Anzeige
 Home  |  Nachrichten  | Frag astronews.com  | Bild des Tages  |  Kalender  | Glossar  |  Links  | Forum  | Über uns    
astronews.com  
Nachrichten

astronews.com
astronews.com

Der deutschsprachige Onlinedienst für Astronomie, Astrophysik und Raumfahrt

Home  : Nachrichten : Teleskope : Artikel [ Druckansicht ]

 
BLAZARE
Aktiver galaktischer Kern in Rekordentfernung
Redaktion / Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam
astronews.com
30. Dezember 2024

Wie konnten supermassereiche Schwarze Löcher im frühen Universum so schnell wachsen? Eine Antwort auf diese Frage könnte der Blazar J0410-0139 liefern, dessen Licht mehr als 12,9 Milliarden Jahre gebraucht hat, um uns zu erreichen. Seine Entdeckung legt nahe, dass es eine große, aber verborgene Population ähnlicher Objekte im jungen Universum geben muss.

Blazar

Künstlerische Darstellung des hellen, sehr frühen aktiven galaktischen Kerns, der von Bañados und seinem Team gefunden wurde. Die Entdeckung liefert wichtige Informationen über das Wachstum Schwarzer Löcher in der ersten Milliarden Jahre kosmischer Geschichte. Bild: NSF / AUI / NSF NRAO / B. Saxton  [Großansicht]

Aktive galaktische Kerne (englisch: "active galactic nuclei", kurz: AGN) sind extrem helle Zentralregionen von Galaxien. Angetrieben wird der Energieausstoß eines AGN durch Materie, die auf das zentrale supermassereiche Schwarze Loch der betreffenden Galaxie fällt. Solcher Materie-Einfall, die "Akkretion", ist die effizienteste Art der Energiefreisetzung überhaupt. Entsprechend können AGN mehr Licht erzeugen als alle Sterne in Hunderten, Tausenden oder noch mehr Galaxien zusammen, und das in einer Raumregion kleiner als unser Sonnensystem. Man nimmt an, dass mindestens zehn Prozent aller AGN gebündelte hochenergetische Teilchenstrahlen aussenden, sogenannte Jets. Solche Jets schießen aus der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs in zwei entgegengesetzte Richtungen. Erzeugt werden sie durch Magnetfelder, die in der "Akkretionsscheibe" von Gas verankert sind, das um das Schwarze Loch herumwirbelt.

Damit wir einen AGN als Blazar sehen, ist ein beachtlicher Zufall vonnöten: die Erde, von der aus wir ja all unsere astronomischen Beobachtungen vornehmen, muss sich vom AGN aus zufällig genau in derjenigen Richtung befinden, in die auch der Jet läuft. Das Ergebnis ist das astronomische Analogon dazu, dass einem jemand den Strahl einer sehr hellen Taschenlampe direkt in die Augen leuchtet: ein besonders helles Objekt am Himmel. Charakteristisch für einen Blazar ist außerdem, dass seine Helligkeit rasch fluktuiert, nämlich auf Zeitskalen von Tagen, Stunden oder sogar weniger. Das ist eine Folge der zufälligen Veränderungen in der wirbelnden Akkretionsscheibe an der Basis des Jets sowie von Instabilitäten im Wechselspiel zwischen Magnetfeldern und geladenen Teilchen im Jet selbst.

Anzeige

Die jetzt vorgestellte Entdeckung war das Ergebnis einer systematischen Suche nach aktiven Galaxienkernen im frühen Universum. Verantwortlich dafür zeichnet Eduardo Bañados, ein Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, der sich auf die ersten Milliarden Jahre der kosmischen Geschichte spezialisiert hat. Da Licht Zeit braucht, um uns zu erreichen, sehen wir weit entfernte Objekte jeweils so, wie sie vor Millionen oder sogar Milliarden Jahren waren. Hinzu kommt ein weiterer Effekt: die kosmologische Rotverschiebung, eine Folge der steten Expansion unseres Kosmos, verschiebt das von fernen Objekten ausgesandte Licht hin zu längeren Wellenlängen.

Bañados und sein Team machten sich diese Tatsache zunutze. Sie suchten systematisch nach Objekten, deren Licht so stark rotverschoben war, dass jene Objekte bei Beobachtungen im sichtbaren Bereich des Spektrums (konkret: im Dark Energy Legacy Survey) gar nicht mehr zu sehen waren, aber in einer Radio-Durchmusterung (der 3-GHz-VLASS-Durchmusterung) als helle Quellen auftraten. Unter den 20 Kandidaten-Objekten, die beide Kriterien erfüllten, genügte nur ein einziges, nämlich J0410-0139 noch einem weiteren wichtigen Kriterium: Jenes Objekt zeigte zusätzlich signifikante Helligkeitsschwankungen im Radiobereich. Das wiederum ist ein starkes Indiz, dass es sich in der Tat um einen Blazar handelt.

Diesem Objekt rückten die Forschernden um Bañados dann mit einer ganzen Batterie von Teleskopen genauer zu Leibe: Nahinfrarotbeobachtungen mit dem New Technology Telescope der ESO, ein Spektrum mit dem Very Large Telescope der ESO, zusätzliche Nahinfrarotspektren mit dem LBT, mit einem der Keck-Teleskope und mit dem Magellan-Teleskop, Röntgenbilder mit dem XMM-Newton-Teleskop der ESA und dem Chandra-Teleskop der NASA, Millimeterwellenbeobachtungen mit den ALMA- und NOEMA-Teleskopverbünden sowie detailliertere Radiobeobachtungen mit den VLA-Teleskopen des National Radio Astronomy Observatory in den USA. Die systematischen Beobachtungen bestätigten, dass es sich in der Tat um einen aktiven Galaxienkern und speziell um einen Blazar handelte.

