Ein ganz neuer Blick auf Merkur
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
10. Dezember 2024
Während des jüngsten Merkurvorbeiflug der europäisch-japanischen
Mission BepiColombo konnte das
abbildende Spektrometer MERTIS an Bord des Orbiters erste Beobachtungen machen.
Die Daten im mittleren Infrarot zeigen den sonnennächsten Planeten in einem
völlig neuen Licht und liefern wichtige Informationen zur Zusammensetzung der
Oberfläche.
Die Beobachtungen des Spektrometers MERTIS
von Merkur während des Vorüberflugs der Mission BepiColombo am
1. Dezember 2024. Hier sind die Aufzeichnungen in einem Kanal
(8,45 Mikrometer) als Farbverlauf dargestellt, der auf das
kartographische Mosaik des NASA-Orbiters MESSENGER projiziert
wurde.
Bild: MERTIS / DLR / University of Münster
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Merkur ist der innerste und kleinste der acht Planeten. Äußerlich hat Merkur
große Ähnlichkeit mit dem Erdmond, aber der Planet unterscheidet sich von diesem
in Aufbau und Zusammensetzung doch erheblich. Für die Planetenforschung sind
deshalb noch viele Fragen zur Entstehung, Entwicklung und Aufbau des Planeten
offen. Beantworten soll diese Fragen die 2018 gestartete Raumsonde BepiColombo,
eine gemeinsame Mission der europäischen Weltraumorganisation ESA und der
japanischen JAXA. Im November 2026 wird BepiColombo dazu in einer Umlaufbahn um
Merkur ankommen. Nun fand der fünfte von sechs Nahvorbeiflügen am Ziel der
Mission statt, mit dem die Mission an ihre endgültige Merkurumlaufbahn
angenähert wird. Dabei konnte erstmals auch das am Deutschen Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR) entwickelte und gebaute abbildende Spektrometer MERTIS
eingesetzt werden, das gemeinsam mit der Universität Münster betrieben wird.
MERTIS lieferte die erste detaillierte Ansicht der Merkuroberfläche im
thermischen Infrarot. Das Team war besonders erfreut über die große Anzahl von
Oberflächenmerkmalen, die der erste Blick auf die Oberfläche des Merkur in
diesen Wellenlängen zeigt.
Genau um 15:23 Uhr MEZ am 1. Dezember 2024 hatte BepiColombo mit
37.630 Kilometern über der Oberfläche des Merkur die kürzeste Distanz dieses
Vorbeiflugs und dabei eine leichte Veränderung der Flugbahn erfahren. Der "Flyby"
oder auch "Gravitiy Assist" erfolgte in einer deutlich
größeren Entfernung als bei den vier vorangegangenen Vorbeiflügen. So erfolgte
der vierte Flyby im September 2024 in nur 165 Kilometer Höhe über der
Merkuroberfläche. Dieses Mal konnte das in Deutschland entwickelte und gebaute
Spektrometer MERTIS erstmals auf die Merkuroberfläche gerichtet werden und
messen. Nie zuvor wurde der Merkur von einer Raumsonde in den von MERTIS
abgedeckten Wellenlängen von 7 bis 14 Mikrometern untersucht. Dies sind
Wellenlängen im mittleren oder auch thermalen Infrarot. MERTIS (Mercury
Radiometer and Thermal Infrared Spectrometer) misst also die Wärmeabstrahlung
der sich im Sonnenlicht aufheizenden Gesteinskruste. Bis zu 420 Grad Celsius
Oberflächentemperatur detektierte das MERTIS-Radiometer im Vorbeiflug. Bei
diesen hohen Temperaturen unterscheiden sich die spektralen Signale von
Mineralen gegenüber Messungen bei moderaten Temperaturen. BepiColombo leistet
mit der Messung der Wärmeabstrahlung also gewissermaßen Pionierarbeit.
"Nach rund zwei Jahrzehnten Entwicklungsarbeit, Labormessungen an heißen
Gesteinen, die denen auf Merkur ähneln könnten und unzähligen Tests der ganzen
Abläufe für die Missionszeit am Merkur kommen jetzt die ersten Daten von der
Raumsonde. Das ist einfach großartig!", freut sich Dr. Jörn Helbert vom
DLR-Institut für Planetenforschung. Helbert ist
wissenschaftlicher Leiter des MERTIS-Experiments zusammen mit Professor Harald
Hiesinger vom Institut für Planetologie an der Universität Münster. "Es ist wirklich eine Freude, mit einem fantastischen Team gemeinsam an
der Auswertung der Daten zu arbeiten", so Hiesinger. "Nach vielen Jahren der Vorbereitung sehen
wir mit MERTIS den Merkur zum ersten Mal in einem völlig neuen Licht. Wir
betreten also Neuland und werden die Zusammensetzung, Mineralogie und die
Temperaturen auf dem Merkur viel besser verstehen können."
