Objekt am Rand des Sonnensystems entdeckt
von Stefan Deiters astronews.com
27. März 2014
Astronomen haben ein Objekt entdeckt, dessen Abstand von der
Sonne größer ist als bei jedem anderen bislang bekannten Mitglied des
Sonnensystems. Es könnte zu einer großen Zahl von Objekten gehören, die die
innere Oortsche Wolke bilden. Nach Ansicht der Forscher deutet ihr Fund auch
darauf hin, dass sich in dieser Region noch ein relativ großer Planet verbergen
könnte.

Das
Entdeckungsbild von 2012 VP113. Das Objekt verrät
sich als Spur aus drei verschiedenfarbigen
Punkten.
Bild: Scott Sheppard und Chad Trujillo |
Unser Sonnensystem lässt sich grob in mehrere Bereiche einteilen: In Sonnennähe
findet man die Gesteinsplaneten, zu denen auch die Erde gehört. Weiter entfernt
kreisen die Gasplaneten um die Sonne, zwischen Gesteins- und Gasplaneten liegt
der Asteroidengürtel. An die Region der Gasplaneten schließt sich der
Kuipergürtel an, ein Bereich mit zahlreichen eisigen Brocken, von denen man in
den letzten Jahren immer mehr aufgespürt hat.
Astronomen vermuten, etwa aus der Analyse der Bahnen von langperiodischen
Kometen, dass unser Sonnensystem in noch deutlich größerer Entfernung von einer
riesigen Wolke aus eisigen Kometenkernen umgeben ist. Sie wird Oortsche Wolke
genannt und manchmal auch in einen inneren und äußeren Bereich unterteilt.
In diesen fernen Regionen des Sonnensystems kannte man bislang mit Sedna nur ein
Objekt, das auf einer hochgradig elliptischen Umlaufbahn die Sonne umkreist und
dabei zwischen 76 und rund 1.000 Astronomischen Einheiten von unserem
Zentralstern entfernt ist. Eine Astronomische Einheit ist der mittlere Abstand
der Erde von der Sonne. Mit 2012 VP113 haben Astronomen nun ein Objekt entdeckt,
das die Sonne in einem noch größeren Abstand umrundet.
"Dies ist ein außerordentliches Ergebnis, das unser Verständnis vom Sonnensystem
ganz neu definiert", ist sich Linda Elkins-Tanton von der Carnegie
Institution in Washington sicher. Sedna war im Jahr 2003 entdeckt worden (astronews.com
berichtete). Seitdem fragten sich die Astronomen, ob Sedna tatsächlich ein
Einzelobjekt ist oder ob es noch eine Reihe weiterer Objekte in dieser Region
gibt, die bislang nur unentdeckt geblieben sind. Jetzt ist klar: Sie gibt es.
Auch 2012 VP113 hat eine sehr elliptische Bahn, auf der sich das Objekt der
Sonne auf bis zu 80 Astronomische Einheiten annähert.
"Die Suche nach diesen entfernten Objekten der inneren Oortschen Wolke sollte
weitergehen, da sie uns viel über die Entstehung und Entwicklung des
Sonnensystems verraten können", meint auch Scott Sheppard von der Carnegie
Institution, der zusammen mit Chadwick Trujillo vom Gemini Observatory
das neue Mitglied des Sonnensystems aufgespürt hat. Die Astronomen nutzten dazu
eine neue Weitwinkelkamera am 4-Meter-NOAO-Teleskop in Chile und führten
anschließend weitere Untersuchungen mit dem 6,5-Meter Magellan-Teleskop
durch.
Sheppard und Trujillo haben, auf Grundlage des von ihnen abgesuchten Bereichs,
auch die Anzahl der Objekte hochgerechnet, die sich in dieser Region noch
befinden müssten: Sie kamen so auf rund 900 Objekte mit ähnlichen Orbits wie
Sedna und 2012 VP113, die einen Durchmesser von über 1.000 Kilometern haben. Die
Zahl der Objekte in der inneren Oortschen Wolke könnte somit größer sein als die
Anzahl der Objekte im Kuipergürtel, wobei sichere statistische Aussagen bei nur
zwei bislang entdeckten Objekten immer mit größeren Unsicherheiten behaftet sein
dürften.
"Einige dieser Objekte der inneren Oortschen Wolke könnten von der Größe her mit
dem Mars oder gar der Erde mithalten", glaubt Sheppard. "Die innere Oortsche
Wolke ist so weit von uns entfernt, dass selbst große Objekte so lichtschwach
sind, dass sie sich mit unserer heutigen Technologie nicht entdecken lassen."
Sowohl Sedna als auch 2012 VP113 wurden in der Nähe des sonnennächsten Punkts
ihrer Bahn entdeckt. Hätten sie sich weiter entfernt von der Sonne befunden,
wäre eine Entdeckung kaum möglich gewesen.
Die relative Ähnlichkeit der Bahnen von Sedna und 2012 VP113 und der einiger
Objekte am äußeren Rand des Kuipergürtels würde, so die beiden Astronomen, einen
faszinierenden Schluss nahelegen: Es könnte nämlich in diesen äußeren Regionen
des Sonnensystems noch einen vergleichsweise massereichen Planeten geben, der
für diese eigentümlichen Bahnen verantwortlich ist. Seine Masse könnte dabei
sogar größer sein, als die der Erde.
Über ihre Entdeckung berichten die Astronomen heute in der
Wissenschaftszeitschrift Nature.
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