Marsmission sollte maximal vier Jahre dauern
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Potsdam - Deutsches
GeoForschungsZentrum GFZ astronews.com
2. September 2021
Welcher Strahlenbelastung wären Raumfahrende bei einer
Mission zum Mars ausgesetzt? Diese Frage versuchte nun ein Forschungsteam
mithilfe umfangreicher Simulationen zu beantworten. Danach sollte eine
Marsmission auch bei optimalem Strahlenschutz nicht länger als vier Jahre dauern
und zudem während des solaren Aktivitätsmaximums gestartet werden.

Während einer Mission zum Mars wären
Astronautinnen und Astronauten einer erheblichen
Strahlenbelastung ausgesetzt.
Bild: NASA / JPL-Caltech [Großansicht] |
Eine Reise zum Mars dauert nach aktuellem Stand rund neun Monate in eine
Richtung. Während Menschen auf der Erde und in erdnahen Umlaufbahnen durch die
Erde selbst und ihr Magnetfeld vor Weltraumstrahlung geschützt sind, stellt
letztere für Reisen in den tieferen Weltraum, etwa zum Mars, ein erhebliches
Risiko dar. Dabei sind die Besatzungsmitglieder zwei Arten gefährlicher
Strahlung ausgesetzt: Energiereiche Teilchen solaren Ursprungs, bei denen es
sich hauptsächlich um positiv geladene Protonen handelt, und die galaktische
kosmische Strahlung. Sie besteht ebenfalls überwiegend aus Protonen (84 %),
sowie aus positiv geladenen Alpha-Teilchen (zwei Protonen + zwei Neutronen, 14
%) und negativ geladenen Elektronen (2 %).
Ein Schutz vor diesen Teilchen ist technisch sehr schwierig und aufwändig,
weil sie mit sehr hohen Energien durch den Weltraum fliegen und daher tief in
Materialien ein- bzw. sie auch durchdringen können. Im Material kann es zudem zu
Streuprozessen kommen, bei denen neue, sogenannte Sekundär-Teilchen erzeugt
werden. Diese hoch-energetische Teilchenmix kann sowohl in der menschlichen Haut
als auch in inneren Organen Zellen schädigen.
Um abzuschätzen, wie stark die Astronautinnen und Astronauten durch die
Weltraumstrahlung belastet werden, und um so die optimalen Bedingungen für eine
Mission zum Mars zu finden, haben die Forschenden verschiedene
Strahlungssituationen und Schutzoptionen simuliert. Zum Team gehörten neben Yuri
Shprits vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) und der Universität Potsdam und
seinem ehemaligen Doktoranden Mikhail Dobynde vom Skolkovo Institute of
Science and Technology Moskau auch Forschende vom MIT und der
University of California in Los Angeles.
Zunächst ermittelten sie die Strahlungsumgebung für das Raumschiff, also Art
und Energie der Partikel, denen es während seiner Mission ausgesetzt ist.
Hierbei stützten sie sich auf Messungen der solaren Teilchen aus den Jahren 1998
bis 2012. Für die galaktische Strahlung nutzten sie ein empirisches Modell, in
dem auch die Effekte des Sonnenzyklus berücksichtigt wurden.
Die Intensität der beiden Strahlungsarten variiert während des elfjährigen
Sonnenzyklus. Bei diesem Prozess polt sich das solare Magnetfeld um:
magnetischer Nord- und Südpol tauschen die Plätze. Dementsprechend haben auch
verschiedene Sonnenaktivitäten diesen elfjährigen Rhythmus. Beispielsweise kommt
es zu Sonneneruptionen, bei denen in einem explosiven Ereignis intensive
Strahlungsstöße frei werden, die sich in das Sonnensystem ausbreiten. Allerdings
entstehen auf diese Weise nur sporadisch die gefährlichen energiereichen solaren
Teilchen. Eine genaue Vorhersage über Zeitpunkt, Stärke und Richtung der
Strahlung ist eine große Herausforderung.
