87 Sylvia umkreisen zwei Monde
von Ulrich Knittel
für
astronews.com
22. August 2005
Asteroiden mit einem Mond oder Doppel-Asteroiden sind seit einigen Jahren nichts
Besonderes mehr. Jetzt fand ein Astronomenteam mit Hilfe des Very Large
Telescopes der ESO einen Asteroiden mit gleich zwei Monden: 87 Sylvia. Der
Asteroid Sylvia selbst scheint allerdings nicht viel mehr als ein loser Haufen
aus Eistrümmern zu sein. Ein Hinweis auf die Entstehung des Systems?
Die Bahn der beiden Monde um den Kleinplaneten 87 Sylvia.
Bild:
ESO
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So stellt sich ein Künstler Sylvia mit den beiden Monden vor.
Bild: ESO |
Zwischen den Planeten Mars und Jupiter umkreisen Tausende von kleinen
Himmelskörpern, die so genannten Asteroiden, unsere Sonne. Den ersten und mit
einem Durchmesser von knapp 1.000 Kilometern größten Asteroiden, Ceres,
entdeckte der italienische Astronom Giuseppe Piazzi im Jahre 1801.
Als 1866 der 87. Asteroid, Sylvia, vom Government Astronomer Norman R. Pogson in
Madras (Indien) entdeckt wurde, war das Auffinden von Asteroiden längst Routine
und erregte sicherlich kaum Aufsehen.
Doch nun rückt dieser Asteroid in den
Mittelpunkt des Interesses. Denn Mitte August dieses Jahres berichteten die
Astronomen Franck Marchis, der an der University of California in
Berkeley arbeitet und seine Kollegen Pascal Descamps, Daniel Hestroffer und
Jerome Berthier vom Observatoire de Paris in der Zeitschrift Nature,
dass dieser Asteroid von zwei kleinen Monden umkreist wird.
Die Entdeckung kam nicht ganz unerwartet, hatte doch die Raumsonde Galileo
1993 auf ihrem Weg zum Jupiter Fotos des Asteroiden Ida gemacht, auf denen ein
kleiner Mond, inzwischen Dactyl genannt, zu erkennen war. Seitdem wurden rund
sechzig Asteroiden mit Monden beziehungsweise Doppel-Asteroiden - also zwei
Asteroiden ungefähr gleicher Größe, die einander umkreisen - gefunden.
"Da
Doppel-Asteroiden offenbar nicht selten sind, hatte man schon seit einiger Zeit
nach multiplen Systemen gefahndet" erläutert Marchis. "Solche multiplen Systeme
könnten nach Kollisionen entstehen, bei denen Asteroiden zerbrechen. Die
Bruchstücke könnten wieder zusammendriften und gleichsam als Trümmerhaufen um
die Sonne kreisen. Einige der bei der Kollision entstandenen Bruchstücke könnten
dabei als Monde im Orbit um den Zentralkörper verbleiben".
Von Sylvia war schon seit 2001 bekannt, dass der Asteroid einen Begleiter
hat. Doch als das Astronomenteams das System 27 mal innerhalb von zwei Monaten
beobachtete, fand es auf einigen Aufnahmen nicht nur einen, sondern zwei
Begleiter. Sylvia war also das erste Dreifach-System im Asteroidengürtel.
Durch
die Bestimmung des Orbits der Monde konnten die Astronomen auch die Masse und
Dichte des Asteroiden bestimmen. Die Dichte ist nur 20 Prozent größer als die
von Wasser, der Asteroid scheint also mehr oder weniger ein Trümmerhaufen aus
Eisbrocken zu sein: "Er könnte zu bis zu 60 Prozent aus leerem Raum zwischen den
Trümmerbruchstücken bestehen" meint Daniel Hestroffer, einer der Entdecker des
Systems.
Da 87 Sylvia nach Rhea Sylvia, der mythologischen Mutter der Gründer Roms
benannte wurde, schlugen die Entdecker der Monde die Namen Romulus und Remus für
die neu entdeckten Himmelskörper vor. Die beiden Monde umkreisen 87 Sylvia auf
nahezu kreisförmigen Bahnen; Remus mit einen mittleren Abstand von 710
Kilometern und Romulus mit einem mittleren Abstand von 1360 Kilometern. Remus,
der kleinere der Monde, hat einen Durchmesser von 7 Kilometern, Romulus einen
von 18 Kilometern. Letzterer war schon 2001 von Mike Brown and Jean-Luc Margot
entdeckt worden.
87 Sylvia hat einen Durchmesser von 280 Kilometern und gehört damit zu den
großen Asteroiden. Für einen Umlauf um Sylvia brauchen die Monde 33 bzw. 88
Stunden. Die Entdeckung wurde mit Yepun, einem der 8.2-m Teleskope des
Very Large Telescope in Cerro Paranal (Chile) unter Einsatz adaptiver Optik
gemacht. Die Beobachtung erfolgte im Infraroten.
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