Galaxienvielfalt einst und jetzt
von Stefan Deiters astronews.com
19. August 2013
Galaxien lassen sich grob in drei verschiedene Klassen
einteilen: in Spiralgalaxien, elliptische Galaxien und linsenförmige Galaxien.
Mithilfe der sogenannten Hubble-Sequenz ist eine noch feinere Klassifizierung
möglich. Eine umfangreiche Himmelsdurchmusterung zeigte jetzt, dass die in
unserer Umgebung sichtbare Ordnung auch schon vor elf Milliarden Jahren bestand.

Die Hubble-Sequenz in der Vergangenheit. Auf
der linken Seite befinden sich jeweils die
elliptischen Galaxien, auf der rechten Seite die
Spiralgalaxien ohne Balken (oben) und mit Balken
(unten).
Bild: NASA, ESA, M. Kornmesser [vergrößerte
Gesamtansicht] |
Galaxien gibt es in ganz unterschiedlichen Größen und Formen. Wenn man genau
hinschaut, lassen sie sich aber in bestimmte Klassen einteilen, etwa
entsprechend ihres Aussehens und ihrer Sternentstehungsaktivität. In den 1920er
Jahren entwickelte Edwin Hubble ein entsprechendes Ordnungsschema für Galaxien,
das heute als Hubble-Sequenz bekannt ist und - mit einigen Ergänzungen - noch
immer verwendet wird.
In dieser Hubble-Sequenz gibt es zwei Hauptarten von Galaxien - die
elliptischen Galaxien und die Spiralgalaxien. Hinzu kommen die linsenförmigen
Galaxien, bei denen es sich um eine Zwischenstufe zwischen elliptischen und
spiralförmigen Galaxien handeln dürfte. Die Hubble-Sequenz beschreibt die
Vielfalt an Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft, also in der Gegenwart.
Doch seit wann gibt es diese uns vertraute Ordnung im Universum?
"Das ist die Schlüsselfrage: Wann und über welchen Zeitraum bildete sich die
Hubble-Sequenz aus?", so BoMee Lee von der University of Massachusetts
in den USA. "Um eine Antwort zu finden, muss man entfernte Galaxien erfassen und
sie mit ihren nähergelegenen Verwandten vergleichen, um so herauszufinden, ob
sie sich mit der gleichen Methode beschreiben lassen."
Bislang wusste man, dass die Hubble-Sequenz innerhalb der letzten acht
Milliarden Jahre gültig war. Durch neue Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop
Hubble, die im Rahmen der Himmelsdurchmusterung Cosmic Assembly
Near-infrared Deep Extragalactic Legacy Survey (CANDELS) gemacht wurden,
konnte man nun bis zu elf Milliarden Jahre zurückblicken. In dieser Entfernung
hatte man bislang hauptsächlich Galaxien mit niedrigerer Masse untersucht, nicht
jedoch "ausgewachsene" Galaxien wie unsere Milchstraße. Die neuen
CANDELS-Beobachtungen zeigten, dass auch Galaxien in dieser Zeit sich in das
vertraute Klassifikationsschema einpassen lassen.
"Dies ist die bislang einzige umfassende Studie des sichtbaren
Erscheinungsbilds von großen, massereichen Galaxien, die in so weiter
Vergangenheit existierten", freut sich Arjen van der Wel vom Max-Planck-Institut
für Astronomie in Heidelberg. "Diese Galaxien schauen erstaunlich ausgewachsen
aus, was von Modellen über die Entwicklung von Galaxien nicht für einen so
frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Universums vorhergesagt wird."
Die Galaxien im jungen Universum scheinen sich dabei in bläuliche Systeme mit
Sternentstehung und einer komplexen Struktur, wie Scheiben, Bulges oder klumpige
Regionen, und in massereiche rötliche Galaxien zu unterteilen, in denen keine
Sterne mehr entstehen und die denen in unserer Umgebung gleichen.
Massereiche Galaxien kommen im jungen Universum deutlich seltener vor.
Deswegen war es in früheren Studien nicht möglich, eine ausreichend große Zahl
von solchen Systemen zu erfassen, um eine zuverlässige Charakterisierung
durchführen zu können. Dies wurde erst durch die systematischen Beobachtungen
der CANDLES-Himmelsdurchmusterung möglich.
Die Wide Field Camera 3 (WFC3) von Hubble ermöglichte zudem
Beobachtungen der fernen Galaxien im infraroten Teil des Spektrums. Da diese
entfernten Systeme uns heute rotverschoben erscheinen, erlaubten diese
Beobachtungen den Astronomen Rückschlüsse darauf, wie die Galaxien zu ihrer Zeit
im sichtbaren Bereich des Lichtes ausgesehen haben müssen, was wiederum den
Vergleich mit Galaxien im lokalen Universum erleichterte.
"Der riesige CANDELS-Datensatz war für uns eine wahre Fundgrube, um diese
Galaxien im frühen Universum konsistent zu untersuchen", so Lee. "Die Auflösung
und Empfindlichkeit von Hubbles WFC3 ist bei infraroten Wellenlängen
nicht zu schlagen und war entscheidend für unsere Studie. Die Hubble-Sequenz
fasst viel von unserem Wissen über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien
zusammen - sie auch in so weiter Vergangenheit nachweisen zu können, ist eine
bedeutende Entdeckung."
Die Astronomen berichten über ihre Untersuchungen in einem Fachartikel in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal.
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