Die Beobachtungen lieferten (über die Rotverschiebung) auch die Entfernung des Objekts. Sogar Spuren der Wirtsgalaxie, in deren Zentrum sich das Objekt befindet, wurden gefunden. Das Licht dieses aktiven galaktischen Kerns hat 12,9 Milliarden Jahre gebraucht, um uns zu erreichen (die Rotverschiebung z beträgt 6,9964) und liefert uns demnach Informationen über das Universum, wie es vor 12,9 Milliarden Jahren war. "Der Umstand, dass J0410-0139 ein Blazar ist – mit einem Jet, der zufällig direkt auf die Erde zeigt – erlaubt unmittelbare statistische Schlüsse", so Bañados. "Stellen Sie sich vor, Sie lesen von jemandem, der 100 Millionen Euro im Lotto gewonnen hat. Bedenkt man, wie selten ein solcher Gewinn ist, folgt sofort, dass es noch ungleich mehr Menschen gegeben haben muss, die an dieser Lotterie teilgenommen, aber keine so exorbitante Summe gewonnen haben. Analog legt die Entdeckung eines AGN mit einem direkt auf uns gerichteten Jet nahe, dass es zu dem entsprechenden Zeitpunkt in der kosmischen Geschichte noch viele weitere AGN mit Jets gegeben haben muss, die nicht auf uns gerichtet sind."

Das Licht des bisherigen Rekordhalters für den am weitesten entfernten Blazar hat rund 100 Millionen Jahre weniger gebraucht, um uns zu erreichen (z=6,1). Die zusätzlichen 100 Millionen Jahre mögen angesichts der Tatsache, dass wir insgesamt mehr als zwölf Milliarden Jahre zurückblicken, nicht viel erscheinen. Und doch machen sie einen entscheidenden Unterschied. Das damalige Universum hat sich nämlich viel rascher verändert als das heutige, und innerhalb jener 100 Millionen Jahren konnte ein supermassereiches Schwarzes Loch seine Masse verzehnfachen. Den aktuellen Modellen zufolge solle sich die Zahl der AGN in diesen 100 Millionen Jahren um den Faktor fünf bis zehn erhöht haben. Die Entdeckung, dass es vor 12,8 Milliarden Jahren einen solchen Blazar gab, wäre nicht unerwartet. Die Tatsache, dass es ihn vor 12,9 Milliarden Jahren gab, wie in diesem Fall, ist eine ganz andere Sache.

Dass es zu jenem frühen Zeitpunkt offenbar bereits eine ganze Population von AGN mit Jets gab, hat Konsequenzen für das Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher in jener Epoche der kosmischen Geschichte. Schwarze Löcher, deren AGN Jets haben, sollten schneller an Masse zulegen können als Schwarze Löcher ohne Jets. Anders als man denken könnte, ist es nämlich alles andere als einfach für Gas, in ein Schwarzes Loch zu fallen. Normalerweise umkreist Gas ein Schwarzes Loch, ähnlich wie ein Planet die Sonne umkreist, und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit, je näher das Gas dem Schwarzen Loch kommt ("Drehimpulserhaltung"). Um hineinzufallen, muss das Gas erst langsamer werden und Energie verlieren. Wo ein Jet ist, sind auch Magnetfelder, und solche Magnetfelder die mit der wirbelnden Gasscheibe wechselwirken, können das Gas abbremsen und damit ins Schwarze Loch befördern. Damit hat die neue Entdeckung Konsequenzen, die in jedes zukünftige Model des Wachstums Schwarzer Löcher in den frühen Phasen des Universums Eingang finden dürften: Vor 12,9 Milliarden Jahren gab es eine Population von aktiven Galaxienkernen mit Jets und damit auch mit Magnetfeldern, die gute Bedingungen für das rasche Wachstum supermassereicher Schwarzer Löcher schufen.

Über ihre Entdeckung berichtet das Team in zwei Fachartikeln, die in den Zeitschriften Nature Astronomy und Astrophysical Journal Letters erschienen sind. 

Forum
Aktiver galaktischer Kern in Rekordentfernung. Diskutieren Sie mit anderen Lesern im astronews.com Forum.
siehe auch
Magellan: Neuer Entfernungsrekord für Quasare - 7. Dezember 2017
Hubble: Erneut Galaxie in Rekordentfernung entdeckt - 4. März 2016
Links im WWW
Bañados, E. et al. (2024): A blazar in the epoch of reionization, Nat Astron, https://doi.org/10.1038/s41550-024-02431-4
Bañados, E. et al. (2024): [C ii] Properties and Far-infrared Variability of a z = 7 Blazar, ApJL, 977, L46
Max-Planck-Institut für Astronomie
In sozialen Netzwerken empfehlen
 
 
Anzeige
astronews.com 
Nachrichten Forschung | Raumfahrt | Sonnensystem | Teleskope | Amateurastronomie
Übersicht | Alle Schlagzeilen des Monats | Missionen | Archiv
Weitere Angebote Frag astronews.com | Forum | Bild des Tages | Newsletter
Kalender Sternenhimmel | Startrampe | Fernsehsendungen | Veranstaltungen
Nachschlagen AstroGlossar | AstroLinks
Info RSS-Feeds | Soziale Netzwerke | astronews.com ist mir was wert | Werbung | Kontakt | Suche
Impressum | Nutzungsbedingungen | Datenschutzerklärung | Cookie-Einstellungen
     ^ Copyright Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999-2023. Alle Rechte vorbehalten.  W3C
Diese Website wird auf einem Server in der EU gehostet.

© astronews.com / Stefan Deiters und/oder Lieferanten 1999 - 2020
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung nur mit Genehmigung.


URL dieser Seite: https://www.astronews.com:443/news/artikel/2024/12