Klar ist jedoch, dass die Wahrscheinlichkeit und die Intensität der solaren
Strahlung auf dem Höhepunkt der Sonnenaktivität am größten ist. Im Gegensatz
dazu ist die galaktische kosmische Strahlung von gleichmäßigerer Natur. Obwohl
die Teilchenflüsse nicht so hoch sind, können sich bei langen Reisezeiten im All
die Strahlungsdosen gefährlich aufsummieren. Auch die kosmische Strahlung wird
durch die Sonnenaktivität beeinflusst: Sie wird von ihr abgeschirmt und ist
daher im Maximum der Sonnenaktivität am schwächsten.
Um den Einfluss der Strahlung auf Raumschiff und Mensch zu untersuchen, wurde
ersteres durch eine Kugel mit einem Innendurchmesser von zwei Metern modelliert.
Als Material für die Hülle wählten die Forschenden das gängige Aluminium, die
Dicke dieses Schutzmantels wurde variiert. Eine Wasserkugel von 35 Zentimetern
Durchmesser diente als Modell für den menschlichen Körper. Auf dieser Basis
haben die Forschenden schlussendlich die Strahlendosis berechnet, die sich im
Laufe einer Reise zum Mars unter verschiedenen Bedingungen im Körper
akkumuliert. Dabei analysierten sie auch verschiedene Eindringtiefen in den
Körper, um die Empfindlichkeit von Haut, blutbildenden und anderen Organen zu
differenzieren.
"Bislang gehen die meisten Weltraumorganisationen davon aus, dass die gesamte
Strahlungsbelastung für Astronautinnen und Astronauten im Laufe ihres Lebens den
Wert von einem Sievert nicht überschreiten sollte", sagt Shprits. Die neuen
Berechnungen zeigen, dass dieser Wert eingehalten werden kann, wenn das
Raumschiff eine optimal dimensionierte Hülle hat, wenn der Flug während des
Sonnenmaximums startet, und wenn die gesamte Reisezeit 3,8 Jahre nicht
überschreitet. Für den Aluminium-Schutzschild erweist sich eine Materialstärke
von 30 Gramm pro Quadratzentimeter als optimal.
Bemerkenswert ist, dass das Prinzip "mehr hilft mehr" den Untersuchungen nach
hier nicht angewendet werden kann: Wird das Material dicker, so kommt es in ihm
vermehrt zu Streuprozessen, bei denen Sekundär-Teilchen entstehen, die die
Strahlenbelastung im Inneren wieder erhöhen können. Auch bei dünnerem Material
wäre die kritische Strahlendosis bereits bei kürzeren Flugzeiten erreicht.
Sollte es neue Erkenntnisse zur biologischen Wirksamkeit von Strahlung und
neue Materialentwicklungen geben, lassen sich die vorliegenden Modelle anpassen.
"Wir haben uns hier zunächst auf Aluminium als das zurzeit gängige Material für
den Strahlenschutzschild konzentriert. Seit Längerem werden auch Komposit-Werkstoffe
wie Kohlefaser-Verbundwerkstoffe diskutiert, die mit leichten Elementen wie
Wasserstoff gespickt sind. An diesen Materialien würden wir weniger
Streuprozesse beobachten und daher weniger sekundär-induzierte Teilchen",
prognostiziert Shprits. Insgesamt dürfte das aber nur zu einer Verbesserung der
Schutzwirkung um rund 20 Prozent führen, schätzt der Weltraumphysiker. Damit
wäre dann eine Verlängerung der Reisezeit um ein Jahr möglich.
Zu beachten ist den Forschenden zufolge, dass die Auswirkungen der
verschiedenen Strahlungsarten auf den menschlichen Körper noch nicht umfassend
verstanden sind. Daher könnten sich künftig die Empfehlungen für die maximale
Dosis und in Konsequenz dann auch zur maximalen Aufenthaltsdauer im All noch
ändern. Vorsicht sei auch geboten hinsichtlich der Variation des Sonnenzyklus.
Dessen Auswirkungen sind nicht immer gleich, was bei Planungen für künftige
Missionen berücksichtigt werden müsse.
Über ihre Studie berichtet das Team in der Zeitschrift Space Weather.
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Mission Mars, die astronews.com-Berichterstattung über die
Erforschung des Roten Planeten |
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