Erklärung für die Dominanz der Materie?
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Bern astronews.com
8. August 2017
Neutrinos und Antineutrinos – auch Geisterteilchen genannt,
weil sie schwierig nachzuweisen sind – können sich ineinander umwandeln. Ein
internationales Forschungsteam fand nun erste Hinweise darauf, dass die Dominanz
der Materie über Antimaterie im Universum durch das unterschiedliche
Umwandlungs-Verhalten der Neutrinos und Antineutrinos erklärt werden könnte.
Eine durch das T2K-Experiment beobachtete
Elektron-Neutrino-Wechselwirkung.
Bild: zvg Albert Einstein Center for
Fundamental Physics (AEC), Laboratorium für
Hochenergiephysik, Universität Bern [Großansicht] |
Das Universum besteht in erster Linie aus Materie, und der offensichtliche
Mangel an Antimaterie ist eine der faszinierendsten Fragen der Wissenschaft. Die
T2K-Kollaboration, an der auch die Universität Bern beteiligt ist, hat kürzlich
bei einem Vortrag am KEK Forschungszentrum im japanischen Tsukuba verkündet,
dass erste Hinweise gefunden wurden, dass mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit die
Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie (die sogenannte "CP-Symmetrie") für
Neutrinos verletzt ist.
Neutrinos sind Elementarteilchen, die fast ohne Wechselwirkung durch die
Materie reisen. Sie existieren als drei verschiedene Typen: als Elektron-, Myon-
und Tau-Neutrinos und als deren jeweilige Antiteilchen (den Antineutrinos). Im
Jahr 2013 entdeckte T2K eine neue Art von Transformation unter Neutrinos
(Neutrino-Oszillation), bei welcher Myon-Neutrinos in Elektron-Neutrinos
umgewandelt werden, während sie sich in Raum und Zeit bewegen.
Die nun präsentierte T2K-Studie lehnt mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit die
Hypothese ab, dass die Umwandlung der Anti-Neutrinos (von Myon-Antineutrinos zu
Elektron-Antineutrinos) gleich häufig stattfindet. Dies ist der erste Hinweis,
dass die Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie in der
Neutrino-Oszillationen verletzt ist, und deswegen die Neutrinos auch bei der
Asymmetrie Materie und Antimaterie im Universum eine Rolle spielen.
"Diese Ergebnisse gehören zu den wichtigsten Erkenntnissen in der
Neutrino-Physik in den letzten Jahren. Und sie eröffnen durch den Nachweis
dieser winzigen, aber messbaren Wirkung, den Weg zu weiteren spannenden
Messungen in den nächsten Jahren", so Prof. Antonio Ereditato, Direktor des
Laboratoriums für Hochenergiephysik der Universität Bern und Leiter der Berner
T2K-Gruppe. "Die Natur scheint anzuzeigen, dass Neutrinos für die beobachtete
Vorherrschaft der Materie über Antimaterie im Universum verantwortlich sein
können. Was wir gemessen haben, rechtfertigt unsere derzeitigen Bemühungen bei
der Vorbereitung des nächsten wissenschaftlichen Unternehmens, DUNE, dem
ultimativen Neutrino-Detektor in den USA, der eine endgültige Entdeckung
ermöglichen sollte."
Für das T2K-Experiment wird am Proton Accelerator Research Complex
(J-PARC) in Tokai an der Ostküste Japans ein Myon-Neutrino-Strahl produziert,
dessen Partikel in 295 Kilometern Entfernung vom gigantischen Super-Kamiokande-Untergrund-Detektor
gemessen werden. T2K steht für "Tokai to Kamiokande". Der Neutrino-Strahl muss
unmittelbar nach der Produktion vollständig charakterisiert werden, also bevor
Neutrinos sich umzuwandeln beginnen. Zu diesem Zweck wurde der ND280-Detektor in
der Nähe des Neutrino-Ursprungsorts gebaut und installiert.
Forscher der Universität Bern haben zusammen mit Kollegen aus Genf, der ETH
Zürich und anderen internationalen Instituten zum Design, zur Realisierung und
zum Betrieb von ND280 beigetragen. Insbesondere kümmerte sich die Gruppe aus
Bern um den großen Magneten, der den Detektor umgibt, und sie hat den
sogenannten "Myon Monitor" gebaut. Mit jedem Neutrino entsteht auch ein Myon,
von welchen die Intensität und die Energie gemessen wird. Die Berner Gruppe ist
derzeit sehr aktiv bei der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit der Wechselwirkung
von Neutrinos mit dem ND280-Apparat: ein wichtiger Bestandteil der hochpräzisen
Messungen der Neutrino-Umwandlungen.
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