Zwei Sterne und eine gemeinsame Hülle
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien astronews.com
4. Februar 2016
Was passiert, wenn zwei Sterne eines Doppelsternsystems von
einer gemeinsamen Hülle aus Wasserstoff und Helium umgeben sind? Diese extrem
kurze Phase im Leben von Doppelsternsystemen lässt sich kaum beobachten und wird
daher mithilfe von aufwändigen Computersimulationen untersucht. Wichtig ist dies
etwa zum Verständnis von Supernova-Explosionen.
Schnitt durch das dreidimensionale
Simulationsvolumen nach 105 Tagen in der
gemeinsamen Hülle. In der orbitalen Ebene
umkreisen der Begleitstern und der Riesenkern
einander.
Bild: Sebastian Ohlmann / HITS [Großansicht] |
Ein Blick in den Nachthimmel zeigt uns die Sterne als kleine Punkte, die in
weiter Ferne ihr einsames Dasein fristen. Doch der Schein trügt: Mehr als die
Hälfte aller uns bekannten Sterne besitzt einen Begleiter, der das Leben des
jeweiligen Sterns stark beeinflussen kann. Die Wechselwirkung in diesen
sogenannten Doppelsternsystemen ist besonders stark, wenn beide durch eine Phase
gehen, in der sie von einer gemeinsamen Sternhülle aus Wasserstoff und Helium
umgeben sind.
Da diese im Vergleich zur Entwicklungszeit von Sternen sehr kurze Phase jedoch
nur schlecht von Astronomen beobachtet und somit auch verstanden werden kann,
kommen theoretische Modelle mit aufwändigen Computersimulationen zum Einsatz.
Die Erforschung dieses Phänomens ist unter anderem für das Verständnis von
stellaren Ereignissen wie etwa Supernovae relevant.
Die Astrophysiker Sebastian Ohlmann, Friedrich Röpke, Rüdiger Pakmor und Volker
Springel vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) erzielten
jetzt mit Hilfe neuer Methoden einen Fortschritt in der Modellierung dieses
Phänomens: Sie konnten durch Simulationen dynamische Unregelmäßigkeiten
entdecken, die während der Phase der gemeinsamen Hülle auftreten und die für das
weitere Leben des Doppelsternsystems wichtig sind.
Diese sogenannten Instabilitäten verändern das Fließen der Materie innerhalb der
Hülle, beeinflussen dadurch die Distanz der einzelnen Sterne zueinander und
bestimmen somit zum Beispiel darüber, ob und welche Art Supernova entsteht. Die
Arbeit entstand in einer Kollaboration zwischen den zwei HITS-Forschungsgruppen
Physik stellarer Objekte und Theoretische Astrophysik. Für die Modellierung
wurde der von Prof. Volker Springel entwickelte Arepo-Code für hydrodynamische
Simulationen verwendet und angepasst. Er löst die Gleichungen auf einem
beweglichen Gitter, das dem Fluss der Materie folgt, und verbessert so die
Genauigkeit der Modellierung.
Mehr als die Hälfte der uns bekannten Sterne werden in Systemen aus zwei Sternen
geboren. Die Energie für ihr Leuchten stammt aus der Kernfusion von Wasserstoff
im Zentrum der Sterne. Sobald im schwereren der beiden Sterne der Wasserstoff
als Brennstoff für die Kernfusion verbraucht ist, schrumpft der Kern zusammen.
Gleichzeitig bildet sich eine stark ausgedehnte Sternhülle bestehend aus
Wasserstoff und Helium: Der Stern wird zu einem Roten Riesen.
Wenn sich die Hülle des Roten Riesens immer stärker ausdehnt, zieht der
Begleitstern durch seine Schwerkraft die Sternhülle zu sich, so dass ein Teil
der Hülle zu ihm überfließt. Im Laufe dieses Prozesses kommen sich beide Sterne
näher. Schließlich kann der Begleiter in die Hülle des Riesen fallen und beide
werden von einer gemeinsamen Sternhülle umschlossen.
Durch das Näherkommen des Riesenkerns und des Begleiters wird Energie aus der
Schwerkraft zwischen beiden freigesetzt, die in die gemeinsame Hülle übertragen
wird. Die Hülle wird dadurch ausgestoßen und vermischt sich mit der
interstellaren Materie in der Galaxie; zurück bleibt ein enges Doppelsternsystem
aus dem Kern des Riesen und dem Begleitstern.
Warum diese Phase der gemeinsamen Hülle wichtig für das Verständnis der
Entwicklung verschiedener Sternsysteme ist, erklärt Sebastian Ohlmann: "Je nach
Ausgangssystem der gemeinsamen Hülle können sich in der weiteren Entwicklung
sehr vielfältige Phänomene ergeben, wie etwa thermonukleare Supernovae." Ohlmann
und seine Kollegen untersuchen die Vorgeschichte dieser Sternexplosionen, die zu
den hellsten Ereignissen in unserem Universum zählen und eine ganze Galaxie
überstrahlen können.
Bei Modellierungen von Systemen, die zu solchen Sternexplosionen führen können,
besteht jedoch eine große Unsicherheit in der Beschreibung der Phase einer
gemeinsamen Sternhülle. Grund hierfür ist unter anderem, dass der Kern des
Riesen tausend bis zehntausendmal kleiner als die Hülle ist, so dass die
räumlichen und zeitlichen Skalenunterschiede die Modellierung erschweren und
Näherungen erfordern. Die jetzt mit neuartigen Methoden durchgeführten
Simulationen der Heidelberger Wissenschaftler sind ein erster Schritt zu einem
besseren Verständnis dieser Phase.
Über ihr Verfahren berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin The
Astrophysical Journal Letters. Ein Video, der den Entwicklungsprozess einer
gemeinsamen Hülle zeigt, ist bei
Youtube zu sehen.
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