Suche nach der fossilen Strahlung im All
Redaktion / idw / RUB
astronews.com
24. April 2006
Mit
Hilfe der europäischen H.E.S.S.-Teleskope in Namibia ist es erstmals gelungen,
Photonengammastrahlung von zwei weit entfernten Quasaren nachzuweisen. Damit
scheint das All für Gammastrahlung durchlässiger zu sein, als bislang
angenommen. Sollten die Forscher Gammastrahlung auch von noch weiter entfernten
Quasaren aufspüren, gerieten einige Theorien der Physiker ins Wanken.
Die H.E.S.S.-Teleskope in Namibia. Bild:
Max-Planck-Institut für Kernphysik |
Das europäische H.E.S.S.-Experiment aus Gammastrahlen-Teleskopen in Namibia
hat zum ersten Mal hochenergetische Photonengammastrahlung von zwei weit
entfernten Quasaren nachgewiesen. "Es ist eine Überraschung, dass diese Objekte
mit dem H.E.S.S.-Experiment nachgewiesen wurden. Hochenergetische Photonen
werden nämlich auf ihrem Weg durch den intergalaktischen Raum mit den dort
vorhandenen Infrarot-Photonen von frühen Sternen und Galaxien durch
Photon-Photon-Vernichtung absorbiert", erklärt Prof. Reinhard Schlickeiser vom
Lehrstuhl für Weltraum- und Astrophysik der Ruhr-Universität in Bochum. Das All
ist für Gammastrahlen also durchlässiger als bisher angenommen, was bedeutet,
dass die Obergrenze des im All vorhandenen Lichts geringer sein muss als
geschätzt. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe
des Wissenschaftsmagazins Nature.
Alle Objekte im Universum senden Licht aus, das sich gleichmäßig im
intergalaktischen Raum verteilt. Die direkte Bestimmung der Menge dieses Lichts
ist schwierig, weil es von anderen Quellen überstrahlt wird, etwa unserem
Sonnensystem und der Milchstraße. Um dem "fossilen Licht" auf die Spur zu
kommen, nutzen die Forscher einen anderen Weg: Sie messen die Gammastrahlung,
die von weit entfernten Objekten auf der Erde ankommt; sie gibt Aufschluss
darüber, wie viel Licht sie auf ihrem Weg begegnet ist.
Eine Quelle für hochenergetische Gammastrahlung sind Quasare, kompakte,
leuchtkräftige Objekte, deren Entfernung die Astrophysiker aus der Verschiebung
ihrer optischen Emissionslinien hin zu längeren Wellenlängen, also in den
"roten" Wellenlängenbereich berechnen: Diese Verschiebung wächst proportional
zum Abstand. Die relativ hohen Werte der Rotverschiebung der beiden Quasare H
2356-309 (Rotverschiebung z=0,165) und 1ES 1101-232 (Rotverschiebung z =0,185)
zeigen, dass sie sich weit entfernt am Rand unseres Universums befinden.
Dass die Gammastrahlung aus Quellen in dieser Entfernung noch messbar ist,
ist für die Forscher überraschend: Bei Zusammenstößen von hochenergetischen
Photonen aus Quasaren mit Photonen aus anderen Quellen im intergalaktischen Raum
bilden sich Photon-Photon-Paare - die Strahlung wird dabei vernichtet. Die
Energie der in den beiden Quasaren erzeugten Photonen ist aber hoch genug, um
bei Zusammenstößen mit den niederenergetischen Infrarot-Photonen
Elektron-Positron-Paare zu produzieren, wie von Einstein vorhergesagt. "Die
Energiedichte der diffusen extragalaktischen Infrarot-Hintergrundsstrahlung muss
um mindestens einen Faktor 10 kleiner sein als bisher geschätzt", folgert Prof.
Schlickeiser.
"Noch sind unsere Ergebnisse mir der uns bekannten Physik im Einklang.
Sollten wir mit dem H.E.S.S.-Experiment noch weiter entfernte kosmologische
Objekte mit größerer Rotverschiebung nachweisen, wird es allerdings kritisch",
stellt der Astrophysiker fest. "Dann müssen wir uns ernsthaft Gedanken über
mögliche Modifizierungen unserer physikalischen Gesetze über Materie und
Strahlung bei hohen Energien machen." Mögliche Modifizierungen könnten die
Verletzung der Lorentz-Invarianz der speziellen Relativitätstheorie bei
TeV-Energien oder einen nicht-kosmologischen Ursprung der Quasar-Rotverschiebung
betreffen. Noch ist es verfrüht, solche radikalen Revisionen der physikalischen
Gesetze einzufordern; die schiere Möglichkeit zeigt jedoch das enorme Potential
der H.E.S.S.-Beobachtungen.
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