Welchen Einfluss haben die Planeten?
Redaktion
/ Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
20. September 2016
Dass unser Zentralstern einen entscheidenden Einfluss auf
die Planeten des Sonnensystems ausübt, dürfte kaum jemanden verwundern. Nun aber
haben Wissenschaftler Hinweise dafür gefunden, dass auch die Gezeitenkräfte der
Planeten für ein bestimmtes Phänomen auf der Sonne verantwortlich sind: Sie
könnten die Sonnenaktivität beeinflussen.

Die Sonnenaktivität wird vom Magnetfeld der
Sonne bestimmt. Doch haben die Gezeitenkräfte von
Venus, Erde und Jupiter auch direkten Einfluss
darauf?
Bild: NASA / SDO [Großansicht] |
Die Sonnenaktivität wird vom Magnetfeld der Sonne bestimmt. Für dieses sind zwei
gekoppelte Effekte verantwortlich: Der Omega-Effekt beruht auf der
unterschiedlich schnellen Rotation des heißen und leitfähigen Plasmas, aus dem
die Sonne besteht. So bildet sich ein Magnetfeld in Form zweier Ringe nördlich
und südlich des Äquators.
Aus diesen wiederum erzeugt der Alpha-Effekt ein Magnetfeld, das entlang der
Längenkreise der Sonne verläuft. Wo und wie genau der Alpha-Effekt entsteht,
gilt als ungeklärt. Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR)
haben hierzu nun eine neue Theorie vorgestellt. Ihre Berechnungen legen nahe,
dass die Gezeitenkräfte von Venus, Erde und Jupiter die Sonnenaktivität direkt
beeinflussen können.
Viele Fragen zum Magnetfeld der Sonne sind noch offen: "Wie bei der Erde auch,
haben wir es mit einem Dynamo zu tun. Durch Selbsterregung entsteht das
Magnetfeld quasi aus dem Nichts, wobei die komplexe Bewegung des leitfähigen
Plasmas als Energiequelle dient", so der Physiker Dr. Frank Stefani vom HZDR.
Der sogenannte Alpha-Omega-Dynamo der Sonne unterliegt einem regelmäßigen
Zyklus. Etwa alle elf Jahre polt das Magnetfeld der Sonne um; mit derselben
Periode durchläuft die Sonnenaktivität ein Maximum. Dieses zeigt sich an der
Zunahme der Sonnenflecken - dunklen Stellen auf der Sonnenoberfläche, die von
stark konzentrierten Magnetfeldern herrühren.
"Interessanterweise stehen alle 11,07 Jahre die Sonne und die Planeten Venus,
Erde und Jupiter etwa auf einer Linie. Wir haben uns gefragt: Ist es Zufall,
dass der Sonnenzyklus mit dem Zyklus von Konjunktion beziehungsweise Opposition
der drei Planeten zusammenfällt?", führt Stefani aus. Dabei ist die
Fragestellung selbst keineswegs neu. Bisher konnten Wissenschaftler jedoch
keinen physikalisch plausiblen Mechanismus dafür identifizieren, wie die sehr
schwachen Gezeitenwirkungen von Venus, Erde und Jupiter den Sonnendynamo
beeinflussen könnten.
"Auch wenn man einer Schaukel immer nur einen kleinen Schubs gibt, kommt sie mit
der Zeit immer mehr in Schwung", erläutert Stefani das Prinzip der Resonanz. Er
und sein Team fanden in aktuellen Berechnungen heraus, dass der Alpha-Effekt
unter bestimmten Bedingungen zu Schwingungen neigt. "Die Anregung dieser
Alpha-Oszillationen benötigt fast keine Energie. Dafür könnten die Gezeiten der
Planeten als Taktgeber ausreichen."
Für dieses Mitschwingen des Sonnendynamos spielt die sogenannte
Tayler-Instabiltität eine entscheidende Rolle. Sie entsteht immer dann, wenn ein
genügend starker Strom durch eine leitfähige Flüssigkeit oder ein Plasma fließt.
Ab einer bestimmten Stärke erzeugt die Wechselwirkung des Stroms mit seinem
eigenen Magnetfeld eine Strömung - im Falle der riesigen Sonne mit turbulentem
Charakter.
