Doppelsternsystem gibt Einblick in Entstehung
von Stefan Deiters astronews.com
25. Mai 2009
Astronomen haben in rund 4.000 Lichtjahren Entfernung ein bislang einzigartiges Doppelsternsystem
entdeckt, bei dem es sich vermutlich um eine lange gesuchte Zwischenphase bei der Entstehung
von sogenannten Millisekunden-Pulsaren handelt. Diese rotierenden
Neutronensterne sind die sich am schnellsten um die eigene Achse drehenden Objekte im Universum.
Der
Neutronenstern (links) nimmt Material von einem
Begleiter auf, das sich in einer
Akkretionsscheibe um den Neutronenstern sammelt.
Bild: Bill Saxton, NRAO / AUI / NSF
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"Wir haben schon seit einiger Zeit geglaubt, dass wir wissen,
wie diese Pulsare ihre enorme Rotationsgeschwindigkeit bekommen und dieses
System sieht genau so aus, als könnten wir hier diesen Vorgang gerade
beobachten", freut sich Anne Archibald von der McGill University im kanadischen
Montreal. Pulsare sind Neutronensterne, also die kompakten Überreste einer
Supernova-Explosion, die sich am Ende des nuklearen Lebens eines massereichen
Sterns ereignet.
Die enormen Magnetfelder dieser Neutronensterne bündeln aber die durch sie
ausgesandte Radiostrahlung und auch die Strahlung im sichtbaren Bereich des
Lichtes in enge Strahlen. Wenn sie rotieren überstreichen diese Strahlen - ganz wie das Licht eines Leuchtfeuers - immer wieder in regelmäßigen Abständen
die selben Regionen im All. Die meisten Pulsare drehen sich einige Male bis
einige Dutzend Male pro Sekunde um die eigene Achse und werden über viele
Tausend Jahre allmählich langsamer.
Doch das ist noch gar nichts gegen die sogenannten Millisekunden-Pulsare, die
sich viele Hundert Mal pro Sekunde um die eigene Achse drehen. Astronomen
vermuten, dass diese enorme Rotationsrate nur erreicht wird, weil die
Neutronensterne einen Begleiter haben, von dem Material auf den Pulsar
überfließt und diesen so beschleunigt. Das Material, so die Theorie, würde sich
zunächst in einer dünnen Scheibe um den Pulsar sammeln, einer sogenannten Akkretionsscheibe. So lange es diese Scheibe gibt, sollte man im Radiobereich
keine Signale von dem Pulsar registrieren können. Diese sind erst wieder zu
beobachten, wenn kein Material mehr auf den Neutronenstern fällt.
Genau diesen Ablauf glauben Astronomen nun bei dem Pulsar J1023 in rund 4.000
Lichtjahren Entfernung beobachtet zu haben. Das Objekt, ein Milliekunden-Pulsar,
wurde 2007 mit dem Robert C. Byrd Green Bank-Radioteleskop (GBT) im Rahmen einer
Himmelsdurchmusterung entdeckt. Anschließend stellten die Wissenschaftler
dann fest, dass das Objekt bereits in einer Durchmusterung auftaucht, die
1998 mit Hilfe des Very Large Array-Radioteleskops gemacht wurde und auch 1999 im Rahmen des
Sloan Digital Sky Survey im sichtbaren Bereich des Lichts beobachtet wurde.
Danach handelt es sich um einen sonnenähnlichen Stern.
Als man im Jahr 2000 das Objekt wieder unter die Lupe nahm, hatte es sich
dramatisch verändert: Man fand Hinweise auf eine Akkretionsscheibe um den
Neutronenstern, die im Mai 2002 aber wieder verschwunden war. "Dieses
merkwürdige Verhalten hat die Astronomen sehr beschäftigt und es gab
verschiedene Theorien, um was es sich bei diesem Objekt handeln könnte",
erinnert sich Ingrid Stairs von der University of British Columbia. Im Jahr 2007
zeigten die Beobachtungen mit dem GBT dann, dass es sich um einen
Millisekunden-Pulsar handelt.
"Bei keinem anderen Millisekunden-Pulsar hat man zuvor Hinweise auf einen
Akkretionsscheibe gefunden", erläutert Archibald. "Wir kennen einen anderen Typ
von Doppelsternsystemen, so genannte Low-mass X-Ray Binaries (LMXB,
Röntgen-Doppelsterne mit niedriger Masse), die auch sich schnell rotierende
Neutronensternen enthalten, aber keine Radiostrahlung aussenden. Wir haben immer
angenommen, dass die LMXB vielleicht gerade beschleunigt werden und dann zu
einem späteren Zeitpunkt als Pulsar Radiowellen aussenden. J1023 passt genau als
Verbindungsglied zwischen die beiden bekannten Systeme."
"Es sieht ganz danach aus, dass dieses Objekt sich gewandelt hat. Es sah
zunächst wie ein LMXB aus und erscheint jetzt wie ein Pulsar. Dazwischen
gab es eine Phase, in der es Material von einem Begleitstern abgezogen hat, das
sich in einer Akkretionsscheibe um den Neutronenstern legte. Als der
Massentransfer aufhörte, verschwand die Scheibe und der Pulsar kam zum
Vorschein", erklärt Scott Ransom vom National Radio Astronomy Observatory.
Die Astronomen haben J1023 inzwischen mit ganz verschiedenen Radioteleskopen
untersucht. Bei dem Begleiter scheint es sich danach um einen Stern zu handeln,
der etwas weniger als die Hälfte der Masse unserer Sonne hat und den
Neutronenstern in vier Stunden und 45 Minuten umrundet. "Dieses System ist ein
einmaliges kosmisches Laboratorium, um die Entwicklung von
Millisekunden-Pulsaren zu studieren", meint Stairs. Die Forscher, die ihre
Ergebnisse in der vergangenen Woche in der Online-Ausgabe des Fachmagazins
Science veröffentlichten, glauben, dass weitere Beobachtungen des Systems im
Radiobereich und anderen Wellenlängenbereichen noch einige Überraschungen
liefern werden.
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