"MERTIS ist ein einzigartiges Instrument, das
selbst aus dieser großen Vorbeiflugentfernung von rund 40.000 Kilometern Daten
mit cirka 26 bis 30 Kilometer Bodenauflösung liefert, aus denen wir wichtige
Erkenntnisse ziehen können", erklärt Dr. Solmaz Adeli vom DLR-Institut für
Planetenforschung in Berlin. Als Projektleiterin war sie ganz wesentlich an der
Planung des jetzigen Vorbeiflugs beteiligt. Sie fügt hinzu: "Ab November 2026
wird MERTIS aus der Merkurumlaufbahn sein volles Potential ausschöpfen können.
Dann wird sich der Mercury Planetary Orbiter mit MERTIS immer wieder bis auf 460
Kilometer der Merkuroberfläche annähern und dann Daten mit bis zu 500 Meter
Auflösung liefern."
MERTIS wurde am DLR unter Beteiligung der deutschen
Industrie gebaut. Das Instrumentendesign, entwickelt vom DLR-Institut für
Optische Sensorsysteme in Berlin, basiert auf einem neuartigen und hochintegrierten Instrumentenkonzept mit sehr geringer Masse von nur drei Kilogramm
und geringem Leistungsverbrauch. Gisbert Peter, der am Institut für die
Instrumentenentwicklung verantwortliche Projektleiter sagt: „Nach nun sechs
Jahren auf dem Weg zum Merkur arbeitet das Instrument sehr stabil und liefert
beeindruckende Messungen. Nun werten wir die ersten einzigartigen Daten vom
Merkur aus und erwarten im Laufe der Mission sehr hochaufgelöste Spektren vom
Instrument mit seinen exzellenten optischen Eigenschaften." Das MERTIS-Team
besteht aus zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus mehreren
Ländern Europas und den USA, die die Daten des Vorbeifluges gemeinsam auswerten.
BepiColombo besteht aus drei
Teilen, die auf ihrem Weg zum Merkur miteinander verbunden sind: Das 'Mercury
Transfer Module' (MTM), das mit seinen Solarzellenpaneelen Strom für ein
Ionentriebwerk erzeugt und die Mission bis zum Merkur bringt; der 'Mercury
Planetary Orbiter' (MPO), die europäische wissenschaftliche Komponente der
Mission mit elf Instrumenten an Bord; und schließlich, aufsitzend auf den MPO,
in einem Sonnenschutz (MOSIF, MMO Sunshield and Interface Structure) der
japanische 'Mercury Magnetospheric Orbiter' (MMO). Am Merkur angekommen, werden
die Komponenten voneinander getrennt, um auf unterschiedlichen Bahnen die
umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen durchzuführen.
MERTIS ist eines
der wenigen Instrumente, das bereits zu diesem frühen Zeitpunkt Beobachtungen
durchführen kann. Dazu wurde die Instrumentensoftware umprogrammiert.
Normalerweise würde MERTIS durch die sog. "Planet View"-Optik beobachten und die
Daten mithilfe einer zweiten Optik, die den kalten Weltraum ("Space View")
anvisiert, eichen. Durch die Umprogrammierung kann nun der "Space View"
verwendet werden, um bereits auf dem Weg zum Merkur bei den Vorbeiflügen durch
einen "Seitenblick" Daten zu gewinnen, obwohl der Blick zum Planeten eigentlich
durch andere Komponenten blockiert ist. Auf diese Weise haben die
MERTIS-Wissenschaftler bereits sehr gute Daten von den Vorbeiflügen am Mond und
an der Venus erhalten und das Instrument sowie Prozessabläufe testen können.
MERTIS hatte während des Vorbeifluges am 1. Dezember 2024 die Hälfte des etwa
1550 Kilometer großen Caloris-Einschlagsbeckens und auch Teile einer großen
vulkanischen Ebene in der nördlichen Hemisphäre im Blickfeld. Das MERTIS-Bild
hebt den Einschlagskrater Bashō hervor, der bereits von den US-amerikanischen
Raumsonden Mariner 10 gesehen und von MESSENGER im Detail beobachtet wurde.
Bilder in Wellenlängen des sichtbaren Lichts zeigen, dass der Bashō-Einschlagskrater
sowohl sehr dunkles als auch sehr helles Material aufweist. Die
Vorbeiflugbeobachtungen von MERTIS zeigen eine Anomalie in der
Strahlungsintensität im mittleren Infrarot, die die besonderen Eigenschaften des
Kraters bestätigt. MERTIS wird es später ermöglichen, die Mineralogie der ganzen
Merkuroberfläche eingehend zu untersuchen und die wahre Natur des dunklen und
hellen Materials auch im Bashō-Krater aufzudecken.
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