Ein stellarer Jet im Labor
Redaktion
/ Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) astronews.com
17. Oktober 2014
Wissenschaftlern ist es gelungen, ein neues Modell, das die Entstehung von astrophysikalischen Jets von jungen Sternen
beschreibt, erstmals
erfolgreich im Labor zu testen. Als entscheidend erwiesen sich ausschließlich die
beteiligten Magnetfelder. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse könnten in Zukunft
sogar bei der Krebstherapie mit Protonenstrahlen weiterhelfen.
Kosmische Jets
formen sich auch bei der Entstehung eines Sterns.
Bild: ESO / L. Calçada / M. Kornmesser
[Großansicht] |
Wann immer ein Objekt im Weltall um sich herum eine rotierende Scheibe aus
Materie bildet, stehen die Chancen gut, einen sogenannten Jet zu beobachten.
Dabei handelt es sich um einen dünnen, geradlinigen Ausstoß von Materie, der
sich vom Zentrum der Scheibe ausbreitet und dem Gebilde insgesamt die Form eines
Kreisels gibt. Man kennt diese Jets von aktiven Schwarzen Löchern in den Zentren
von Galaxien, aber auch von jungen gerade entstehenden Sternen. Bislang ist
jedoch nicht geklärt, wie genau sich die dünnen Strahlen inmitten der Scheibe
formen.
Zusammen mit Kollegen aus Europa, Amerika und Asien haben Forscher des
Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) nun den Prozess im Labor
nachgestellt: Eine Probe aus Kunststoff wurde hierzu am Laboratoire pour
l'Utilisation des Lasers Intenses (LULI) in Frankreich mit einem Laser
beschossen. Dadurch gerieten die Elektronen im Inneren des "Targets" in Bewegung
und das zuvor feste Kunststoff-Objekt verwandelte sich zum leitfähigen Plasma.
"Man muss sich darunter eine Art 'heiße Wolke' aus Elektronen und Ionen
vorstellen, die sich sehr schnell ausbreitet. In kleinem Maßstab repräsentiert
das Plasma die Materieansammlung eines jungen Sterns", erläutert Professor
Thomas Cowan, der Direktor des Instituts für Strahlenphysik am HZDR, der an den
Untersuchungen beteiligt war.
Zugleich - und das war ein entscheidender Kniff des Experiments - wurde das
Plasma einem sehr starken, gepulsten Magnetfeld ausgesetzt. Die Hypothese der
Physiker: Unter Einfluss des Magnetfelds fokussiert sich das normalerweise breit
gestreute Plasma und bildet eine Aushöhlung im Inneren. Dies führt schließlich
zu einer Stoßwelle, aus der ein sehr dünner Strahl hervorgeht - ein Jet.
Das Experiment wurde so konstruiert, dass es auf die real im Universum
anzutreffenden Bedingungen hochgerechnet werden kann: In nur 20 Nanosekunden -
über 100.000 Mal schneller als der Flügelschlag einer Fliege - bildet das
Labor-Plasma Strukturen aus, wie der Jet eines jungen Sterns in rund sechs
Jahren. Auf diese Weise konnte das Modell mit den astronomischen Beobachtungen
überprüft werden, die seit einigen Jahren durch Weltraumteleskope möglich sind.
Dabei zeigte sich eine sehr genaue Übereinstimmung der Daten.
So kommt es beispielsweise in einem Jet dazu, dass sich Teilchenströme
überkreuzen, was zu einer zusätzlichen Erhitzung an solchen Punkten führt.
"Röntgenmessungen von echten Jets zeigen an den gleichen Stellen Auffälligkeiten
wie unser maßstabsgetreues Plasma-Modell im Labor", verdeutlicht Cowan. Damit
konnten die Forscher erstmals ein Modell vorlegen, das die Entstehung von Jets
allein durch Magnetfelder erklären kann. In vorherigen Ansätzen musste stets
auch die Rotation der Materie um den jungen Stern als weiterer Einflussfaktor
einbezogen werden.
Die Erkenntnis, dass sich ein Plasma derart fokussieren lässt, könnte zudem
auch einen praktischen Nutzen für die Medizin haben. So sei es laut Cowan
denkbar, dass mit Hilfe von gepulsten Magnetfeldern ein besonders dünner
Protonenstrahl für die Strahlentherapie erzeugt werden könnte.
Um überhaupt starke gepulste Magnetfelder für das Experiment produzieren zu
können, wurde auf die Erfahrung des Hochfeld-Magnetlabors Dresden am HZDR
zurückgegriffen: "Wir haben einen speziellen Pulsgenerator entwickelt, der es
den Kollegen in Frankreich ermöglichte, in engen Laborräumlichkeiten so starke
Felder zu produzieren", erläutert Dr. Thomas Herrmannsdörfer, Abteilungsleiter
am Hochfeld-Magnetlabor. Gerade mal so groß wie ein Kleiderschrank ist der
Generator, der Ströme bis zu 300 Kiloampere produzieren kann.
Die Konstruktion einer so kompakten Anlage war laut Herrmannsdörfer vor allem
eine technische Herausforderung: "Unsere Elektroingenieure fanden hier recht
innovative Lösungen. Das hilft uns nun auch bei der Entwicklung von Generatoren
für industrielle und medizintechnische Anwendungen weiter." Der Pulsgenerator
befindet sich derzeit noch immer im französischen Laserlabor in Palaiseau bei
Paris, denn schon ab Dezember wollen die Dresdner Wissenschaftler wieder mit den
Kollegen am LULI zusammenarbeiten.
Über die Ergebnisse der aktuellen Studie berichten die Wissenschaftler jetzt
in einem Fachartikel in der Zeitschrift Science.
|