Antimaterie und Materie sind symmetrisch
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik astronews.com
28. Juli 2011
Hat Antimaterie, abgesehen von der gegensätzlichen Ladung,
tatsächlich die genau gleichen Eigenschaften wie ihr materielles Gegenstück?
Nach den aktuellen Theorien der Teilchenphysiker sollte das so sein. Mit großem
Aufwand bemühen sich Wissenschaftler auch um einen experimentellen Nachweis.
Dabei sind sie jetzt einen wichtigen Schritt vorangekommen.
Ein Antiproton
(schwarz), das in einem Heliumatom gefangen ist,
wird von zwei Laserstrahlen beleuchtet.
Bild: Max-Planck-Institut für
Quantenoptik |
Nach modernen kosmologischen Modellen wurden Materie und Antimaterie am Beginn
des Universums, beim Urknall, in gleichen Mengen erzeugt. Diverse theoretische
Konzepte versuchen zu erklären, warum das sichtbare Universum heute dennoch
ausschließlich aus Materie zu bestehen scheint. Gleichzeitig erzeugen
experimentelle Gruppen künstlich Antimaterie-Teilchen. Damit wollen sie
herausfinden, ob Antimaterie-Teilchen, wie in den Modellen der Teilchenphysik
vorhergesagt, tatsächlich exakt die gleichen Eigenschaften haben wie ihre
materiellen Gegenstücke, abgesehen von der entgegen gesetzten elektrischen
Ladung. Jetzt hat die Forschungsgruppe "Antimatter Spectroscopy" von Dr. Masaki
Hori, die mit der Abteilung Laserspektroskopie von Prof. Theodor W. Hänsch am
(MPQ) in Garching assoziiert ist, die theoretisch geforderte Symmetrie zwischen
Materie und Antimaterie untermauert. Die Forscher berichten darüber in der
aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature.
Indem die Wissenschaftler eine neue Methode der Laserspektroskopie auf
antiprotonisches Helium, ein zur Hälfte aus Antimaterie bestehendes Atom,
anwandten, gelang es ihnen, das Verhältnis von Antiproton- zu Elektronmasse mit
einer Genauigkeit von 1,3-mal 10-9 zu bestimmen. Ihr Ergebnis stimmt
exakt mit dem mit gleicher Genauigkeit bestimmten Verhältnis von Proton- zu
Elektronmasse überein. Das Experiment wurde am Europäischen Forschungszentrum
für Teilchenphysik CERN in Genf ausgeführt, unter Leitung von Wissenschaftlern
des MPQ und der Universität Tokio. Maßgeblich beteiligt waren außerdem die
Universität Brescia (Italien), das Stefan Meyer-Institut in Wien und das
ungarische KFKI Forschungsinstitut in Budapest.
Allen gegenwärtigen theoretischen Konzepten und experimentellen Beobachtungen
zufolge herrscht in der Natur eine fundamentale Symmetrie, die sogenannte
Charge-Parity-Time-(CPT)-Invarianz. Danach wäre eine "Antiwelt", in der alle
Materie im Universum durch Antimaterie ersetzt ist, rechts und links vertauscht
und überdies der Fluss der Zeit umkehrt wird, von unserer realen Welt nicht zu
unterscheiden. Atome aus Antimaterie müssten demnach präzise dasselbe wiegen wie
ihre materiellen Gegenstücke und auch mit exakt denselben Frequenzen schwingen.
Könnte experimentell jedoch ein noch so kleiner Unterschied zwischen Materie und
Antimaterie festgestellt werden, so würde das einen Bruch dieser fundamentalen
Symmetrie bedeuten.
Antimaterie ist nur sehr schwer im Labor zu untersuchen, da sie bereits beim
geringsten Kontakt mit gewöhnlicher Materie, und sei es auch nur einem einzelnen
Luftmolekül, zerstrahlt und sich dabei in Energie und neue Teilchen umwandelt.
