Eismaulwurf nimmt Wasserprobe
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der FH Aachen astronews.com
12. Februar 2015
Die Erforschung der unter der eisigen Oberfläche mancher
Monde vermuteten Ozeane würde ganz spezielle Technologien erfordern, da man
natürlich vermeiden muss, mit einer Sonde Bakterien von der Erde in diesen
potentiellen Lebensraum außerirdischer Organismen einzuschleppen. Jetzt wurde in
der Antarktis eine entsprechende Technologie erfolgreich getestet.

Mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro
Stunde in einem Winkel von 65 Grad schmilzt sich
der "Eis-Maulwurf" langsam in Richtung Ziel in 16
Metern Tiefe: einer Gletscherspalte im
Taylor-Gletscher, die das sogenannte Brine vom
subglazialem See bis zu ihrem Auslass in den
Bonney-See transportiert.
Foto: FH Aachen / Marco Feldmann [Großansicht] |
Wissenschaftler des Verbundvorhabens "EnEx - Enceladus Explorer" haben jetzt
erstmals eine unverschmutzte Wasserprobe in einem Gletscher in der Antarktis
entnommen. In einer Tiefe von 16 Metern unter der Eisoberfläche konnten sie
subglaziales Wasser finden und mit dem IceMole kontaminationsfrei eine Probe
entnehmen. Amerikanische Kollegen analysieren nun die Wasserprobe, die
vermutlich über eine Million Jahre von der Außenwelt abgeschlossen war,
hinsichtlich enthaltener Mikroorganismen. Die Einschmelzsonde wurde von einem
Team um Prof. Dr. Bernd Dachwald, Professor für Raumfahrttechnik an der FH
Aachen, entwickelt.
Seit den ersten Hinweisen auf flüssige Ozeane unter den dicken Eispanzern
einiger Monde des äußeren Sonnensystems wird darüber spekuliert, ob sich dort
eigenständiges Leben entwickelt haben könnte. In diesem Zusammenhang ist der
kleine Saturnmond Enceladus von besonderem Interesse, der aus Spalten an seinem
Südpol Wassereispartikel in den Weltraum schleudert. Durch die NASA-Sonde
Cassini konnten darin einfache organische Verbindungen nachgewiesen werden.
Eine Landung zur genaueren Untersuchung der Wasservorkommen wäre ein
entscheidender Schritt zur Beantwortung der Frage nach dortigem Leben.
Gleichzeitig stellt das aber aufgrund der Abgelegenheit und der extremen
Bedingungen eine große technische Herausforderung für zukünftige
Raumfahrtmissionen dar. Eine wesentliche Schlüsselkomponente für eine solche
Mission ist eine frei durch das Eis steuer- und navigierbare Einschmelzsonde,
die vor sich in das Eis "sehen" kann und ihre Position darin genau kennt.
Mit dem durch das Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR) initiierten und geförderten Verbundvorhaben "EnEx – Enceladus
Explorer" wurde in den vergangenen drei Jahren ein wichtiger Schritt zur
Entwicklung einer solchen Sonde getan. In EnEx arbeiten Ingenieure und
Wissenschaftler sechs deutscher Hochschulen (der FH Aachen, der RWTH Aachen, der
TU Braunschweig, der Universität Bremen, der Universität der Bundeswehr München
und der Bergischen Universität Wuppertal) eng zusammen, um Schlüsseltechnologien
für das navigierbare Schmelzen im Eis zu entwickeln und sie in einem dem
Enceladus-Szenario möglichst ähnlichen Feldversuch auf der Erde zu erproben.
Zu den entwickelten Technologien zählen unter anderem ein autonomes (bzw. im
ersten Entwicklungsschritt noch halbautonomes) und robustes Navigations- und
Detektionssystem sowie ein Dekontaminierungs- und Probenentnahmesystem. Diese
wurden speziell für den Einbau in eine an der FH Aachen entwickelte
Einschmelzsonde, genannt EnEx-IceMole (EnEx-Eismaulwurf), konzipiert.
Dachwald, der mit seinem Team seit Jahren an gesteuerten Einschmelzsonden
forscht, übernahm die Führung des EnEx-Verbundes. Im November und Dezember 2014
wurde gemeinsam mit amerikanischen Wissenschaftlern ein fünfwöchiger Feldversuch
in der Antarktis durchgeführt. Deren Projekt MIDGE (Minimally Invasive Direct
Glacial Exploration) wird parallel von der US-amerikanischen National
Science Foundation gefördert.
