Vernetzte Forschung im deutschsprachigen Raum
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Hohenheim astronews.com
26. Oktober 2016
Spuren von Leben im All und die Bedingungen für das
Entstehen von Leben auf der Erde und anderswo: Diesen und anderen Themen
widmen sich Astrobiologen. Die im September in Berlin gegründete Deutsche
Astrobiologische Gesellschaft soll nun entsprechende Forschungsarbeiten im
deutschsprachigen Raum besser vernetzen helfen.

Die Milchstraße über dem 3,6-Meter-Teleskop
der ESO in La Silla. Astrobiologen suchen im
Weltall nach Spuren von Leben.
Foto: ESO / B.
Tafreshi (twanight.org) [Großansicht] |
Die Astrobiologie führte sie zusammen: 70 Naturwissenschaftler aus allen
Disziplinen versammelten sich Anfang September im Institut für Planetenforschung
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin, um die Deutsche
Astrobiologische Gesellschaft (DAbG) zu gründen. Die Gesellschaft möchte die
astrobiologische Grundlagenforschung in den verschiedenen Disziplinen vernetzen,
den Nachwuchs fördern und die Astrobiologie im deutschsprachigen Raum weiter
bekannt machen. Europaweit wird die DAbG in die European Astrobiological
Network Association (EANA) eingebunden sein. Weltweit ist die Astrobiologie
in der International Society for the Study of the Origin of Life ‒ The
International Astrobiology Society (ISSOL) organisiert.
"Die Gründung ist ein guter Schritt zur richtigen Zeit. Im DLR beispielsweise
sind viele Mitglieder und auch deren Vorsitzende Astrobiologen. Der
deutschsprachige Raum war bisher formal noch nicht organisiert. Das ist nun
Vergangenheit", so Prof. Dr. Henry Strasdeit vom Fachgebiet Bioanorganische
Chemie, der für die Universität Hohenheim im Gründungskomittee saß. "Das Leben
auf der Erde ist wahrscheinlich an extremen Orten entstanden. Vulkaninseln sind
heiße Kandidaten im wahrsten Sinne des Wortes. Als Astrobiologen bilden wir im
Labor die Bedingungen an diesen Orten nach, um die chemischen Prozesse der
Lebensentstehung zu verstehen."
Zu den Forschungen auf der Erde kommen solche im erdnahen Weltraum: auf der ISS
oder mit Forschungssatelliten, zum Beispiel mit dem Satelliten Eu:CROPIS, einem
Mini-Gewächshaus, in dem andere Astrobiologen Tomaten unter Mars- und
Mond-Schwerkraft züchten werden. Außerdem untersuchen Astrobiologen, wie sich
irdisches Leben auf andere Himmelskörper auswirken könnte. Und schließlich
suchen sie nach außerirdischem Leben.
"Astrobiologen suchen im Weltall nach Leben, zum Beispiel mit Hilfe der
Spektroskopie von der Erde aus oder mit Raumsonden direkt vor Ort", erläutert
Strasdeit. "Aus den Forschungen auf der Erde entwerfen wir Szenarien über die
Wahrscheinlichkeit, dass an anderen Orten im Universum ebenfalls Leben
entsteht."
Nach derzeitigem Wissen sind Kohlenstoff und Wasser Grundbedingungen für Leben -
nicht nur auf der Erde, sondern vielleicht im gesamten Universum. "Im Weltall
sind bisher auch keine weiteren chemischen Elemente entdeckt worden als
diejenigen, die wir auf der Erde haben", so Strasdeit. Dabei suchen die
Astrobiologen auch im Weltall eher unwirtliche Orte. "Heute würde kein Leben
mehr auf der Erde entstehen, weil der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre zu hoch
ist. Die chemischen Prozesse der Lebensentstehung benötigen anaerobe
Bedingungen. Wegen der Temperaturen muss außerdem der Abstand eines Planeten zu
seinem Zentralgestirn stimmen."
Daher kommen alle Planeten und Monde, auf denen flüssiges Wasser vorhanden oder
zumindest möglich ist, ins Visier der Astrobiologen. Dazu gehören der Mars und
einige Jupiter- und Saturnmonde sowie manche der bisher rund 3.500 entdeckten
Exoplaneten außerhalb unseres Sonnensystems. "Ein hoher Sauerstoffgehalt in der
Atmosphäre eines Exoplaneten wäre nach heutigem Wissensstand ein Hinweis auf
Photosynthese, also auf außerirdisches Leben", weiß Strasdeit.
Der größte Teil der Forschung nutzt konventionelle chemische Analytik "Wir an
der Universität Hohenheim untersuchen Biosignaturen, also direkte oder indirekte
Spuren für die Existenz von Leben. Für uns sind das meist Biomoleküle oder Reste
davon. Dazu simulieren wir zum Beispiel Bedingungen, wie sie auf anderen
Planeten und Monden herrschen. Das klingt nach Science Fiction, ist aber
grundsolide Laborarbeit und chemische Analytik", erläutert Dr. Stefan Fox von
der Universität Hohenheim.
Fox habilitiert im Fachgebiet Bioanorganische Chemie und untersucht die
Wechselwirkungen von Salzen und Mineralien mit Biomolekülen. Er beschäftigt sich
mit chemischer Evolution: "Wie die ersten Lebewesen standen bereits auch
chemische Systeme, die ihnen vorausgingen, unter Evolutionsdruck und mussten
sich unter den vorhandenen Bedingungen weiterentwickeln. Nach unserem bisherigen
Wissen hat sich das Leben zunächst sehr langsam entwickelt."
Die Erde wurde vor etwa vier Milliarden Jahren bewohnbar. Spätestens eine halbe
Milliarde Jahre danach existierten einzellige Mikroorganismen. Bis die ersten
echten Mehrzeller entstanden, dauerte es noch einmal etwa 1,5 Milliarden Jahre.
Zum Vergleich: Die Dinosaurier starben vor 66 Millionen Jahren aus.
Die Astrobiologie ist auch in der Lehre der Universität Hohenheim fest
verankert. Seit 2015 wird in drei Master-Studiengängen (Biologie, Earth &
Climate System Science, Crop Sciences – Plant Nutrition and Protection) das
Wahlmodul "Spring School Extreme Environments" angeboten. Darin werden unter
anderem zahlreiche interdisziplinäre Aspekte der Astrobiologie vermittelt.
Bereits seit mehreren Jahren gibt es im Master-Studiengang Earth & Climate
System Science ein vollständiges Modul "Astrobiology" und als weiteres Modul aus
dem Bereich der Astrobiologie das Forschungspraktikum "Practical Course Chemical
Evolution". Hinzu kommen regelmäßige Exkursionen mit Studierenden ins Nördlinger
Ries. "Beim Ries handelt es sich um einen der besterhaltenen größeren
Meteoritenkrater der Erde – und das fast direkt vor unserer Haustür", so Fox.
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