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Gravitinos als neue Dunkelmaterie-Kandidaten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
29. August 2025
Die Natur der Dunklen Materie ist nach wie vor ungeklärt. In
einer jetzt veröffentlichten Studie werden superschwere geladene Gravitinos als
Kandidaten vorgeschlagen. Sie würden sich in neuen Untergrund-Detektoren anhand
unverwechselbarer Spuren nachweisen lassen, etwa in dem gerade in Betrieb
gegangenen Detektor JUNO.

Wenn ein superschweres, geladenes Gravitino
die Szintillatorflüssigkeit durchquert, entstehen Photonen,
die ein charakteristisches "Glühen" entlang der Trajektorie
des Gravitinos erzeugen. Diese Spur sollte der Detektor
nachweisen können.
Bild: K. Beil, Formgeber / Milde
Science Communication [Großansicht] |
Bereits in einer früheren Studie hatten Hermann Nicolai vom
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) im
Potsdam Science Park und Krzysztof Meissner von der Fakultät für Physik der
Universität Warschau superschwere Gravitinos als mögliche Kandidaten für Dunkle
Materie postuliert und Methoden vorgeschlagen, um in geplanten
Untergrundexperimenten nach stabilen superschweren Teilchen mit elektrischer
Ladung zu suchen. Die jetzt vorgestellte Studie zeigt, wie große unterirdische
Neutrino-Detektoren diese Teilchen anhand unverwechselbarer Spuren nachweisen
könnten.
Darin präsentieren die Forschenden eine detaillierte Analyse der spezifischen
Signaturen, die von Gravitinos verursachte Ereignisse im Jiangmen
Underground Neutrino Observatory (JUNO) und in zukünftigen
Flüssigargon-Detektoren wie dem Deep Underground Neutrino Experiment
(DUNE) hervorrufen. Die nun vorliegende Analyse setzt auch neue Maßstäbe in
puncto Interdisziplinarität, indem sie zwei sehr unterschiedliche
Forschungsbereiche verbindet: Elementarteilchenphysik und die Suche nach einer
fundamentalen Theorie einerseits, und andererseits Methoden der modernen
Quantenchemie, welche von Adrianna Kruk und Michal Lesiuk von der Fakultät für
Chemie der Universität Warschau zu dieser Kollaboration beigesteuert wurden.
Die Natur der Dunklen Materie ist nach wie vor eines der größten Rätsel der
modernen Astrophysik. Es liegen zahlreiche Vorschläge auf dem Tisch, die von
neuartigen Elementarteilchen bis zu fundamentalen Abänderungen der
Einstein’schen Gravitationstheorie reichen. Von Seiten der Teilchenphysik werden
hier insbesondere supersymmetrische Teilchen, ultraleichte axionartige Teilchen
und die sehr viel schwereren WIMPs (weakly interacting massive particles) als
mögliche Kandidaten diskutiert, die alle nur sehr schwach mit normaler Materie
wechselwirken. "Viele Forschende hatten große Erwartungen an die Messungen des
Large Hadron Collider geknüpft", sagt Hermann Nicolai, Direktor
Emeritus am AEI, "Aber neue Teilchen jenseits des Standardmodells wurden nicht
gesichtet."
Auch andere Experimente haben in dieser bereits 40 Jahre währenden Suche
keinerlei Hinweise auf solche Teilchen erbracht. Ebenso wenig haben
vorgeschlagene Modifikationen der Einstein-Theorie zu befriedigenden Antworten
geführt. Mit einem möglichen direkten Nachweis superschwerer Gravitinos in
Untergrund-Detektoren könnte nun versucht werden, der Dunklen Materie mit einer
neuen Idee auf die Spur zu kommen.
Der Vorschlag für eine dedizierte Suche nach superschweren Gravitinos basiert
auf vorangegangenen Arbeiten zur Vereinheitlichung der fundamentalen
Wechselwirkungen von Nicolai und seinem Kollegen Krzysztof Meissner, welche
insbesondere das Fermion-Spektrum des Standardmodells der Teilchenphysik mit
drei Generationen von Quarks und Leptonen erklären könnten. Superschwere
Gravitinos (vom Spin 3/2) wären in diesem Modell die einzigen neuen Fermionen
jenseits des Standardmodells. Diese noch hypothetischen Elementarteilchen
unterscheiden sich erheblich von allen bisher vorgeschlagenen Kandidaten. So
trägt ein Gravitino (fraktionelle) elektrische Ladung und ist daher dank der
Wechselwirkung mit normaler Materie im Prinzip direkt nachweisbar.
Allerdings wird die Suche enorm erschwert durch seine extreme Seltenheit
(nach vorläufigen Abschätzungen im Mittel nur ein Gravitino auf 10.000 km3),
weshalb mit bislang verfügbaren Detektoren keine Aussicht auf einen Nachweis
besteht. Mit der Inbetriebnahme neuer riesiger Untergrund-Detektoren eröffnen
sich jetzt jedoch realistische Möglichkeiten, nach diesen Teilchen zu suchen.
"Die von uns vorgeschlagene Beobachtungsmethode für superschwere Gravitinos
basiert nicht (wie man eigentlich erwarten würde) auf Ionisation, sondern auf
einer Art 'Glühen'. Dieses stammt von Photonen, die während des Durchgangs
solcher Teilchen durch die Nachweisflüssigkeit in großen Neutrino-Observatorien
erzeugt werden sollten", erklärt Nicolai. "Dieses Glühen kann nach unseren
Berechnungen einige Mikrosekunden bis zu einigen hundert Mikrosekunden andauern
und würde eine charakteristische Spur durch den Detektor für die von uns
postulierten superschweren Gravitinos erzeugen."
Unter allen gegenwärtig existierenden Detektoren scheint das chinesische
JUNO-Untergrund-Observatorium prädestiniert für eine solche Suche. Es soll die
Eigenschaften von Neutrinos genauer als bisher bekannt bestimmen, außerdem
Neutrinos aus kosmischen, atmosphärischen und geologischen Quellen beobachten
und nach neuen Teilchen jenseits des Standardmodells suchen. Neutrinos
wechselwirken nicht mit elektromagnetischen Feldern und reagieren auch mit
Materie nur selten. Um überhaupt Reaktionen beobachten zu können, müssen
Neutrino-Detektoren deshalb extrem große Volumina haben – im Fall des
JUNO-Detektors handelt es sich um 20.000 Tonnen einer organischen,
mineralölähnlichen Flüssigkeit in einem kugelförmigen Gefäß von ca. 40 Meter
Durchmesser. Die Suche nach Gravitinos könnte parallel und unabhängig von
Neutrino-Reaktionen erfolgen. Die Quantenchemie des Szintillatoröls und seine
spezifischen Eigenschaften spielen eine zentrale Rolle bei dem vorhergesagten
Effekt.
"Der Nachweis der von uns vorhergesagten superschweren Gravitinos wäre auch
ein großer Fortschritt bei der Suche nach einer vereinheitlichten Theorie", sagt
Nicolai. "Da für die Gravitinos Massen in der Größenordnung der Planck-Masse
vorhergesagt werden, wäre eine Detektion ein erster direkter Hinweis auf Physik
nahe der Planck-Skala, und könnte damit wertvolle experimentelle Hinweise auf
eine Vereinheitlichung der Naturkräfte liefern – Hinweise, die es in dieser Form
bisher nicht gibt."
Über die Ergebnisse wird in zwei Fachartikeln berichtet, die in den
Zeitschriften Physical Reviews Research und Journal of High Energy
Physics erschienen sind.
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