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Detaillierter Blick auf 51 Trümmerscheiben in fernen Planetensystemen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
9. Dezember 2025
Ein internationales Forschungsteam hat jetzt eine Galerie
mit Bildern von 51 Trümmerscheiben in extrasolaren Planetensystemen vorgestellt,
die mit dem Instrument SPHERE am Very Large Telescope der ESO gewonnen
wurden. Die Bilder erlauben einen Einblick in die Geschichte unseres
Sonnensystems und verraten zudem, in welchen Systemen sich noch unentdeckte
Planeten verbergen könnten.

SPHERE-Galerie mit Bildern von
Trümmerscheiben (Auswahl). Der Zentralstern ist
ausgeblendet, und das Licht der Staubteilchen ist
reflektiertes Sternenlicht.
Bild: N. Engler et al. / SPHERE
Consortium / ESO [Großansicht] |
Es ist eine eindrucksvolle Galerie von Trümmerscheiben in extrasolaren
Planetensystemen, die ein internationalen Forschungsteam jetzt vorgestellt hat:
Sie umfasst 51 schwierig zu beobachtende Objekte, die mit dem Instrument SPHERE
am Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO ins Visier
genommen und von denen so detailreiche Bilder erstellt werden konnten. "Dieser
Datensatz ist ein astronomischer Schatz", so Gaël Chauvin vom
Max-Planck-Institut für Astronomie, Projektwissenschaftler des
SPHERE-Instruments. "Er bietet außergewöhnliche Einblicke in die Eigenschaften
von Trümmerscheiben und ermöglicht Rückschlüsse auf kleinere Körper wie
Asteroiden und Kometen in diesen Systemen, die auf direktem Wege nicht zu
beobachten sind."
In unserem eigenen Sonnensystem gibt es neben der Sonne, den Planeten und
Zwergplaneten wie Pluto eine Vielzahl sogenannter Kleinkörper. Besonders
interessant sind dabei Objekte mit Durchmessern zwischen rund einem und mehreren
hunderten Kilometern. Es handelt sich dabei um Kometen - wenn sie, zumindest
gelegentlich, Gas und Staub verlieren und dadurch charakteristische sichtbare
Strukturen wie einen Schweif bilden - und Asteroiden, wenn sie dies nicht tun.
Die Kleinkörper erlauben der Astronomie Einblicke in die früheste Geschichte des
Sonnensystems, als sich aus Staubkörnern vollwertige Planeten bildeten. Eine
Übergangsstufe dabei waren sogenannte Planetesimale. Asteroiden und Kometen sind
Überreste dieser Entwicklung: Planetesimale, die es nicht geschafft haben, sich
zu größeren Planeten zu entwickeln. Kleinkörper sind damit Überbleibsel des
Baumaterials für Planeten wie unsere Erde.
Aktuell kennt die Astronomie mehr als 6000 Exoplaneten, also Planeten, die
andere Sterne umkreisen als die Sonne. Das zeichnet ein spannendes Bild von der
Vielfalt der Planeten im Universum, und vom Platz unseres eigenen Sonnensystems
im Gesamtbild. Tatsächlich Bilder von solchen Exoplaneten zu machen ist
allerdings sehr schwierig. Derzeit gibt es Abbildungen von weniger als 100
Exoplaneten, und selbst große Planeten erscheinen auf jenen Bildern als
strukturlose, kleine Flecken. "Es scheint schlichtweg unmöglich, anhand von
Bildern direkte Hinweise auf Kleinkörper in einem fernen Planetensystem zu
finden. Und auch die indirekten Methoden zum Nachweis von Exoplaneten sind keine
Hilfe", sagt Dr. Julien Milli, Astronom an der Universität Grenoble Alpes.
Einen Ausweg, doch noch Informationen über solche fernen Kleinkörper zu
erlangen, kommt ironischerweise von noch deutlich kleineren Objekten.
Insbesondere in jüngeren Planetensystemen kollidieren Planetesimale regelmäßig
miteinander. Manchmal schließen sie sich dabei zu einem größeren Körper
zusammen, manchmal fliegen sie auch als eigenständige Objekte weiter. Bei den
Kollisionen entstehe große Mengen an neuem Staub, und dieser Staub kann mit
geeigneten Instrumenten auch über große Entfernungen hinweg beobachtet werden:
Zerlegt man ein Objekt in kleinere Bestandteile, bleibt das Gesamtvolumen
gleich, aber die Gesamtoberfläche nimmt zu. Teilt man einen Asteroiden mit einem
Durchmesser von einem Kilometer in Staubkörner mit einem Durchmesser von je
einem Mikrometer (= Millionstel Meter), vergrößert sich die Gesamtoberfläche um
das Milliardenfache! Das ist ein wesentlicher Grund, warum es möglich ist,
Trümmerscheiben um junge Sterne anhand des von ihnen reflektierten Sternenlichts
zu beobachten. Aus den Staub-Beobachtungen lassen sich dann wiederum
Rückschlüsse auf die Kleinkörper des Planetensystems ziehen.
Im Laufe der Zeit wird so eine Trümmerscheibe immer unscheinbarer: Immer mehr
Staub wird durch Strahlungsdruck aus dem System geblasen, von Planetesimalen
oder Planeten eingefangen oder trudelt in den Zentralstern. Unser eigenes
Sonnensystem liefert ein Beispiel dafür, was nach Milliarden von Jahren übrig
bleibt: In diesem Fall im Wesentlichen zwei Planetesimalengürtel, nämlich den
Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und ein Reservoir von Kometen
außerhalb der Umlaufbahnen der Riesenplaneten, der Kuipergürtel. Dazu kommt noch
etwas Staub in der Bahnebene des Sonnensystems. Bei sehr dunklem Himmel kann man
kurz nach Sonnenuntergang oder kurz vor Sonnenaufgang mit bloßem Auge das von
diesem Staub reflektierte Licht sehen, das sogenannte Zodiakallicht. Von einem
außerirdischen Observatorium aus wären all diese Details schwer bis gar nicht zu
erkennen.
