Mit dem "Space-Trabi" fing alles an
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung astronews.com
23. April 2025
Mit dem Auswurf des fußballgroßen Mini-Satelliten
GFZ-1 aus der Raumstation Mir begann am 19. April 1995 die Satelliten-gestützte
Forschung am GFZ in Potsdam. Zahlreiche weitere Satelliten folgten, die - wie
beispielsweise die beiden GRACE-Missionen - wichtige Daten zum Erdschwerefeld
und auch zum Klimawandel lieferten.

Der fußballgroße Satellit GFZ-1, liebevoll
"Space-Trabi" genannt, half, das Schwerefeld der
Erde zu messen. 60 Retroreflektoren spiegelten
Laserlicht von Messstationen auf der Erde. Die
Laufzeit des Laserstrahls führte zur Position des
Satelliten. Foto: GFZ [Großansicht] |
Am 19. April 1995 begann mit dem fußballgroßen "GFZ-1" die erste
Satellitenmission des GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung – und damit die Ära
der erfolgreichen Satelliten-gestützten Forschung am GFZ. Eines der
Missionsziele damals: die Vermessung des Schwerefelds der Erde. Der "Blick" aus
dem Weltall auf die Erde und den erdnahen Weltraum ist auch darüber hinaus für
die Geowissenschaften essenziell: zur Vermessung der Erde und für das
Verständnis vieler Zusammenhänge auf unserem Planeten – von der Positionierung
der Erde im Weltraum und der Anwendung in Satellitennavigationssystemen über die
Vermessung des Erdmagnetfelds, von Effekten des Weltraumwetters und der
Veränderungen in der äußeren Gestalt der Erde auf globaler wie lokaler Ebene –
etwa durch Erdbeben und Landabsenkungen, bis zum Zustand von Gewässern und
Vegetation und der Analyse von Mineralienvorkommen.
Der fußballgroße Minisatellit "GFZ-1" wurde vor 30 Jahren auf ungewöhnliche
Weise in seine Umlaufbahn gebracht: Nachdem er am 9. April mit dem
Raumtransporter Progress M-27 von Baikonur aus zur russischen
Raumstation Mir gebracht worden war, wurde er am 19. April kurz nach 21
Uhr MESZ (19:12 Uhr Weltzeit) aus einer Luftschleuse der Raumstation ins All
geworfen. Der knapp 21 Kilogramnm schwere Satellit umkreiste die Erde anfänglich
in einer vergleichsweise geringen Entfernung von 400 Kilometern. Der passive
Satellit verfügte über keinen eigenen Antrieb und keine Bordelektronik, sondern
war dem Schwerefeld der Erde ausgeliefert. Dieses zu vermessen gehörte zu seinen
Missionszielen.
Hierfür war GFZ-1 mit 60 Retro-Reflektoren auf seiner Oberfläche
ausgestattet. Sie waren Ziel von Laserstrahlen, die bei seinem Umlauf um die
Erde von Satelliten-Laserradarstationen (SLR – Satelliten Laser Ranging) auf der
ganzen Welt auf den Satelliten gesendet wurden. Das vom Satelliten aus dem All
reflektierte Licht wurde von der jeweiligen SLR-Station wieder aufgefangen. Aus
der Laufzeitanalyse des Lichts konnte die Position des Satelliten exakt bestimmt
werden. Anhand der kontinuierlichen Positionsmessungen von weltweit verteilten
Stationen ließen sich wiederum Rückschlüsse auf das Gravitationsfeld der Erde
ziehen.
Um hier durch möglichst großen Einfluss der Gravitation auf die
Satellitenbahn ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen, wurde GFZ-1 in eine
vergleichsweise erdnahe Umlaufbahn gebracht. Mit 400 Kilometern hält GFZ-1 auch
einen wichtigen wissenschaftlichen Rekord: Er war der niedrigste geodynamische
Satellit, der jemals mit Lasern vermessen wurde. Der seinerzeit liebevoll
"Space-Trabi" getaufte Satellit umkreiste die Erde im Laufe von vier Jahren und
64 Tagen fast 24.000 Mal, bevor er am 23. Juni 1999, 01:00 UT in der oberen
Atmosphäre verglühte und seine Mission endete.
Für das GFZ knüpfen sich diverse Forschungsgebiete an diese Mission. Neben
der Vermessung des Erdschwerefeldes auch die genauen Bahnbestimmungen von
Navigationssatelliten, die Bestimmung von Wasserdampfgehalt der Atmosphäre
(wichtig für Wetterdienste), die Erforschung des "Weltraumwetters" und seiner
Einflüsse auf Satelliten sowie die Messung von Grundwasser, Bodenfeuchte und
Eismassenverlust aus den Gravitationsdaten.
