SCHWARZE LÖCHER
Symbiose mit Wirts-Galaxie
entdeckt
Redaktion
astronews.com
17. Juli 2003
Nach Auswertung der Daten von mehr als 120.000 Galaxien steht für ein
deutsch-amerikanisches Forscherteam fest: Entstehung und Wachstum
supermassereicher Schwarzer Löcher ist immer eng mit dem Anwachsen ihrer
Wirts-Galaxien verbunden. Ob nun allerdings zuerst das Schwarze Loch und
dann die Galaxie existiert hat, können die Forscher, die ihre Resultate
gestern auf der diesjährigen Hauptversammlung der Internationalen
Astronomischen Union in Sydney präsentierten, nicht beantworten: Dies sei
wie die Frage nach der Henne und dem Ei.
Hubble-Aufnahme der nahen Galaxie NGC 7742.
Im Zentrum dieser Galaxie befindet sich ein Schwarzes Loch. Der
gelbe "Dotter" in der Bildmitte ist der Kern der Galaxie, der
umgebende klumpige Ring das Gebiet reger Sternentstehung. Um
diesen Ring wiederum ist ein diffuses Materieband zu sehen, das
vermutlich von einer früheren Brutstätte von Sternen übrig
geblieben ist. Foto: Hubble Heritage Team / NASA |
Eine der bemerkenswertesten Entdeckungen der letzten Jahre war die
Erkenntnis, dass jede große Galaxie in unserem Universum in ihrem Zentrum ein
massereiches Schwarzes Loch beherbergt, mehrere Millionen mal schwerer als die
Sonne. Diese Schwarzen Löcher sind aktiv und dadurch sichtbar, solange neue
Materie in sie hineinfällt. Zudem ist in den letzten Jahren klar geworden, dass
zwischen der Masse eines Schwarzen Lochs und der der Galaxie, in die es
eingebettet ist, ein enger Zusammenhang besteht. Die Entstehung eines Schwarzen
Lochs muss also eng mit der seiner Galaxie verbunden sein. Doch bisher fehlte in
diesem Puzzle das Kernstück, nämlich worin diese Verbindung tatsächlich besteht:
Kontrolliert das Schwarze Loch das Anwachsen seiner Muttergalaxie, oder bremst
umgekehrt die Galaxie das Wachstum des Schwarzen Lochs? Oder wachsen etwa
Schwarzes Loch und Galaxie gemeinsam in einer Art symbiotischen Beziehung? Eine
Antwort auf diese Fragen war nur durch die sorgfältige Analyse einer sehr großen
Zahl von Galaxien zu finden.
Zudem weiß man heute, dass Schwarze Löcher bei ihrem Wachstum gewaltige
Mengen an Energie freisetzen. In extremen Fällen überstrahlen sie dabei sogar
ihre Muttergalaxie und bilden einen so genannten Quasar. Diese Quasaraktivität
und das Wachstum der Schwarzen Löcher war besonders intensiv, als das Universum
erst zwischen einem Zehntel und einem Drittel seines heutigen Alters erreicht
hatte. Doch auch heute noch ist das Anwachsen Schwarzer Löcher in Galaxienkernen
durch die charakteristische Strahlung einfallender Materie nachweisbar.
Die Forscher um Guinevere Kauffmann vom Max-Planck-Institut für Astrophysik
und Timothy Heckman von der Johns Hopkins University haben nun die Daten
des Sloan Digital Sky Survey, einer neuartigen Bestandsaufnahme des nahen
Universums, dazu genutzt, um das Anwachsen Schwarzer Löcher und ihrer Galaxien
in unserer kosmischen Nachbarschaft zu untersuchen. Bei der Auswertung der Daten
von mehr als 120.000 Galaxien fanden die Forscher in den Spektren von mehr als
20.000 davon charakteristische Merkmale für das Anwachsen der eingebetteten
Schwarzen Löcher. Bei diesen Galaxien handelte es sich fast ausschließlich um
massereiche Sternsysteme, deren Struktur und Sterninhalt gewöhnlichen
elliptischen Galaxien gleicht, mit dem entscheidenden Unterschied, dass
überraschend viele junge Sterne im Inneren der Galaxie nachweisbar sind.
Zugleich stellten die Wissenschaftler fest, dass in den Galaxien mit stark
wachsenden Schwarzen Löchern auch eine beträchtliche Zahl an neuen Sternen
entstanden ist. Die Beobachtungen zeigten einen direkten Zusammenhang: Je
schneller das Wachstum des Schwarzen Lochs, desto größer der Anteil junger
Sterne in der Galaxie. Beide - das Schwarze Loch wie die Galaxie - wachsen also
zusammen. In Extremfällen, wenn die Masse des Schwarzen Lochs fast so schnell
wie in hellen Quasaren zunimmt, ist die betroffene Galaxie von jungen Sternen
dominiert.
Damit ist es den Wissenschaftlern gelungen, erstmals eindeutig nachzuweisen,
dass die Masse der Sterne in einer Galaxie und die Masse ihres Schwarzen Lochs
immer gemeinsam wachsen. "Wir haben für diesen Befund noch kein gutes
theoretisches Verständnis" sagt Simon White, Direktor am Max-Planck-Institut für
Astrophysik. "Im Moment scheint es so, als könnte man bei Schwarzen Löchern und
Galaxien, wie bei der Frage nach der Henne und dem Ei, nicht sagen, wer zuerst
kam. Jeder ist notwendig für den anderen." Und er fügt hinzu: "Nur weitere
theoretische Arbeiten und zusätzliche Beobachtungen können diese These
überzeugend bestätigen."
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