Das jüngste Schwarze Loch der Milchstraße?
von Stefan Deiters astronews.com
14. Februar 2013
Astronomen könnten mithilfe des NASA-Röntgenteleskops
Chandra das jüngste Schwarze Loch der Milchstraße entdeckt haben. Sie
spürten das Objekt in den Überresten einer sehr ungewöhnlichen Supernova in rund
26.000 Lichtjahren Entfernung auf. Die Explosion hätte vor ungefähr 1.000 Jahren
auf der Erde beobachtet werden können.

Der Supernova-Überrest W49B. Die Ansicht
wurde aus Daten von Beobachtungen in
verschiedenen Wellenlängenbereichen erstellt.
Bild: NASA / CXC
/ MIT / L. Lopez et al (Röntgen), Palomar
(Infrarot), NSF / NRAO / VLA (Radio) [Großansicht] |
Der von den Astronomen mit dem Weltraumteleskop Chandra im
Röntgenbereich beobachtete Supernova-Überrest W49B ist eine Besonderheit: "W49B
ist der erste Überrest dieser Art, den wir in der Galaxie entdeckt haben",
erläutert Laura Lopez vom Massachusetts Institute of Technology (MIT),
die die Studie leitete. "Es sieht so aus, als hätte der Ursprungsstern sein
Leben auf eine Art beendet, wie es sonst kaum ein Stern tut."
Wenn massereichen Sternen der nukleare Brennstoff ausgeht, kollabiert in der
Regel der Zentralbereich des Sterns und löst eine Supernova-Explosion aus. Diese
Explosionen sind normalerweise symmetrisch, die Trümmerteile des Sterns werden
also relativ gleichmäßig in alle Richtungen ins All geschleudert.
Bei W49B scheint dies jedoch anders gewesen zu sein: Offenbar wurde bei
dieser Supernova Material in Polnähe des Sterns deutlich schneller ins All
geschleudert als das Material aus den Äquatorregionen. Enggebündelte
Teilchenstrahlen, sogenannte Jets, die von den Polen des Sterns ausgingen,
scheinen die Supernova-Explosion und die anschließenden Ereignisse entscheidend
beeinflusst zu haben.
Mit dem Röntgenteleskop Chandra haben die Astronomen W49B insgesamt
zweieinhalb Tage lang beobachtet und konnten dadurch die Verteilung der Elemente
in den Trümmern der Sternexplosion kartieren. So stellen sie fest, dass sich
etwa nur in der Hälfte des Überrests Eisen nachweisen lässt, während andere
Elemente wie Schwefel und Silizium gleichmäßig in den Trümmern verteilt zu sein
scheinen. Diese Daten haben sie dann mit theoretischen Modellen über
Supernova-Explosionen verglichen. Danach sprach dann alles für eine
asymmetrische Supernova.
"Außer der ungewöhnlichen Verteilung der Elemente ist W49B zudem noch
langgezogener und elliptischer als die meisten anderen Überreste", so Enrico
Ramirez-Ruiz von der University of California in Santa Cruz. "Dies
lässt sich sowohl im Röntgenbereich als auch in anderen Wellenlängen beobachten
und deutet auf ein ungewöhnliches Ende des Sterns hin."
Supernova-Explosionen spielen auch eine wichtige Rolle bei der Erzeugung von
schweren Elemente, die nicht durch normale Fusionsprozesse im Inneren von
Sternen gebildet werden können. Der genaue Ablauf dieser Explosionen ist den
Astronomen allerdings noch immer nicht vollständig klar. Von extremen und
ungewöhnlichen Supernovae wie W49B erhoffen sich die Forscher daher neue
Einsichten in die Physik dieser Sternenexplosionen. Mit einer Entfernung von
rund 26.000 Lichtjahren ist der Überrest zudem vergleichsweise nah und bietet
sich für gründlichere Untersuchungen an.
Nach der Explosion eines massereichen Sterns in einer Supernova bleibt ein
kompaktes Objekt zurück - entweder ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch.
Neutronensterne verraten sich dabei oft durch charakteristische Pulse im
Röntgen- oder Radiobereich oder erscheinen als einfache Röntgenquellen. Bei
einer sorgfältigen Suche fanden die Astronomen allerdings keinerlei Hinweise auf
einen Neutronenstern und vermuten daher, dass bei der Explosion ein Schwarzes
Loch entstanden sein könnte.
"Es ist mehr ein Indizienbeweis, aber wir haben faszinierende Hinweise dafür
gefunden, dass durch die Supernova W49B ein Schwarzes Loch entstanden ist", so
Daniel Castro vom MIT. "Wenn das der Fall ist, haben wir hier die seltene
Gelegenheit, die Supernova zu untersuchen, durch die ein junges Schwarzes Loch
geschaffen wurde." Die Astronomen berichten über ihre Beobachtungen in der
aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.
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