Über die Jahre war das GFZ an zahlreichen weiteren Satellitenmissionen
beteiligt oder leitete sie wissenschaftlich. In Nachfolge von GFZ-1 ermöglichte
CHAMP von 2000 bis 2010 die Vermessung des Schwerefeldes und des Magnetfeldes
der Erde, seit 2013 vermisst die ESA-Mission SWARM das Erdmagnetfeld. Und der
Umweltsatellit EnMAP liefert seit 2022 Hyperspektral-Daten in mehr als 250
Farben, die Auskunft geben über den Zustand von Böden, Gewässern und Vegetation,
aber auch über Mineralienvorkommen.
Die immer präzisere Bestimmung des Erdschwerefeldes blieb und bleibt ein
wichtiger Fokus – mit enormen Fortschritten durch neue Mess- und
Modellierungsverfahren. Seit 2002 betreibt das GFZ gemeinsam mit der
US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA die auf das Erdschwerefeld
spezialisierten Satellitenmissionen GRACE (2002-2017) und GRACE Follow-On (seit
2018), bei denen jeweils Zwillingssatelliten in 500 Kilometer Höhe fliegen. Ihr
Abstand von rund 200 Kilometer wird ultra-präzise gemessen und ändert sich in
Abhängigkeit von der Gravitation. Daraus lässt sich auf Masseänderungen der Erde
schließen und damit auf Änderungen in den Wassersystemen.
Ziel der GRACE-Missionen ist es, die Auswirkungen der vielfältigen und
komplexen Rückkopplungen menschlicher Aktivitäten auf den globalen
Wasserkreislauf, den Meeresspiegelanstieg und das Klimasystem dauerhaft zu
beobachten. Sie ermöglichten diverse wissenschaftliche Durchbrüche. So konnte
erstmals der Eismassenverlust der großen Eisschilde auf Grönland und über der
Antarktis beziffert werden. Die GRACE-Missionen liefern wichtige Klimadaten für
die Berichte des Weltklimarates IPCC und gehören darin zu den am häufigsten
zitierten Missionen. Tausende von wissenschaftlichen Publikationen basieren auf
den Daten der beiden Satelliten-Duos. Die dritte Generation der erfolgreichen
Zwillingssatelliten, GRACE-C (Continuity), soll Ende 2028 in die polare
Umlaufbahn gebracht werden.
Neben der Satelliten-Forschung profitierte auch die Entwicklung der
SLR-Station auf dem Telegrafenberg von GFZ-1. Bereits seit 1974 werden von hier
aus Satelliten zwecks Positionsvermessung per Laserstrahl angepeilt. Die
SLR-Station auf dem Telegrafenberg ist Teil des weltumspannenden Netzwerkes von
einigen Dutzend Stationen. Mittlerweile ist die dritte Generation in Betrieb,
die vierte in Planung. Über die Jahrzehnte hat sich die Präzision immer weiter
erhöht: Aktuell kann die Potsdamer Laserstation die Entfernung zu Satelliten in
Umlaufbahnen von 400 bis 25000 Kilometer über der Erde mit einer Genauigkeit von
unter etwa einem Zentimeter messen, anfänglich waren es Meter.
Mit seiner niedrigen Umlaufbahn zeigte GFZ-1 sowohl die Möglichkeiten als
auch die Schwierigkeiten der Verfolgung derart niedriger Ziele mit den jeweils
modernsten SLR-Systemen. Zu den Möglichkeiten zählt die besonders exakte
Vermessung des Erdschwerefeldes. Je tiefer der Satellit fliegt, desto mehr ist
er den Einflüssen der Gravitation ausgesetzt. Das Problem dabei: Sonnenstürme
wirbeln die oberen Atmosphärenschichten durcheinander, das turbulente
"Weltraumwetter" macht die Bahn des antriebslosen Satelliten unregelmäßig. Daher
ist das Anpeilen mit Laserteleskopen umso schwieriger, je näher der Satellit der
Erde ist.
Die Forschung mit Satelliten hat am GFZ über die Jahrzehnte auch zu
verschiedenen Ausgründungen geführt. Beispielsweise konzipiert und baut die
Firma DiGOS seit 2014 weltweit SLR-Stationen und wurde 2019 mit dem
Innovationspreis Berlin-Brandenburg ausgezeichnet. Die 2022 gegründete
Leomagnetics GmbH bietet Beratung für alle mit Geomagnetismus und Weltraumwetter
verknüpften Aspekte. Ob Funkkommunikation, die Gewährleistung eines
zuverlässigen Betriebs von Drohnen oder autonom fahrender Fahrzeuge oder auch
die Vorhersage von Satellitenbahnen: Die Beratung umfasst unter anderem alle
Aktivitäten, die von den Auswirkungen von Sonnenstürmen betroffen sein können.
Ebenfalls 2002 gründete sich maRam UG für Design, Bau und Services
kundenspezifischer Global Navigation Satellite Systems (GNSS)-Sensoren. Mögliche
Einsatzfelder für den GNSS-Datenlogger tinyBlack sind die Überwachung von Dämmen
und Vulkanen oder Basisstation für Drohnen.
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