Ziel der Zusammenarbeit zwischen EnEx- und MIDGE-Forschern war es, mit einem
minimal-invasiven Verfahren erstmalig eine unkontaminierte subglaziale
Wasserprobe, also eine nicht mit mitgebrachten Mikroorganismen verunreinigte
sich unter dem Eis befindliche Wasserprobe, aus den Blood Falls (Blutfällen) in
der Antarktis zu entnehmen. Dies ist dem internationalen Team nun während der
letzten Tage ihres Aufenthalts in der Antarktis gelungen. In einer Tiefe von 16
Metern unter der Eisoberfläche konnten sie subglaziales Wasser finden und mit
dem IceMole kontaminationsfrei eine Probe entnehmen. Die amerikanischen
Kollegen analysieren nun die Wasserprobe, die vermutlich über eine Million Jahre
von der Außenwelt abgeschlossen war, hinsichtlich enthaltener Mikroorganismen.
Im Raum steht die Frage, wie Leben in solch extremen Bedingungen überhaupt
möglich ist. An der FH Aachen haben in den vergangenen drei Jahren sieben
Ingenieure und Wissenschaftler am Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik sowie
zwei Ingenieure und Wissenschaftler am Institut für Bioengineering geforscht, um
die ambitionierten Projektziele zu erreichen. Aufgabe des raumfahrttechnischen
Teams unter der Leitung von Dachwald war die Entwicklung der navigierbaren
Schmelzsonde als Träger und Schnittstelle für die im Verbund entwickelten
Navigationstechnologien.
Dabei konnte das Ingenieurteam um Marco Feldmann zwar auf Erfahrungen aus den
früheren studentischen IceMole-Projekten zurückgreifen, es musste aber
eine neue modulare Bauweise entwickeln, die es erlaubte, die einzelnen
Untersysteme unabhängig an den verschiedenen Standorten der Verbundpartner zu
entwickeln und erst kurz vor dem Feldeinsatz einzubauen und zu testen.
Eine der größten Herausforderungen für die Entnahme der Probe lag in der
Einstufung der Feldtestregion als international besonders geschütztes Gebiet
(ASPA, Antarctic Specially Protected Area). Jeglicher Aufenthalt ist hier mit
sehr strengen Auflagen verbunden und macht eine gewissenhafte Sterilisierung der
Sonde erforderlich. Natürlich wäre gerade dieser Aspekt auch für den
extraterrestrischen Einsatz auf Enceladus unbedingt notwendig, um den Eismond
nicht mit irdischen Mikroorganismen zu verseuchen.
Deshalb erarbeitete Dr. Ilya Digel vom Institut für Bioengineering für den
EnEx-IceMole eine auf den geltenden Raumfahrtstandards basierende
Dekontaminationsstrategie. Das zur Umsetzung der Strategie erforderliche
sondeninterne System für das Flüssigkeitsmanagement (Wasserprobe, Schmelzwasser,
Dekonaminationsflüssigkeit) wurde im Raumfahrtlabor von Clemens Espe entwickelt.
Um eventuelle Hindernisse vor der Sonde und die Zielregion im Eis "sehen"
oder besser gesagt "hören" zu können, entwickelte Peter Linder vom Institut für
Bioengineering ein an die medizinische Ultraschallbildgebung angelehntes und an
die extremen Umgebungsbedingungen im Eis angepasstes System. Dies erfolgte in
enger Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern des III. Physikalischen Instituts
B der RWTH Aachen unter der Leitung von Prof. Dr. Christopher Wiebusch.
"Eine für den Einsatz im Feld entwickelte Technologie muss in regelmäßigen
Abständen unter realen Einsatzbedingungen getestet werden", erklärt Prof.
Dachwald. Vor der Probenentnahme an den Blood Falls wurden deshalb drei
Feldtests durchgeführt, zwei auf dem Morteratschgletscher in der Schweiz und der
dritte auf dem Kanadagletscher in den Dry Valleys der Antarktis. Erst danach
erhielt das Projekt die offizielle Erlaubnis, die Blood Falls anbohren zu
dürfen.
Zwar bildeten die Feldtests den notwendigen Grundstein für den späteren
Erfolg an den Blood Falls, allerdings meint EnEx-Projektmanagerin Dr. Julia
Kowalski dazu: „Das fest vorgegebene Zeitfenster für den Feldversuch an den
Blood Falls hat den Takt für das gesamte Projekt maßgeblich bestimmt und keine
Verzögerungen im Zeitplan erlaubt. Dies war neben der Technologieentwicklung
eine der großen Herausforderungen von EnEx."
Mit der erfolgreichen Probenentnahme konnten die Arbeitsgruppen der FH Aachen
zusammen mit den anderen EnEx-Verbundpartnern zeigen, dass die entwickelten
Technologien grundsätzlich funktionieren und potenziell auch auf Enceladus
eingesetzt werden könnten.
Die begonnenen Arbeiten sollen in weiteren Forschungsvorhaben innerhalb der "EnEx
– Enceladus Explorer"-Initiative des DLR Raumfahrtmanagements fortgeführt
werden. An der FH Aachen sind als nächster Entwicklungsschritt Versuche in der
Vakuumkammer des Raumfahrtlabors geplant, in welchen das Schmelzverhalten der
entwickelten Technologien unter Weltraumbedingungen untersucht wird.
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