Neutronensterne und die Gravitationswellen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Frankfurt astronews.com
18. März 2015
Die von Albert Einstein vorhergesagten Gravitationswellen
warten noch immer auf ihren direkten Nachweis. Nun haben Physiker nachgerechnet,
was man alles erfahren würde, wenn man die Gravitationswellen von zwei
verschmelzenden Neutronensternen aufspüren könnte - offenbar eine ganze Menge.
Sie halten entsprechenden Messungen innerhalb weniger Jahre für möglich.
Vier Schnappschüsse von der Fusion zweier
Neutronensterne. Von der Annäherung bis zur
Verschmelzung vergehen nur wenige Millisekunden,
in denen ungeheure Massen beschleunigt werden.
Die Signale der dabei theoretisch entstehenden
Gravitationswellen sind jetzt in Simulationen
berechnet worden. Bild:
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Bisher ist es noch nicht gelungen, die von Einsteins Allgemeiner
Relativitätstheorie vorhergesagten Gravitationswellen zu messen. Sie sind so
schwach, dass sie im Rauschen der Messungen untergehen. Doch Dank neuester
Simulationen der Verschmelzung besonders massereicher
Neutronen-Doppelstern-Systeme ist jetzt die Struktur der gesuchten Signale
bekannt. Wie ein deutsch-japanisches Team theoretischer Astrophysiker in einer
jetzt veröffentlichten Studie zeigt, besitzen Gravitationswellen ein
charakteristisches Spektrum, ähnlich den Spektrallinien von Atomen.
Gravitationswellen entstehen bei der Beschleunigung von Massen. Erste
indirekte Hinweise auf ihre Existenz gibt es seit 1974, als der Doppelpulsar PSR
B1913+16 im Sternbild Adler entdeckt wurde. Die beiden schnell umeinander
kreisenden Neutronensterne driften spiralförmig aufeinander zu, was
Astrophysiker dadurch erklären, dass sie Gravitationsenergie abstrahlen. Russell
A. Hulse und Joseph H. Taylor erhielten für diese Entdeckung 1993 den Nobelpreis
für Physik.
Inzwischen gibt es mehrere großangelegte Experimente zur Detektion von
Gravitationswellen: das US-amerikanische LIGO-Experiment, das europäische
Virgo-Experiment und den japanischen KAGRA-Detektor. Fachleute rechnen
damit, innerhalb der nächsten fünf Jahre Signale von Gravitationswellen aus
fusionierenden Neutronen-Doppelstern-Systemen aufzuspüren.
"Diese Signale zu entdecken wird nicht einfach sein, weil sie eine extreme
kleine Amplitude haben. Aber trotz dieser erschwerten Bedingungen ist es
möglich, sie zu finden, wenn sie im Voraus bekannt sind", erklärt Prof. Luciano
Rezzolla vom Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität in
Frankfurt.
Gemeinsam mit einem japanischen Kollegen von der Universität Osaka hat er
eine Reihe von Neutronen-Doppelstern-Systemen mithilfe von neuesten
Simulationstechniken untersucht und herausgefunden, dass beim Verschmelzen der
Sterne charakteristische Gravitationswellen-Spektren entstehen. "Diese Spektren
entsprechend den elektromagnetischen Spektrallinien, die von Atomen oder
Molekülen emittiert werden. Wir können daraus Informationen über die
Eigenschaften der Sterne gewinnen", erklärt Rezzolla.
Die Astrophysiker konnten in ihrer Studie zeigen, dass das Spektrum der
Gravitationswellen wie ein Fingerabdruck der beiden Sterne ist. Lernt man, ihn
zu interpretieren, weiß man, woraus die Sterne bestehen und kann ihre bisher
noch unbekannte Zustandsgleichung aufstellen.
Zustandsgleichungen beschreiben die thermodynamischen Eigenschaften von
Systemen in Abhängigkeit von Größen wie Druck, Temperatur, Volumen oder
Teilchenzahl. "Das ist eine sehr aufregende Möglichkeit, denn wir könnten damit
ein seit 40 Jahren ungelöstes Rätsel lösen: Woraus bestehen Neutronensterne und
was ist ihre stellare Struktur? Wenn das Signal stark und damit der
Fingerabdruck sehr deutlich wäre, würde sogar eine einzige Messung ausreichen",
so Rezzolla. "Die Aussichten, das Rätsel der Neutronensterne zu lösen, waren nie
so gut. Schon jetzt sind die Gravitationswellen, die wir hoffentlich in einigen
Jahren entdecken werden, von den entferntesten Enden des Universums zu uns
unterwegs."
Über ihrer Ergebnisse berichten die Physiker in zwei zusammenhängenden
Fachartikeln, die im November in den Physical Review Letters und in der
aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Physical Review D erschienen sind.
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