Auf der Suche nach Relikten des Urknalls
Redaktion
astronews.com
19. April 2005
Woraus
besteht das Universum, wie sehen die kleinsten Teilchen aus und was ist die
Dunkle Materie? Einen Beitrag zu diesen Fragestellungen versuchen derzeit
deutsche Physiker am CERN in Genf zu leisten. Sie suchen dort nach Axionen,
Relikten des Urknalls, die sich bis heute in der Dunklen Materie erhalten haben
könnten. Bislang allerdings ohne Erfolg.
Seitenansicht des von den Max-Planck-Instituten für Physik und
für extraterrestrische Physik betriebenen Röntgenteleskops.
Foto: Max-Planck-Institut für Physik / Kotthaus |
Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Physik in München und für
extraterrestrische Physik in Garching suchen am Europäischen Forschungszentrum
CERN in Genf im Rahmen des internationalen Experiments CAST (CERN Axion Solar
Telescope) nach Axionen. Diese theoretisch vorhergesagten, elektrisch
neutralen Elementarteilchen könnten als Relikte des Urknalls bis heute in der
rätselhaften Dunklen Materie, die den Forschern zur theoretischen Erklärung von
Masseverteilungen und Bewegungen im Universum dient, überlebt haben.
Bis jetzt ist die Existenz von Axionen im Weltall nur eine theoretische
Vermutung. Doch die elektrisch neutralen Elementarteilchen könnten helfen, ein
Rätsel zu lösen, das das Neutron, der elektrisch neutrale Baustein der
Atomkerne, den Physikern aufgibt. Das Neutron besteht aus positiv und negativ
geladenen Quarks und zeigt im Experiment auch eine messbare räumliche Verteilung
seiner Ladung. Dabei fallen die positiven und negativen Ladungsschwerpunkte
exakt aufeinander, sodass das elektrische Dipolmoment verschwindet. Dies
Verhalten ist im Rahmen der gängigen Theorie der Kernkräfte bis heute nicht
verstanden.
Doch die Suche nach den Elementarteilchen gestaltet sich schwierig. Denn die
Axionen, wie sie die Physiker jetzt im CAST-Experiment suchen, reagieren kaum
mit herkömmlicher Materie. Man spricht daher auch vom "unsichtbaren Axion". Die
Physiker vermuten, dass Axionen sehr langlebig sind und deshalb als Relikt des
Urknalls bis heute in der rätselhaften "Dunklen Materie" überlebt haben könnten.
Falls es Axionen gibt, könnte die Sonne eine sehr starke Quelle für sie sein. In
ihrem 17 Millionen Grad heißen Inneren könnten Photonen zu Axionen konvertieren.
Diese solaren Axionen gelangen - wie die Sonnenneutrinos - ungehindert zur Erde
und könnten hier durch Umkehrung des Erzeugungsprozesses in der Sonne in einem
starken Magnetfeld in nachweisbare Röntgenstrahlung zurückverwandelt werden.
Mit ihren Experimenten am CERN wollen die Forscher nun diese Röntgenstrahlung,
die womöglich durch die Axionen hervorgerufen wird, aus der gesamten
Röntgenstrahlung, die die Detektoren im CAST-Experiment aus anderen Quellen wie
der Höhenstrahlung oder der Gammastrahlung der Umgebung erreicht, herausfiltern.
Dazu betreibt die CAST-Kollaboration seit dem Jahr 2003 am CERN ein
hochempfindliches magnetisches Helioskop für den Axion-Nachweis. Das Helioskop
ist schwenkbar montiert und folgt der Sonne täglich für jeweils etwa 90 Minuten
während des Sonnenauf- und -untergangs. Während der restlichen Zeit zeichnen die
drei unabhängigen Nachweissysteme von CAST Hintergrunddaten auf.
Dieser Detektor
wurde zu großen Teilen aus Instrumenten aus anderen Anwendungen aufgebaut. Das
erforderliche starke Magnetfeld (neun Tesla) wird von einem zehn Meter langen
supraleitenden Magneten erzeugt, der als Prototyp für die Ablenkmagnete des
künftigen Protonen-Beschleunigers LHC (Large Hadron Collider) am CERN
gedient hatte. Der Beitrag der beiden Max-Planck-Institute ist ein
fokussierendes Teleskop für Röntgenstrahlung, das für eine Satellitenmission in
der Röntgen-Astrophysik entwickelt wurde.
Durch streifende Reflexion an
ineinander geschachtelten Spiegelflächen wird die aus Richtung der Sonne durch
die Magnetöffnung austretende Röntgenstrahlung auf einen wenige Quadratmillimeter
kleinen Brennfleck fokussiert. Zum Nachweis der Röntgenstrahlung dient ein am
Halbleiterlabor der MPG entwickelter CCD-Detektor hoher Auflösung und
Nachweiseffizienz. Der gleiche Detektor ist bereits seit einigen Jahren in der
Röntgen-Satellitenmission XMM-Newton erfolgreich im Einsatz.
Erste Ergebnisse der Messungen aus dem Jahre 2003 haben die Physiker bereits
veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen kein Signal für solare Axionen, das aus
der Röntgenstrahlung herausgefiltert werden konnte. Doch mit ihren Experimenten
können die Wissenschaftler bereits angeben, wie groß die Wahrscheinlichkeit für
die Umwandlung von Photonen in Axionen in der Sonne und deren Umkehrung in
unserem Magneten höchstens sein kann. Diese Wahrscheinlichkeit wird durch die
"Kopplungsstärke" beschrieben.
Auch für die Lebensdauer von sehr alten Sternen könnte die Existenz von Axionen
eine wichtige Rolle spielen: Falls es die Elementarteilchen nämlich gibt und in
einem Stern, etwa wie der Sonne, produziert werden, verlassen sie diesen wegen
ihrer geringen Wechselwirkung mit der Sternmaterie ungehindert. Das führt zu
einem zusätzlichen Energieverlust, und die Lebensdauer des Sterns würde
verringert. Aus der Tatsache, dass sehr alte Sterne existieren, kann wieder eine
Obergrenze für die "Kopplungsstärke" gewonnen werden.
In weiteren Experimenten wird die CAST-Kollaboration ab Ende diesen Jahres die
Suche nach solaren Axionen zu größeren Massen hin ausdehnen. Hier besteht
aufgrund der hohen Nachweisempfindlichkeit des CAST-Experiments die Möglichkeit,
Vorhersagen theoretischer Modelle für die Stärke der Wechselwirkung des Axions
zu überprüfen, und die Hoffnung, dieses für die fundamentalen Fragen der
Kernkräfte und der Natur der "Dunklen Materie" so bedeutsame Teilchen doch noch
aufzuspüren.
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