Eine Marssonde abgestürzt, eine weitere meldet sich
nicht, Shuttlestarts um Monate verschoben: Für die amerikanische
Weltraumbehörde NASA lief in diesem Jahr so manches schief. Am
Freitag müssen nun die Europäer gleich zweimal beweisen, dass sie
es besser können: Beim ersten kommerziellen Flug einer Ariane 5
-Rakete soll mit XMM das leistungsfähigste Röntgenteleskop der
Welt in eine Erdumlaufbahn gebracht werden.
Das europäische Röntgenteleskop XMM im Orbit. Darstellung:
D. Ducros (ESA) |
XMM - das steht für X-Ray Multi Mirror - ist Europas größter
Wissenschaftssatellit. Und seit die NASA im Juli ihr Röntgenteleskop Chandra
erfolgreich ausgesetzt hat, warten auch europäische Astronomen gespannt
auf die ersten Aufnahmen von XMM. Wie Chandra nämlich soll
dieses hochempfindliche Röntgenteleskop nach unbekannten Himmelskörpern suchen und sie erforschen.
Mit drei Spiegelsystemen und insgesamt 174 Spiegelzylindern kann das fast
elf Meter lange und rund vier Tonnen schwere Teleskop - der leistungsstärkste
Röntgensatellit der Welt - auch noch extrem schwache Röntgenstrahlung
identifizieren und so in bisher unerreichte Regionen des Weltalls
vordringen. Hier unterscheidet sich XMM auch von Chandra:
Das amerikanische Pendant nämlich verfügt nur über ein
Teleskop mit vier Spiegeln und ist dadurch weniger empfindlich. Dafür hat
Chandra eine zehnmal höhere Sehschärfe und kann daher
wesentlich feinere Strukturen identifizieren.
Genau wie Chandra soll XMM die Erde auf einer extrem
elliptischen Bahn umkreisen: So ist das Teleskop während seines
zweitägigen Umlaufs einmal nur 7000 Kilometer von der Erdoberfläche
entfernt, erreicht aber auch - an seinem fernsten Punkt - einen Abstand
von 114.000 Kilometern. Durch diese Bahn soll erreicht werden, dass sich
das Teleskop möglichst lange außerhalb des Einflusses der Erdatmosphäre
befindet, die normalerweise die Röntgenstrahlung herausfiltert. Auf diese
Weise wird es auch möglich nach schwachen Röntgenquellen in den Tiefen
des Alls zu suchen.
XMM besteht aus drei parallel ausgerichteten Teleskopen, deren Spiegel
das Röntgenlicht jeweils auf einen 7,5 Meter entfernten elektronischen
Detektor abbilden. Die drei Spiegelmodule haben eine Gesamtspiegelfläche
von über 120 Quadratmetern - das entspricht etwa der Größe eines
Tennisplatzes. Die Röntgenkameras werden ergänzt durch spektroskopische
Instrumente und ein 30-Zentimeter-Teleskop, das simultan im optischen und
nahen ultravioletten Bereich beobachtet. Dadurch erhalten die Astronomen
zusätzliche Informationen über die Röntgenquelle, die sie gerade
beobachten. Ein 30-Zentimeter-Teleskop bringt im Weltraum in etwa die
Leistung, die man auf der Erde von einem 4-Meter-Teleskop erwartet.
Durch XMM erhoffen sich die Astronomen neue Einblick in eine ganze
Reihe von kosmischen Objekten: So sollen Überresten von Supernovae, also
gewaltigen Sternenexplosionen, untersucht werden, Schwarze Löcher,
exotische Sterne und entfernte Galaxien und Quasare. XMM soll dabei auch
Hinweise liefern, wie genau die Galaxien entstehen konnten und sich dann
selbst in riesigen Galaxienhaufen sammelten.
Die Kosten für die XMM-Mission belaufen sich auf rund 1,25 Milliarden
Mark, wobei rund ein Viertel durch den deutschen ESA-Anteil gedeckt wird.
Hinzu kommen etwa 44 Millionen Mark aus dem nationalen deutschen
Raumfahrthaushalt für wissenschaftliche Instrumente und Auswertung. Die
Dauer der Mission ist vorerst auf 27 Monate veranschlagt, sie kann aber
bei fehlerfreiem Betrieb des Teleskops auf rund zehn Jahre verlängert
werden.
Viele deutsche Institute und Firmen haben erheblichen Anteil an der
Entwicklung von XMM, das somit auch die Nachfolge des erfolgreichen -
1990 gestarteten - deutschen Röntgensatelliten Rosat antreten wird.
Ursprünglich sollte Rosat zwei Jahre lang den Himmel nach Röntgenquellen
absuchen. Er war aber schließlich acht Jahre im Einsatz und machte dabei
über 60.000 Aufnahmen von Sternen, Supernova-Überresten, galaktischen
Nebeln, Galaxien und Quasaren. Im Februar 1999 führte der Satellit seine
letzten Messungen durch. In der über achtjährigen Betriebszeit entdeckte
Rosat über 120.000 Röntgenquellen, die vor seinem Start noch
unbekannt waren. XMM muss sich also anstrengen, um ein ein würdiger
Nachfolger
zu werden.
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XMM,
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