sterne herum zu sehen
sind. "Bei Ser-emb 16 handelt es sich also um den besonderen Fall eines Braunen
Zwerges, der sich in einem sternähnlichen Entstehungsprozess befindet", erklärt
Professor Masahiro Machida von der Kyushu University in Japan. Riaz
ergänzt: "Unsere ALMA-Daten liefern einen einzigartigen Einblick in die frühen
Entstehungsstadien von Braunen Zwergen und die Rolle der Gasansammlungen in der
äußeren Umgebung."
Über ihre Ergebnisse berichtete das Team kürzlich in der Fachzeitschrift
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society.
|