Die vierte Eigenschaft des Elektrons
Redaktion
/ Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich astronews.com
19. Juli 2010
Besitzen Elektronen außer Masse, Ladung und Spin auch ein elektrisches
Dipolmoment? Dies könnte erklären, warum nach dem Urknall mehr Materie als
Antimaterie entstanden ist und somit unser Universum überhaupt existiert.
Eine internationale Forschergruppe will das Dipolmoment nun messen. Helfen
soll dabei ein neues Material, das mit Unterstützung des Jülicher
Supercomputers JUROPA entwickelt wurde.
Jülicher Forscher versuchen in Kooperation mit
Kollegen aus den USA und Tschechien, ein
elektrisches Dipolmoment bei Elektronen
nachzuweisen. Seine Existenz ist eine
Voraussetzung für die Richtigkeit zahlreicher
physikalischer Theorien, etwa über die Entstehung
des Universums. Um die Genauigkeit bisheriger
Messungen zu verbessern, haben sie mit Hilfe des
Jülicher Supercomputers JUROPA ein neues
keramisches Material hergestellt. Bild:
Forschungszentrum Jülich |
Elektronen sind negativ geladene Elementarteilchen; sie bilden die
Hülle von Atomen und Ionen. So oder so ähnlich kann man es im Schulbuch
nachlesen. Doch in Kürze könnte eine Ergänzung nötig werden. Denn viele
Physiker glauben, dass Elektronen ein permanentes elektrisches
Dipolmoment tragen. Ein elektrisches Dipolmoment entsteht normalerweise
bei räumlicher Trennung von positiver und negativer Ladung. Analog zu
Nord- und Südpol bei einem Magneten gibt es dann zwei elektrische Pole.
Beim Elektron ist die Lage wesentlich komplizierter, weil Elektronen
eigentlich keine räumliche Ausdehnung haben sollten. Dennoch setzen eine
ganze Reihe physikalischer Theorien, die über das Standardmodell der
Elementarteilchenphysik hinaus gehen, auf die Existenz des Dipolmoments.
Diese Theorien wiederum würden erklären, warum das Universum überhaupt
in der uns bekannten Form entstehen konnte. Denn nach gängiger Theorie
hätte beim Urknall vor etwa 13,7 Milliarden Jahren genauso viel Materie
wie Antimaterie entstehen müssen. Und da beide sich auslöschen, wäre
nichts geblieben. Tatsächlich entstand aber offensichtlich mehr Materie
als Antimaterie. Ein elektrisches Dipolmoment von Elektronen könnte das
Ungleichgewicht erklären.
Doch noch ist es niemandem gelungen, das prophezeite winzige Dipolmoment
nachzuweisen. Bisherige Methoden sind schlicht nicht empfindlich genug.
Ein kleines Stückchen Keramik soll das bald ändern. Dr. Marjana Ležaić
und Dr. Konstantin Rushchanskii vom Institut für Festkörperphysik am
Forschungszentrum Jülich sowie Prof. Nicola Spaldin von der Universität
von Kalifornien in Santa Barbara haben diese Keramik, die ganz spezielle
Eigenschaften hat, mit dem Jülicher Supercomputer JUROPA in einem
virtuellen Labor entworfen. Mit dem neuen Europium-Barium-Titanat sollen
Messungen zehnmal empfindlicher werden als bisher.
"Das könnte schon ausreichen, um das elektrische Dipolmoment der
Elektronen zu finden", hoffen die Jülicher Physiker. Weil das
elektrische Moment nicht direkt messbar ist, arbeiten die Physiker mit
Wissenschaftlern der amerikanischen Universität Yale sowie tschechischen
Forschungseinrichtungen in Prag an einem indirekten Nachweis: Die
Forscher in Yale haben einen Versuchsaufbau entwickelt, um mit einem
extrem empfindlichen SQUID-Magnetometer die Magnetisierung des
Keramikstücks in einem elektrischen Feld zu messen. Ihr Ziel: eine
Änderung der Magnetisierung nachzuweisen, wenn das elektrische Feld
umgepolt wird.
Das wäre zugleich der gesuchte Beweis, dass das elektrische Dipolmoment
existiert. Denn ein elektrischer Dipol kann im Elektron stets nur
parallel oder antiparallel zum Elektronen-Spin orientiert sein. In einem
elektrischen Feld würden sich die meisten Elektronen so anordnen, dass
ihr Dipolmoment parallel dazu ist, nur wenige andersherum. Dadurch
entstünde eine messbare Magnetisierung. Wird das elektrische Feld
umgepolt, kehren sich Dipolmoment und gleichzeitig Magnetisierung jedes
einzelnen Elektrons um, die messbare Magnetisierung würde verändert.
Ohne elektrisches Dipolmoment dagegen bliebe die Magnetisierung
unverändert.
Teamkollegen aus Prag synthetisierten und charakterisierten das Material
bereits im Labor und bestätigten die in Jülich berechneten
Eigenschaften. Nur das gesuchte Dipolmoment des Elektrons bleibt bisher
noch verborgen. "Noch behindern Störeffekte die Messungen", bedauert
Ležaić. "Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, das Material weiter zu
verbessern." Die Forscher berichten über ihre Resultate in der aktuellen
Ausgabe der Fachzeitschrift Nature materials.
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