Elektronen auf der Plasmawelle
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Physik astronews.com
30. August 2018
Physikern könnte sich bald eine neue Tür zu den Geheimnissen
des Universums öffnen: Einem Team ist - früher als erwartet - ein Durchbruch auf
dem Weg zu einer neuen Art von Teilchenbeschleunigern gelungen. Das Experiment,
bei dem Elektronen auf einer Plasmawelle surfen, beschleunigt Teilchen mit
wesentlich geringerem Aufwand als etwa der Large Hadron Collider am
Genfer CERN.
Das Elektronenstrahlrohr von AWAKE.
Foto: CERN [Großansicht] |
So leistungsstark die aktuellen Teilchenbeschleuniger, wie etwa der Large
Hadron Collider (LHC) am CERN in Genf, auch sind: Schon jetzt ist
abzusehen, dass deutlich höhere Energien gebraucht werden, um offene Fragen in
der Teilchenphysik zu beantworten: Gibt es Supersymmetrie, was ist die Dunkle
Materie, welche Kraft steckt hinter der Dunklen Energie? Allerdings lassen sich
die bisher verwendeten Technologien nur mit hohem Aufwand verbessern und
ausbauen. Daher stellt sich die Frage nach alternativen, kostengünstigeren
Beschleunigerkonzepten. Mit AWAKE entwickeln Wissenschaftler derzeit eine
vielversprechende Technologie für Linearbeschleuniger, die Elektronen als
Kollisionsmaterial nutzen.
"Unser Team verfolgt das Ziel, Elektronen mit Hilfe eines Plasmas auf
einer relativ kurzen Distanz zu beschleunigen", sagt Allen Caldwell, Direktor am
Max-Planck-Institut für Physik (MPP) und Sprecher von AWAKE. "Wir gehen davon
aus, dass wir in einem künftigen Plasmabeschleuniger nur etwa einen Meter
brauchen, um Elektronen auf einen Gigaelektronenvolt (GeV) zu bringen." Zum
Vergleich: herkömmliche Linearbeschleuniger benötigen dafür 50 Meter.
Nach vierjähriger Entwicklungszeit vermelden die Wissenschaftler nun den
Durchbruch: Am 25. Mai 2018 beobachteten sie erstmals, wie sich mit AWAKE
Elektronen beschleunigen ließen. Die Elektronen erreichten dabei eine Energie
von zwei GeV. "Mit einem solchen Erfolg hatten wir erst gegen Ende des Jahres
gerechnet", freut sich Caldwell. "Mit der jetzt erzielten Energie haben sich
unsere Erwartungen voll erfüllt. In dieser frühen Projektphase ging es zunächst
darum zu überprüfen, inwieweit sich das Prinzip der Plasmabeschleunigung
umsetzen lässt."
AWAKE nutzt ein Plasma, eine gasförmige Mischung aus positiv geladenen Atomen
und negativen Elektronen, das sich in einer etwa zehn Meter langen Kammer
befindet, der Plasmazelle. In diese wird ein Protonenstrahl eingespritzt. Auf
ihrem Weg durchs Plasma ziehen die positiv geladenen Protonen die negativen
Elektronen aus dem Plasma mit und produzieren eine Art Kielwelle. Speisen die
Wissenschaftler zusätzliche Elektronen ein, reiten diese auf der Welle und
werden beschleunigt.
Die Idee der Kielfeld-Beschleunigung (englisch: Plasma Wakefield Accelaration)
ist allerdings nicht ganz neu; schon in den 1970er Jahren war sie als
innovativer Ansatz im Gespräch. Die ersten Versuche verwendeten allerdings keine
Protonen als Wellengenerator. Zunächst erzeugte man die Plasmawellen mit
Elektronen oder einem Laser. "Die erzeugten Wellen waren allerdings zu schwach
für einen effektiven Teilchentransport über eine längere Distanz", erklärt
Patric Muggli, AWAKE-Projektleiter am MPP. AWAKE verwendet als erstes Experiment
Protonen: Sie sind schwerer, können das Plasma tiefer durchdringen und damit
andere Teilchen auf einer längeren Strecke mittragen. "Das Ergebnis ist eine
höhere Energie der mitsurfenden Teilchen", so Muggli.
Die Verwendung eines Protonenstrahls ist auch der Grund, warum sich AWAKE am
CERN befindet. Denn so können die Wissenschaftler energiereiche Protonen aus dem
SPS-Ring, einem der LHC-Vorbeschleuniger verwenden. Bis zum Ende des Jahres
führen die Wissenschaftler Versuche mit dem bestehenden Aufbau durch. Danach
folgt ein zweijähriger Shut-down des LHC und der anderen Beschleuniger am CERN.
Diese Zeit nutzen die Wissenschaftler, um die Plasmazelle weiterzuentwickeln.
Dabei hat das AWAKE-Team ein klares Ziel vor Augen. "Schon 2024 wollen wir
zeigen, wie AWAKE für wissenschaftliche Projekte eingesetzt werden kann", sagt
Caldwell. "Zum Beispiel um die Feinstruktur von Protonen zu verstehen oder nach
neuen, Teilchen wie den 'dunklen Photonen' zu suchen, die als Kandidat für
Dunkle Materie infrage kommen.
Das Advanced Wakefield Experiment (AWAKE) ist das erste Experiment,
das ein von Protonen getriebenes Plasmafeld nutzt, um Energien zu beschleunigen.
AWAKE ist ein internationales Forschungsprojekt, an dem sich 18
Forschungseinrichtungen aus acht Ländern beteiligen. In Deutschland sind diese
neben dem Max-Planck-Institut für Physik das DESY in Hamburg, die
Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, die Ludwig-Maximilians-Universität in
München, das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald sowie die
Philipps-Universität in Marburg.
Über ihre Erfolge berichtet das AWAKE-Teamjetzt in der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
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