Kosmisches Henne-Ei-Problem gelöst?
von Stefan Deiters astronews.com
8. Januar 2009
Was war zuerst da: die Galaxien oder die supermassereichen
Schwarzen Löcher, die man im Zentrum der meisten Systeme heute findet? Lange
Zeit haben die Astronomen über dieses kosmische Henne-Ei-Problem gerätselt, nun
könnte eine Antwort in greifbare Nähe gerückt sein. Vermutlich, so ergaben neue
Beobachtungen, waren die Schwarzen Löcher zuerst da.
VLA-Bild einer Galaxie, die wir zu einer Zeit
sehen, als das Universum erst 870 Millionen Jahre
alt war.
Bild:
NRAO/AUI/NSF |
"Es sieht ganz danach aus, dass die Schwarzen Löcher zuerst da
waren. Es gibt immer mehr Hinweise darauf", fasst Chris Carilli vom National
Radio Astronomy Observatory (NRAO) den aktuellen Forschungsstand zusammen,
der auf jüngsten Beobachtungen von Galaxien basiert, die schon in den ersten
Milliarden Jahren in der Geschichte des Universums existierten. Carilli
präsentierte seine Schlussfolgerungen jetzt auf der Tagung der Amerikanischen
Astronomischen Gesellschaft im kalifornischen Long Beach.
Schon länger war den Astronomen aufgefallen, dass es einen Zusammenhang
zwischen der Masse der supermassereichen Schwarzen Löcher in den Zentren von
Galaxien und der Masse der sie umgebenden sogenannten Bulges - einer Ansammlung
von Gas und Sternen - geben muss. Das Verhältnis der Bulge- und Schwarze
Loch-Massen erwies sich als nahezu konstant für ganz unterschiedlich alte und
auch verschieden große Galaxien. Immer hatte das zentrale Schwarze Loch etwa ein
Tausendstel der Masse des ihn umgebenden Bulges.
"Dieses konstante Verhältnis ist ein starker Hinweis darauf, dass sich das
Wachstum des Bulges und des Schwarzen Lochs im Zentrum durch irgendeinen
Mechanismus beeinflussen", erklärt Dominik Riechers vom California Institute
of Technology die Bedeutung dieses Sachverhalts. "Die große Frage war aber
immer, ob der Bulge vor dem Schwarzen Loch wächst oder umkehrt oder ob beide
zusammen wachsen und das Verhältnis während des gesamten Wachstumsprozesses
erhalten bleibt."
In den vergangenen Jahren haben Astronomen nun versucht mehr über die
Galaxien im ganz jungen Universum zu erfahren. Das Universum hat nach dem
heutigen Forschungsstand ein Alter von etwa 13,7 Milliarden Jahren. Für ihre
Beobachtungen nutze die Gruppe um Carilli das Radioteleskop Very Large Array
und das Plateau de Bure-Interferometer in Frankreich.
"Wir konnten jetzt endlich die Masse von Schwarzen Löchern und galaktischen
Bulges in Galaxien messen, die wir in den ersten Milliarden Jahren nach dem
Urknall sehen", berichtet Fabian Walter vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie in Bonn. "Und es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass das
konstante Verhältnis, das man bei nahen Galaxien beobachtet hat, nicht im frühen
Universum gilt. Die Schwarzen Löcher in diesen jungen Galaxien sind im Vergleich
zu den sie umgebenden Bulges erheblich massereicher als die im näheren
Universum. Das deutet darauf hin, dass die Schwarzen Löcher zuerst gewachsen
sind."
Doch dies erklärt noch nicht, wie das Wachstum der Schwarzen Löcher auch das
Wachstum der Bulges beeinflusst. "Wir wissen nicht, durch welchen Mechanismus
dies passiert und warum es dadurch, zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu diesem
Standardverhältnis zwischen den Massen kommt", so Riechers. Mit neuen
Radioteleskopen wie dem Expanded Very Large Array oder dem Atacama
Millimeter/submillimeter Array (ALMA) hoffen die Astronomen aber die fernen
Galaxien bald so gut beobachten zu können, dass auch detaillierte Studien über
die Dynamik im Inneren möglich werden.
"Um zu verstehen, wie das Universum zu dem wurde, was es heute ist, müssen
wir verstehen, wie die ersten Sterne und Galaxien entstanden sind als das
Universum noch sehr jung war", so Carilli. "Mit den neuen Teleskopen, die uns
bald zur Verfügung stehen werden, können wir wichtige Dinge über die Zeit
lernen, in der unser Universum noch ein Säugling war."
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