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BLAZARE
Wie sich Paare Schwarzer Löcher in Galaxienzentren verraten
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie
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5. September 2023

In einer neuen Studie konnte nun nachgewiesen werden, dass die beobachtete Variabilität von Blazaren auf die Präzession der Jet-Quelle zurückzuführen ist und vermutlich durch ein zweites massereiches Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie verursacht wird. Somit könnten entsprechende Beobachtungen auch Paare supermassereicher Schwarzer Löcher enttarnen helfen.

Jet

Präzessionsbewegung eines magnetisierten Jets im Radiobereich, hervorgerufen durch ein supermassereiches binäres Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie. Bild: Michal Zajaček / UTFA MUNI [Großansicht]

Mit dem Begriff "Blazar" bezeichnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eines der dramatischsten Beispiele im Zoo von aktiven galaktischen Kernen (AGN), also akkretierenden supermassereichen Schwarzen Löchern in den Zentren von Galaxien. Blazare heißen die Schwarzen Löcher, deren Jet direkt auf die Erde gerichtet ist. Die Ergebnisse der jahrzehntelangen Untersuchungen von Blazaren wurden stets so interpretiert, dass die häufige und deutliche Aufhellung dieser Quellen, die sogenannte Flare-Aktivität, mit dem Ausstoß von Jet-Komponenten aus dem Kern in den Jet verbunden ist, was zu einer plötzlich verstärkten Emission führt.

Jets von Blazaren sind oft gekrümmt und nicht so linear ausgerichtet, wie man es erwarten könnte. Man nimmt an, dass gewundene Jetstrukturen mit dem Ausstoß von Komponenten aus dem Kern zusammenhängen. Es wurde vermutet, dass sowohl die gewundenen Jets als auch die Aufhellung der Zentralquelle einen zufälligen Ursprung haben - abhängig von der "Fütterung" des Schwarzen Lochs. Im Laufe der Jahre haben jedoch immer detailliertere Beobachtungsergebnisse Zweifel an diesem möglicherweise zu einfach angesetzten Zusammenhang aufkommen lassen.

Eine neue, jetzt vorgestellte Studie stellt die angenommene Beziehung zwischen Ausstoß und Aufflackern für die hellen und stark veränderlichen Blazare in Frage. "Wir präsentieren Beweise und diskutieren die Möglichkeit, dass die tatsächliche Ursache eine Präzession der Jet-Quelle ist, die entweder durch ein supermassereiches binäres Schwarzes Loch am Fußpunkt des Jets oder - weniger wahrscheinlich - durch eine gekrümmte Akkretionsscheibe um ein einzelnes Schwarzes Loch verursacht wird, die für die beobachtete Variabilität verantwortlich ist", sagt Silke Britzen vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.

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Wenn Jets aufgrund der Präzession herumwirbeln, führt diese Bewegung aufgrund des Doppler-Effekts zu periodischen Änderungen der Intensität. Dieser Effekt wurde bei einer Reihe von Jets in aktiven Galaxienkernen über viele Jahre hinweg festgestellt. Für OJ 287 - den besten Kandidaten für ein binäres supermassereiches Schwarzes Loch - konnten Silke Britzen und ihr Team die Präzession als Ursache für die starken Helligkeitsschwankungen und die Jet-Biegung nachweisen (astronews.com berichtete). Erst kürzlich wurden Vorhersagen aus ihrer Veröffentlichung bestätigt. Das Team hat das gleiche Modell nun auch auf andere Blazare angewendet. Für eine Stichprobe von zwölf prominenten AGN zeigen ihre Ergebnisse, dass die Variabilität in der Helligkeit und in der Jet-Krümmung tatsächlich durch den Einfluss der Präzession erklärt werden kann.