Während der ersten 50 Millionen Jahre in der Geschichte eines Planetensystems
ist die Lage dagegen ungleich günstiger: Sind solche jüngeren Systeme nicht
allzu weit entfernt, lassen sie sich mit den besten heute verfügbaren Teleskopen
beobachten - allerdings sind die technischen Herausforderungen noch immer groß:
Ein Bild einer Trümmerscheibe anzufertigen ist so, als würde man versuchen, aus
mehreren Kilometern Abstand ein kleines Wölkchen von Zigarettenrauch zu
fotografieren, das direkt neben einem hellen Stadionflutlicht schwebt. So etwas
ist nur mit spezialisierten Instrumenten möglich, und die erste Wahl dafür ist
das SPHERE-Instrument, das im Frühjahr 2014 an einer Teleskopeinheit des VLT in
Betrieb genommen wurde.
Das Grundprinzip von SPHERE ist einfach: Blendet uns im Alltag die Sonne,
dann halten wir unsere Hand vor die Augen, um das Sonnenlicht auszublenden. So
können wir Objekte sehen, die andernfalls vom Sonnenlicht überstrahlt werden
würden. Beobachtet SPHERE einen Exoplaneten oder eine Trümmerscheibe, dann
verwendet es einen sogenannten Koronographen, um das Licht des Sterns
abzublocken: eine kleine Scheibe, die in den Strahlengang eingesetzt wird und
den größten Teil des Sternenlichts abschattet. Der Haken dabei ist, dass dieses
einfache Verfahren in der Praxis nur funktioniert, wenn die Bildgebung sehr
präzise und stabil ist.
Um das zu gewährleisten, nutzt SPHERE eine extreme Version der adaptiven
Optik. Dabei werden die unvermeidbaren Störungen, die durch das Durchdringen des
Lichts durch die Erdatmosphäre verursacht werden, in Echtzeit analysiert und
durch den Einsatz eines verformbaren Spiegels weitgehend kompensiert. Ein
weiterer, optionaler Teil von SPHERE filtert "polarisiertes" Licht heraus - von
Staubpartikeln reflektiertes Licht ist polarisiert, Sternlicht ist es nicht.
Insgesamt ist SPHERE auf diese Weise besonders gut geeignet, um Bilder von
Trümmerscheiben zu liefern.
In einer jetzt veröffentlichten Studie wird eine ganze Galerie von Bildern
von Trümmerscheiben vorgestellt, die mit SPHERE aus dem von kleinen
Staubpartikeln jener Scheiben reflektierten Sternlicht erstellt wurden. "Um
diese Sammlung zu erhalten, haben wir Daten aus Beobachtungen von 161 nahen,
jungen Sternen verarbeitet, deren Infrarotemissionen ein starkes Indiz für das
Vorhandensein einer Trümmerscheibe sind", erläutert Natalia Engler von der ETH
Zürich. "In 51 Fällen konnten wir ein Bild der Scheiben erstellen. Die Bilder
zeigen Trümmerscheiben mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften – einige
kleiner, andere größer, einige von der Seite gesehen und andere fast frontal –
und einer beträchtlichen Vielfalt an Ringstrukturen. Vier der Scheiben waren
noch nie zuvor abgebildet worden."
Will man die Eigenschaften einer Klasse von Objekten erforschen, muss man
eine Stichprobe mit hinreichend vielen Beispielobjekten untersuchen. Die Bilder
der 51 Trümmerscheiben ermöglichen diese Art von Analyse, und offenbaren eine
Reihe systematischer Trends: Wenn ein junger Stern massereicher ist, hat auch
seine Trümmerscheibe tendenziell mehr Masse. Dasselbe gilt für Trümmerscheiben,
bei denen sich der Großteil des Materials in größerer Entfernung vom
Zentralstern befindet.
Am interessantesten an den SPHERE-Trümmerscheiben dürften die Strukturen
innerhalb der Scheiben sein. Auf einer Reihe von Bildern sind Scheiben zu sehen,
die eine konzentrische ring- oder bandartige Struktur aufweisen: das
Scheibenmaterial ist in bestimmten Abstandsbereichen vom Zentralstern
konzentriert, andere Abstandsbereiche sind weitgehend leer. Die Verteilung
kleiner Körper in unserem eigenen Sonnensystem weist eine ähnliche Struktur auf:
Die Kleinkörper befinden sich bevorzugt im Asteroidengürtel bzw. im Kuipergürtel.
Die Ringstrukturen dürften mit der Anwesenheit von Planeten, insbesondere von
Riesenplaneten, zu tun haben, die ihre Umgebung von Kleinkörpern "freiräumen".
Einige der entsprechenden Riesenplaneten waren tatsächlich bereits beobachtet
worden. In anderen Fällen weisen Merkmale wie scharfe Innenkanten von Ringen
oder Scheibenasymmetrien auf noch nicht beobachtete Planeten hin. Damit liefert
die SPHERE-Scheibengalerie gleichzeitig eine Liste lohnender möglicher
Beobachtungsziele: Das James Webb Space Telescope oder das künftige
Extremely Large Telescope, sollten in nicht allzu ferner Zukunft Bilder von
den Planeten liefern können, die jene Strukturen erzeugen.
Die Studie mit der Trümmerscheiben-Galerie wurden nun im Fachjournal
Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.
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