1997 bauten Forscher des MPQ in Zusammenarbeit mit dem CERN sowie weiteren
europäischen, amerikanischen und japanischen Gruppen eine neue Anlage namens
"Antiprotonen Decelerator" (Abbremser). Hier werden die in Teilchenkollisionen
bei hohen Energien erzeugten Antiprotonen gesammelt, zirkulieren in einer
ringförmigen Vakuumkammer von 190 Meter Umfang und werden dort schrittweise
abgebremst, bevor sie den Experimenten zugeführt werden.
Die sogenannte ASACUSA-Gruppe (für "Atomic Spectroscopy and Collisions using
Slow Antiprotons"), zu der Hori gehört, schickt die Antiprotonen auf ein
Helium-Ziel, um damit antiprotonisches Helium zu erzeugen und zu untersuchen.
Gewöhnliches Helium besteht aus einen Atomkern, der von zwei Hüllenelektronen
umrundet wird. Bei antiprotonischem Helium wird das negativ geladene Elektron
durch das ebenfalls negativ geladene Antiproton ersetzt, das sich jetzt in einer
hoch angeregten Umlaufbahn in einer Entfernung von etwa 100 Pikometern (10-10
Metern) befindet.
Dieses Atom wird jetzt mit Laserlicht bestrahlt, dessen Frequenz genau so
eingestellt ist, dass das Antiproton von einer Bahn auf die nächste hüpft.
Vergleicht man diese Frequenz mit theoretischen Berechnungen, dann lässt sich
daraus die Masse des Antiprotons im Verhältnis zur Masse des Elektrons ableiten.
Die ständige thermische Bewegung der Antiprotonen ruft jedoch prinzipielle
Ungenauigkeiten hervor: Atome, die sich dabei auf den Laser zu bewegen, sehen
aufgrund der Dopplerverschiebung eine andere Frequenz als Atome, die sich davon
weg bewegen. Das ist der gleiche Effekt, der auch bei sich nähernden oder wieder
entfernenden Sirenen zu einer Änderung des Tons führt. Dadurch wurde die
Genauigkeit der 2006 von der ASACUSA-Gruppe ausgeführten Messungen begrenzt, bei
denen die Atome nur mit einem Laserstrahl angeregt wurden.
Mit der bei diesem Experiment verwendeten Methode der
"Zwei-Photon-Spektroskopie" wird dieser Effekt zumindest teilweise ausgetrickst,
was zu einer vier bis sechs Mal höheren Genauigkeit führt. Dabei werden die
Atome von zwei gegenläufigen Laserstrahlen unterschiedlicher Farbe beleuchtet.
Der erste Laser bringt das Antiproton nur auf eine Bahn, die einem virtuellen,
d.h. quantenmechanisch nicht erlaubten Energieniveau entspricht. Erst der zweite
Laser bringt das Antiproton auf die niedrigste erlaubte Bahn. Da das Antiproton
sehr schwer ist (rund 1800-mal so schwer wie das Elektron), ist es extrem
schwierig, diesen Zwei-Photonen-Übergang zu realisieren. Erst die äußert genaue
Einstellung der Laserfrequenzen, welche die MPQ-Physiker mit dem optischen
Frequenzkamm erzielten (für dessen Entwicklung Hänsch 2005 den Nobelpreis für
Physik erhielt), brachte den Durchbruch.
Die neuen Messungen ergaben, dass das Antiproton 1836,1526736-mal schwerer ist
als das Elektron. "Wir haben die Masse des Antiprotons im Verhältnis zur Masse
des Elektrons auf 10 Dezimalstellen genau bestimmt", erklärt Hori. "Dies
untermauert die Gültigkeit des CPT-Theorems. Darüber hinaus lernen wir, dass
Antiprotonen den gleichen nichtlinearen Regeln der Quantenoptik unterliegen wie
normale Teilchen, und wir sie ganz genauso mit Laserlicht beeinflussen können.
Die neue Zwei-Photon-Technik wird zu einer erheblichen Steigerung solcher
Messungen führen, so dass die Masse des Antiprotons vielleicht einmal genauer
bestimmt sein wird als die des Protons."
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