Die Autorinnen und Autoren der Studie bezweifeln nicht, dass die zugrundeliegende und schwer zu erforschende Jet-Physik auch durch interne Wechselwirkungen im Jet verursacht werden kann, die durch das sogenannte Schock-in-Jet-Modell, durch Instabilitäten im Jet-Strahl oder durch energetische magnetische Rekonnexionen erklärt werden können. Allerdings wird das Aussehen der Jets durch die Präzession stark moduliert und verändert. Jets würden nicht so gekrümmt und so hell erscheinen, wäre die Präzession nicht am Werk. Mit dem Wissen um die Auswirkungen der Präzession kann nun das Zusammenspiel eines kinematischen Systems erforscht werden, das im Wesentlichen vorhersagbar ist, da es geometrisch verstanden und modelliert werden kann.

"Die Blazar-Variabilität in vielen Galaxien dürfte überwiegend nicht stochastischer, sondern eher deterministischer Natur sein", ergänzt Britzen. "Es ist faszinierend, das Innenleben der Maschinerie aktiver Galaxienkerne mithilfe von Variabilitätsstudien zu entschlüsseln." Eine der wichtigsten Folgerungen aus dieser Studie ist, dass die Krümmung des Jets wahrscheinlich ein Hinweis auf die Existenz von binären Schwarzen Löchern im Zentrum dieser Galaxien ist. So wird der Jet durch den Gravitationseinfluss eines zweiten Schwarzen Lochs auf das den Jet erzeugende Schwarze Loch zu einer mäandernden Bewegung gezwungen.

Es gelang dem Team auch, Spuren einer Nutationsbewegung kleinerer Amplitude in den Radio-Lichtkurven sowie in der Kinematik der Jet-Komponenten nachzuweisen – das ist ein Effekt zweiter Ordnung und ein weiterer Beweis für die Präzession. "Die Physik von Akkretionsscheiben und Jets ist ziemlich komplex, aber ihre Hauptkinematik kann mit einfachen Kreiseln verglichen werden - wenn man ein externes Drehmoment auf eine Akkretionsscheibe ausübt, zum Beispiel durch ein umlaufendes sekundäres Schwarzes Loch, wird sie eine Präzessions- und ebenso eine Nutationsbewegung ausführen, und mit ihr auch der Jet. Das ist ähnlich wie bei der Rotationsachse der Erde, die von Mond und Sonne beeinflusst wird", fügt Michal Zajaček von der Masaryk-Universität in Brünn, Tschechische Republik, hinzu.

Radiobeobachtungen erreichen die höchste Auflösung bei astronomischen Beobachtungen, indem Radioteleskope über sehr große Entfernungen mit der Very Long Baseline Radio Interferometry verbunden werden. Dies ist die gleiche Technik, die es dem Event-Horizon-Teleskop ermöglichte, zum ersten Mal den Schatten eines Schwarzen Lochs abzubilden und das 6,5 Milliarden Sonnenmassen umfassende Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M 87 zu beobachten. Die Suche nach engen Paaren supermassereicher Schwarzer Löcher läuft seit Jahrzehnten und gleicht der Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. "Noch fehlt uns die ausreichende Auflösung, um die Existenz von supermassereichen binären Schwarzen Löchern direkt nachzuweisen. Aber die Präzession ihrer Jets scheint die beste Signatur solcher Objekte zu sein, deren Existenz nicht nur von Forschergruppen im Bereich Schwarze Löcher und AGNs erwartet wird, sondern auch im Bereich der Gravitationswellen, wo erst vor kurzem Beweise für die Existenz eines kosmischen Gravitationshintergrunds veröffentlicht wurden, der auf die Gravitationswellen zurückzuführen ist, die bei der Verschmelzungen massereicher Schwarzer Löcher im Laufe der kosmischen Geschichte ausgesandt werden", so Britzen.

Über ihre Ergebnisse berichtete das Team in der Zeitschrift Astrophysical Journal.

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siehe auch
Aktive Galaxienkerne: Der Rosettastein der Blazare - 25. Juni 2018
Links im WWW
Britzen, S. et al. (2023): Precession-induced Variability in AGN Jets and OJ 287, ApJ, 951, 106
Max-Planck-Institut für Radioastronomie
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