Blick in die Entstehungsregion eines gewaltigen Jets
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
27. April 2023
Durch die Zusammenschaltung der Radioteleskope des
Global Millimetre VLBI Array mit dem Atacama Large
Millimeter/Submillimeter Array und dem Greenland Telescope ist ein
faszinierender Blick in den Zentralbereich der aktiven Galaxie Messier 87
gelungen: Erstmals war eine Verbindung zwischen dem starken Jet und der
Akkretionsscheibe um das zentrale Schwarze Loch zu erkennen.
GMVA+ALMA-Bild der zentralen Region des
Schwarzen Lochs in Messier 87, aufgenommen am 14. und 15.
April 2018 bei 3,5 mm Wellenlänge. Das große Bild zeigt den
Jet und den zentralen Ring, wie er mit der Standardmethode
rekonstruiert wurde. Der Inset zeigt eine Vergrößerung der
inneren Region, die mit einem hochauflösenden Verfahren
gewonnen wurde und die Ringform mit einem Durchmesser von 64
Mikrobogensekunden, was 8,4 Schwarzschild-Radien entspricht. Bild:
R. Lu et al, Nature 2023 [Großansicht] |
Ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter
Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn hat mit
neuen Beobachtungen im Millimeter-Wellenlängenbereich zum ersten Mal die
Verbindung zwischen der ringförmigen Struktur, die den Materieeinfall in das
zentrale Schwarze Loch offenbart, und dem starken relativistischen Jet in der
bekannten Radiogalaxie Messier 87 nachweisen können.
Die neue Radiokarte zeigt den Materiestrudel um das zentrale Schwarze Loch
und den Ursprung des Jets bei einer Wellenlänge von 3,5 mm. Die neuen
Beobachtungen wurden mit dem Global Millimetre VLBI Array durchgeführt,
das durch das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array in Chile und
das Grönland-Teleskop ergänzt wird. Mit der Beteiligung dieser beiden
Observatorien konnten die Abbildungsmöglichkeiten des Global Millimetre VLBI
Array erheblich verbessert werden.
Ru-Sen Lu vom Shanghai Astronomical Observatory, der Leiter einer
Max-Planck-Forschungsgruppe an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, ist
begeistert und erstaunt zugleich: "Bisher haben wir das supermassereiche
Schwarze Loch und den weit entfernten Jet nur in getrennten Bildern gesehen,
aber jetzt haben wir ein Panoramabild des Schwarzen Lochs zusammen mit seinem
Jet bei einer neuen Wellenlänge aufgenommen."
Man geht davon aus, dass Materie aus der Umgebung in das Schwarze Loch
hineinfällt, was als Akkretion bezeichnet wird. Aber noch nie hat jemand ein
direktes Bild davon gemacht. "Der große und dicke Ring, den wir nun sehen,
erklärt sich durch das Gas, das in das Schwarze Loch fällt. Die beobachtete
Strahlung erlaubt es, die physikalischen Prozesse in der unmittelbaren Umgebung
des Schwarzen Lochs und das Wechselspiel zwischen Akkretion und Jeterzeugung
besser zu verstehen", so der Wissenschaftler.
"Die Beteiligung von ALMA an den GMVA-Beobachtungen hat die Empfindlichkeit
für die Kartierung der schwachen und komplexen Radioemission im Zentrum von M 87
deutlich erhöht. Dadurch hat sich die effektive Winkelauflösung verbessert, und
wir konnten zum ersten Mal die ringförmige Struktur im Herzen von M87 bei einer
Wellenlänge von 3,5 Millimetern abbilden", sagt Andrei Lobanov vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, ein Mitglied des Forscherteams. Der vom
GMVA gemessene Durchmesser des Rings beträgt 64 Mikrobogensekunden, was der
Größe eines kleinen Selfie-Lichtrings (13,5 cm) entspricht, wie ihn ein
Astronaut auf dem Mond sehen würde, wenn er zur Erde zurückblickt.
Wie aufgrund der Emissionseigenschaften des relativistischen Plasmas in
dieser Region zu erwarten war, ist der Außendurchmesser dieser ringförmigen
Struktur etwa 1,5-mal größer als der bei früheren Beobachtungen bei 1,3 mm mit
dem Event-Horizon-Teleskop gemessene Durchmesser. "Mit den stark verbesserten
Abbildungsmöglichkeiten des GMVA gewinnen wir neue Einblicke in die
physikalischen Prozesse der Jeterzeugung. Wir sehen wieder die drei
Jetfilamente, die wir schon aus früheren Beobachtungen kannten", sagt Thomas
Krichbaum vom MPIfR. "Aber jetzt erkennen wir, wie der Jet aus dem Emissionsring
um das Schwarze Loch austritt, und wir können den Ringdurchmesser bei einer
anderen Wellenlänge messen."
"Das spektakuläre Bild des Jets und des Rings in M87 ist ein wichtiger
Meilenstein und krönt die jahrelangen gemeinsamen Bemühungen unserer
europäischen Kollegen, unter anderem von ESO, IRAM, Metsähovi, Yebes und Onsala,
das GMVA-Array mit dem phasengesteuerten ALMA für gemeinsame Beobachtungen
einzurichten, um die feinsten Details bei der Untersuchung von Radiogalaxien und
Quasaren zu enthüllen", kommentiert Eduardo Ros, Wissenschaftler am MPIfR,
europäischer GMVA-Scheduler und Mitglied des Forscherteams.
Jae-Young Kim von der Kyungpook National University in Daegu
(Südkorea), der auch mit dem MPIfR affiliert ist, blickt auf die technologische
Weiterführung: "Die nächsten Schritte bei der hochauflösenden Kartierung von M
87 werden die Messungen der Radiofarbe des Jets und des Schattens des Schwarzen
Lochs beinhalten, und Polarisationsmessungen, aus der die Struktur und Stärke
des Magnetfeldes abgeleitet werden kann." Diese Schritte werden zu einer
weiteren Verbesserung der Empfindlichkeit des GMVA-Netzes führen, indem neue
Radioempfänger benutzt werden, die eine Mehrfrequenz-Phasenreferenzierung
ermöglichen, wie sie beispielsweise das koreanische VLBI-Netz verwendet.
"Diese neuen Ergebnisse sind so wichtig, weil sie uns zum ersten Mal einen
direkten Blick in die Region ermöglichen, die die zentrale Akkretionsscheibe um
das Schwarze Loch und den Jet in M87 verbindet", so J. Anton Zensus, Direktor am
MPIfR. "Der jahrelange und kontinuierliche Ausbau und die Weiterentwicklung der
VLBI-Technik haben sich definitiv gelohnt."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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