Nach allgemeiner Auffassung beruht der Sonnendynamo auf einem Zusammenspiel
zweier Induktionsmechanismen. Weitgehend unstrittig ist der Omega-Effekt, der in
der Tachokline entsteht. So heißt ein schmales Band zwischen der inneren
Strahlungszone der Sonne und den äußeren Bereichen, in denen Konvektion
stattfindet, also Wärme über die Bewegung des heißen Plasmas transportiert wird.
In der Tachokline treffen unterschiedlich schnell rotierende Bereiche
aufeinander. Diese differentielle Rotation generiert das sogenannte toroidale
Magnetfeld in Form zweier nördlich und südlich des Sonnenäquators gelegener
"Rettungsringe".
Große Unklarheiten bestehen hinsichtlich der Lage und Ursache des
Alpha-Effektes, der aus dem Toroidalfeld ein Poloidalfeld erzeugt – letzteres
verläuft entlang der Längengrade der Sonne. Einer weit verbreiteten Theorie
zufolge hat der Alpha-Effekt seinen Ursprungsort in der Nähe der Sonnenflecken,
also an der Sonnenoberfläche.
Die Dresdner Forscher haben einen alternativen Ansatz gewählt, der den
Alpha-Effekt mit der Rechts- oder Linkshändigkeit der Tayler-Instabilität in
Zusammenhang bringt. Die Tayler-Instabilität wiederum entsteht aufgrund der
stark aufgewickelten Toroidalfelder im turbulenten Gebiet der Tachokline. "Damit
können wir im Prinzip auch den Alpha-Effekt in der Tachokline verorten", sagt
Stefani.
Nun haben die HZDR-Forscher erstmals Belege dafür gefunden, dass die Tayler-Instabilität
auch zwischen Rechts- und Linkshändigkeit hin- und herpendeln kann. Das
Besondere: Der Umschlag erfolgt faktisch ohne Änderung der Strömungsenergie.
Dadurch reichen schon sehr kleine Kräfte aus, um eine Schwingung des
Alpha-Effekts anzuregen. "Unsere Berechnungen zeigen, dass planetare
Gezeitenkräfte hier wie winzige Taktgeber von außen wirken. Die etwa alle elf
Jahre angestoßene Oszillation des Alpha-Effekts könnte die Umpolung des
Magnetfeldes der Sonne bewirken und letztlich den 22-Jahres-Zyklus des
Sonnendynamos bestimmen", so der Physiker.
Die Wissenschaftler rund um Stefani beschäftigen sich seit vielen Jahren
intensiv mit Magnetfeldern im Kosmos und auf der Erde. So ist es ihnen als
erster Gruppe weltweit gelungen, sowohl die Tayler- als auch die Magneto-Rotations-Instabilität
im Laborexperiment nachzuweisen. Im Jahr 1999 waren die Spezialisten für
Magnetohydrodynamik zudem am erstmaligen Nachweis des homogenen Dynamoeffekts in
Riga beteiligt.
"Interessanterweise sind wir auf die Tayler-Instabilität im Rahmen unserer
Forschung zu neuartigen Flüssigmetall-Batterien gestoßen, die zurzeit als
mögliche preiswerte Speicher für die stark fluktuierende Sonnenergie untersucht
werden", erklärt Stefani. Das Grundprinzip einer Flüssigmetall-Batterie ist
äußerst einfach. Sie besteht aus zwei unterschiedlich schweren, flüssigen
Metallen - den Elektroden -, die nur durch eine dünne Salzschicht getrennt sind.
Die Vorteile: ein extrem schneller Ladungsvorgang, eine zumindest theoretisch
unendliche Anzahl von Ladungszyklen sowie geringe Kosten, wenn es denn gelingt,
eine Batterie in Quadratmetergröße herzustellen.
"Für diese Batterien stellt die Tayler-Instabilität eine ernstzunehmende Gefahr
dar, weil sie unweigerlich dann auftritt, wenn die Zellen größer und größer
werden. Ohne gewisse technologische Tricks, die wir bereits patentiert haben,
würde die Tayler-Instabilität die stabile Schichtung der Batterie zerstören",
fügt Stefani hinzu.
Über ihre Studie berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der
in der Zeitschrift Solar Physics erschienen ist.
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