Wachstum durch Verschlucken von Sternen?
von Stefan Deiters astronews.com
11. April 2012
In den Zentren der meisten Galaxien verbergen sich nach
Ansicht der Astronomen supermassereiche Schwarze Löcher mit der Millionen- bis
Milliardenfachen Masse unserer Sonne. Doch wie konnten diese Schwerkraftfallen
auf diese enorme Größe anwachsen? Amerikanische Astronomen lieferten nun eine
mögliche Antwort: Die Schwarzen Löcher verschlucken regelmäßig Sterne aus
Doppelsternsystemen.
Das
supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der
Milchstraße (unten links) kann Doppelsterne
trennen, einen Partner einfangen (blau) und den
anderen ins All katapultieren (gelb).
Bild: Ben Bromley, University of Utah |
Über die Ursachen für das Wachstum der supermassereichen Schwarzen Löcher,
die Astronomen in den Zentren der meisten Galaxien vermuten, gibt es mehrere
Theorien: So glauben manche, dass die gewaltigen Schwerkraftfallen bereits bei
ihrer Entstehung diese Größe hatten. Andere halten es hingegen für
wahrscheinlicher, dass die supermassereichen Schwarzen Löcher gewaltige
Gasmengen verschlungen haben und dadurch auf ihre heutige Größe angewachsen
sind. Auch die Verschmelzung von mehreren mittelgroßen Schwarzen Löchern - etwa
nach einer Galaxienkollision - wird als denkbares Szenario erwogen.
Eine neue Untersuchung von Astronomen der University of Utah und des
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) liefert nun eine
weitere Erklärung für das Wachstum der Schwerkraftfallen: Supermassereiche
Schwarze Löcher könnten wachsen, indem sie die Partner eines Doppelsternsystems
zunächst trennen, den einen Stern ins All katapultieren und den anderen dann
verschlingen. Der ins All geschleuderte Stern würde zu einem
Hochgeschwindigkeits-Stern, von denen man in den vergangenen Jahren tatsächlich
einige entdeckt hat. Erst kürzlich spekulierten Astronomen darüber, dass auf
diese Weise auch "Hochgeschwindigkeits-Planeten" entstehen könnten (astronews.com
berichtete).
"Schwarze Löcher sind sehr effiziente Esser", erläutert Scott Kenyon vom CfA.
"Sie können ihre Masse in weniger als einer Milliarde Jahre verdoppeln. Das mag
uns sehr langsam erscheinen, doch betrachtet man die gesamte Entwicklung einer
Galaxie, ist dies sehr schnell." Das Ergebnis der jetzt in der Fachzeitschrift
The Astrophysical Journal Letters vorgestellten Untersuchung fasst
Erstautor Benjamin Bromley von der University of Utah so zusammen: "Ich
glaube, dass wir hier den wichtigsten Prozess für das Wachstum supermassereicher
Schwarzer Löcher vor uns haben."
Mit ihrer Arbeit betrachten die Astronomen einen bislang offenbar
vernachlässigten Aspekt bei der Erforschung von Hochgeschwindigkeits-Sternen:
Wenn diese nämlich, wie allgemein angenommen wird, durch die Trennung von
Doppelsternsystemen in der Nähe des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum
von Galaxien entstehen, wird dabei nicht nur ein Stern ins All katapultiert,
sondern der andere gleichzeitig in einen engen Orbit um das Schwarze Loch
eingefangen. Dieser Stern dürfte dann - früher oder später - von der
Schwerkraftfalle verschluckt werden.
"Wir haben die Anzahl der beobachteten Hochgeschwindigkeits-Sterne mit
anderen Hinweisen kombiniert und so errechnen können, dass die sich ergebende
Rate der engen Begegnungen von Doppelsternsystemen mit dem supermassereichen
Schwarzen Loch der Milchstraße bedeuten würde, dass der größte Teil von dessen
Masse aus Doppelsternsystemen stammt", erläutert Bromley. "Auch für
supermassereiche Schwarze Löcher in anderen Galaxien haben wir diese
Wechselwirkungen abgeschätzt. Das Ergebnis ist, dass auch diese auf die gleiche
Weise um mehrere Milliarden Sonnenmassen anwachsen können." Astronomen vermuten,
dass ungefähr die Hälfte aller Sterne in Galaxien Teil eines Doppelsternsystems
sind.
Nach Berechnungen der Wissenschaftler muss sich die Masse des zentralen
Schwarzen Lochs der Milchstraße in den vergangenen fünf bis zehn Milliarden
Jahren durch das Verschlingen von Partnern von Doppelsternsystemen verdoppelt
bis vervierfacht haben. "Wenn wir uns Beobachtungen des Milchstraßenzentrums mit
seiner großen Ansammlung von Sternen anschauen, wird deutlich, dass es nicht
unwahrscheinlich ist, dass ein großer Teil der Masse des Schwarzen Lochs von
auseinandergerissenen Doppelsternsystemen stammt", so Bromley.
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