Quantentest für Einsteins Äquivalenzprinzip
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Wien astronews.com
7. Juni 2017
Einsteins Äquivalenzprinzip ist für das Verständnis der
Gravitation und der relativistischen Raumzeit von fundamentaler Bedeutung. Bis
jetzt war dieses Prinzip nur für Systeme getestet worden, deren Gesamtmasse sich
in einem klassischen Zustand befindet. Jetzt wurde es erstmals für Atome auf die
Probe gestellt, deren Gesamtmasse in einer Quantensuperposition überlagert war.
Die Forscher bestätigten die Gültigkeit des
Äquivalenzprinzips mit einer relativen
Genauigkeit von einigen Milliardstel.
Bild: Guglielmo M. Tino, Universität Florenz [Großansicht] |
In einem sagenumwobenen Versuch ließ der italienische Wissenschaftler Galileo
Galilei im 16. Jahrhundert angeblich Kugeln unterschiedlicher Masse vom Schiefen
Turm von Pisa fallen. Damit soll er gezeigt haben, dass unter dem Einfluss der
Gravitation verschiedene Körper mit derselben Beschleunigung fallen– sei es nun
eine Vogelfeder oder ein Felsblock. Die Weiterentwicklung der Kernidee des
Galileischen Versuchs durch Albert Einstein, Einsteins Äquivalenzprinzip, führte
zur Entstehung einer der Grundsäulen moderner Naturwissenschaft, der
Relativitätstheorie.
Nun hat ein internationales Team um Guglielmo Tino von der Universität
Florenz und dem INFN ein Experiment realisiert, das als Quantenanalog des
legendären Galileischen Tests betrachtet werden kann. Mit der Expertise von
theoretischen PhysikerInnen der Universität Wien, der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften und der Universität Queensland konnten Forscher der
Universitäten Florenz und Bologna und der europäischen Raumfahrtagentur ESA
Aspekte der Relativitätstheorie und der Quantenphysik kombinieren, und so ein
Schema zur Messung des Einsteinschen Äquivalenzprinzips für ein Quantensystem
entwickeln und im Experiment testen.
In der klassischen Physik beschreibt die berühmte relativistische Formel E=mc2,
wie die Gesamtmasse eines Systems von seiner Energie abhängt. Im Gegensatz zur
klassischen Theorie muss in der Quantentheorie ein System jedoch nicht immer
eine bestimmte Energie haben. Es kann gleichzeitig zwei oder mehrere
unterschiedliche Energiezustände in einer sogenannten Quantensuperposition
einnehmen. Ein Quantensystem kann daher verschiedene Masse-Energien in
Superposition aufweisen.
Im aktuellen Versuch maßen die Forscher die durch die Gravitation verursachte
Beschleunigung von Rubidium-Atomen. Diese waren in Quantensuperpositionen von
verschiedenen inneren Energien gebracht und mittels Laserlicht auf
außerordentlich niedrige Temperaturen nahe dem Absoluten Nullpunkt gekühlt
worden. Um ihre Messungen durchzuführen, verwendeten die Wissenschafter ein
neues Schema, das in der Gruppe in Florenz entwickelt wurde und auf einem
Braggschen Atominterferometer beruht. Das Experiment bestätigte die Gültigkeit
des Äquivalenzprinzips für Quantensuperpositionen mit einer relativen
Genauigkeit von einigen Milliardstel.
"Das Experiment zeigt, dass die Körper, die keine wohl definierte
Masse-Energie haben, in derselben Art und Weise fallen, wie jene mit einer
bestimmten Masse-Energie. Damit ist die Gültigkeit des Einsteinschen
Äquivalenzprinzips im Bereich der Quantenphysik überprüft", fasst Caslav Brukner
von der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
zusammen.
Das im Experiment umgesetzte Schema kann zur Entwicklung neuer Sensoren mit
vielfältigen Anwendungen führen: in der Geodäsie, in Studien über
Vulkanausbrüche und Erdbeben, bei der Suche nach Mineralvorkommen, in der
Trägheitsnavigation sowie bei Präzisionsmessungen von Zeit, Frequenzen,
Beschleunigungen und Rotationen, um die grundlegenden Gesetze der Physik auf der
Erde und im Weltall zu testen.
Über ihre Messungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
Nature Communications erschienen ist.
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