Alle sechs Sekunden kollidieren Kometen
von Stefan Deiters astronews.com
12. November 2012
Jahrelang haben Astronomen gerätselt, wie sich die enormen
Gasmengen um den Stern 49 Ceti erklären lassen, die man bei Radio-Beobachtungen
im Jahr 1995 nachgewiesen hatte. Jetzt haben Wissenschaftler eine verblüffende
Erklärung vorgestellt: Um 49 Ceti könnten unzählige Kometen miteinander
kollidieren. Alle sechs Sekunden würde es dort zu einer Kollision kommen.
Könnte eine
massereiche, Kuipergürtel-ähnliche Region, wie in
dieser künstlerischen Darstellung gezeigt, die
große Menge an Gas um 49 Ceti erklären? Bild:
NASA / JPL-Caltech |
Um zahlreiche junge Sterne, also um Sonnen, die vor vielleicht einer Million
Jahren entstanden sind, haben Astronomen in den letzten Jahrzehnten Scheiben aus
Staub und Gas nachweisen können. Nach einigen Millionen Jahren, so die durch
zahlreiche Beobachtungen bestätigte Erwartung, löst sich das Gas um die jungen
Sterne auf und ist spätestens nach zehn Millionen Jahren vollständig
verschwunden.
Im Fall von 49 Ceti allerdings, einem rund 200 Lichtjahre entfernten Stern im
Sternbild Walfisch, ist das anders: Der Stern, der deutlich älter als zehn
Millionen Jahre alt sein dürfte, ist noch immer von einer großen Menge
Kohlenmonoxidgas umgeben, das eigentlich schon längst verschwunden sein sollte.
"Wir glauben inzwischen, dass 49 Ceti 40 Millionen Jahre alt ist und da stellt
sich natürlich die Frage, warum, um alles in der Welt, sich um diesen eigentlich
ganz normalen Stern eine so große Menge Gas befindet - trotz seines Alters",
beschreibt Benjamin Zuckerman von der University of California in Los
Angeles das Problem. "Dies ist der älteste uns bekannte Stern mit so viel
Gas."
Zuckerman hatte, zusammen mit zwei Kollegen, die großen Gasmengen um 49 Ceti im
Jahr 1995 bei Beobachtungen im Radiobereich aufgespürt. Bislang war es den
Forschern aber nicht gelungen, ihr Vorhandensein zu erklären. Jetzt glauben
Zuckerman und sein Kollege Inseok Song von der University of Georiga
eine Lösung des Rätsels gefunden zu haben: Sie vermuten, dass das Gas aus einem
extrem massereichen Kuipergürtel-ähnlichen Bereich stammt, in dem sich unzählige
Kometenkerne befinden.
Der Kuipergürtel des Sonnensystems beginnt jenseits der Neptunbahn. Das wohl
prominenteste Objekt dieser Region ist der Zwergplanet Pluto. Die Gesamtmasse
aller in diesem Bereich vermuteten Objekte schätzen die Astronomen etwa auf ein
Zehntel der Masse unserer Erde. Als unsere Heimatwelt entstand, vor rund 4,5
Milliarden Jahren, war der Kuipergürtel noch deutlich massereicher - vermutlich
lag seine Masse damals bei der 40-fachen Masse der Erde.
Für den Kuipergürtel um 49 Ceti vermuten Zuckerman und Song nun eine Masse, die
bei etwa 400 Erdmassen liegt. "Hunderte von Milliarden Kometen umrunden 49 Ceti",
so Zuckerman. "Man muss sich das vorstellen, Milliarden von Kometen, jeder mit
einem Durchmesser von über einem Kilometer, kreisen um 49 Ceti und kollidieren.
Diese jungen Kometen enthalten wahrscheinlich einen höheren Anteil von
Kohlenmonoxid als Kometen im Sonnensystem und wenn sie zusammenstoßen, kann das
Gas entweichen. Das Gas, was wir beobachten, ist also das Ergebnis von
unzähligen Kometenkollisionen."
Die Berechnungen der Astronomen ergaben, dass es um 49 Ceti alle sechs Sekunden
zu einer Kometenkollision kommen muss. "Ich war absolut fasziniert, als unsere
Berechnungen diese enorme Rate ergaben", so Zuckermann. "Das hätte ich mir nie
träumen lassen. Wir glauben, dass es zu diesen Kollisionen seit etwa zehn
Millionen Jahren kommt." Auch die große Gasmenge um einen weiteren Stern würde
sich, so die Forscher, auf diese Weise erklären lassen. Sie berichten über ihre
Untersuchung in einem Fachartikel in der Zeitschrift Astrophysical Journal.
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