Wie der Marsboden zu seiner Verkrustung kam
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e. V. astronews.com
4. November 2024
Mit einem "Marsmaulwurf" wollte man im Rahmen der
NASA-Mission InSight bis zu fünf Meter tief in den Marsboden
eindringen, scheiterte dabei jedoch an einem ungewöhnlich widerspenstigen
Untergrund. Trotzdem lieferte der Maulwurf wichtige Tempertaturdaten und fand
auch eine Erklärung für die Verkrustungen, die seine Mission so schwer gemacht
haben.
Das Heat Flow and Physical Properties
Package (HP3) auf dem Mars (künstlerische Darstellung).
Bild: DLR (CC BY-NC-ND 3.0) [Großansicht] |
Mole, der Marsmaulwurf: Vier Jahre lang hat er eine kleine, in der
Planetenforschung viel beachtete "Karriere" hingelegt. Mit dem Bild des
tunnelgrabenden Säugers wurde ein Experiment auf dem Mars benannt, das es so
vorher in der Planetenforschung noch nicht gab. Am Landeplatz der NASA-Mission
InSight wurde im Januar 2019 ein am Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR) entwickeltes und mit europäischen Partnern gebautes Instrument
auf den Marsboden gesetzt, das eine Rammsonde bis zu fünf Meter in den Boden
treiben und dann den Wärmefluss aus dem tiefen Inneren des Planeten messen
sollte. Dafür bürgerte sich der englische Begriff "Mole" ein, Maulwurf.
Jetzt hat die Auswertung von begleitenden Messungen der tages- und
jahreszeitlich schwankenden Temperaturen des Maulwurfs an und direkt unter der
Oberfläche neue Ergebnisse erbracht: Die Temperaturen in den obersten 40
Zentimetern des Marsbodens fördern die Bildung von krustigen Salzfilmen, im
Englischen als "Duricrust" bezeichnet, die den Boden verhärten. Die Messungen
der Temperaturverläufe im obersten Marsboden an der Landestelle von InSight
über viele Marstage und damit auch im Wechsel der Jahreszeiten lieferten jetzt
wichtige Erkenntnisse: zur Entstehung des "Duricrust-Bodens", aber auch zu
Prozessen, die wichtig sind hinsichtlich der Habitabilität, also der
potentiellen Möglichkeit für Lebewesen, auf dem Mars zu existieren.
Fast vier Jahre (das sind zwei Marsjahre) führte der Lander InSight
seine Experimente auf der Marsoberfläche durch. In dieser Zeit drang der am
DLR-Institut für Planetenforschung entwickelte Maulwurf trotz vieler, am Ende
vergeblicher Versuche nur 40 Zentimeter tief in den Boden ein. Dieser erwies
sich als unerwartet verkrustet aber gleichzeitig hochporös. "Um sich eine
Vorstellung über die mechanischen Eigenschaften des Bodens machen zu können,
verweise ich gerne auf den in der Floristik für Gestecke verbreiteten
Blumensteckschaum, ein leichtes, hochporöses Material, in dem Löcher ent-stehen,
wenn man Pflanzenstiele hineindrückt", erklärt Prof. Tilman Spohn,
wissenschaftlicher Leiter des Experiments HP3 am DLR-Institut für
Planetenforschung.
Der Maulwurf fand deshalb nicht genug Reibung an der Grenzfläche zwischen
Metall und Boden, die den verbliebenen Rückschlag des Hammermechanismus hätte
aufnehmen können und ihm dadurch ein tieferes Eindringen in den Boden
ermöglichte. Das DLR-Experiment HP3 (Heat Flow and Physical Properties Package)
zur Messung des Wärmeflusses aus dem Inneren des Mars war folglich nur teilweise
erfolgreich. Das Hämmern in den Boden wurde deshalb Anfang 2021 eingestellt.
Wegen des bis in eine Tiefe von 20 Zentimetern verkrusteten Marsbodens, was
aufgrund von Orbitermessungen nicht erwartet worden war, drang der Maulwurf nur
knapp 40 Zentimeter tief in den Boden ein. Nach der Beendigung der
Hämmerversuche wurde er als Thermalsonde verwendet.
"Dabei haben wir an sieben Marstagen die Wärmeleitfähigkeit und die
Temperaturschwankungen in kurzen zeitlichen Abständen gemessen", berichtet
Spohn. "Darüber hinaus haben wir kontinuierlich die höchsten und tiefsten
Tagestemperaturen über das zweite Marsjahr gemessen. Dabei betrug die
durchschnittliche Temperatur minus 56 Grad Celsius oder 217,5 Kelvin über die
Tiefenausdehnung der etwa 40 Zentimeter langen Thermalsonde. Diese
Aufzeichnungen des Temperaturverlaufs über Tageszyklen und verschiedenen
Jahreszeiten hinweg waren die ersten dieser Art auf dem Mars."
Die Temperaturen im oberflächennahen Grund beeinflussen physikalische
Eigenschaften wie die Elastizität des Bodens, die Geschwindigkeit seismischer
Wellen, die thermale Leitfähigkeit und die Wärmekapazität, auch, wie sich
Material im Marsboden bewegt. "Die Temperatur hat auch starken Einfluss auf
chemische Reaktionen, die im Boden stattfinden, auf den Austausch mit den
Gasmolekülen der Atmosphäre und damit auch auf potentielle biologische Prozesse
mit Blick auf mögliches mikrobielles Leben auf dem Mars", so Spohn weiter. Auch
für die zukünftige Mars-Exploration mit Menschen sind die Erkenntnisse über die
Eigenschaften und Festigkeit des Marsbodens von besonderem Interesse.
Die Temperatur im Boden schwankte während eines Marstages um fünf bis sieben
Grad, was nur ein Bruchteil der täglichen Schwankungen der Oberflächentemperatur
von 110 bis 130 Grad ausmacht. Der Marsboden stellt also einen guten Isolator
dar und dämpft die großen Temperaturunterschiede direkt an der Oberfläche schon
in geringer Tiefe ganz erheblich, 10 bis 20 mal stärker als der Erdboden. Im
Laufe der Jahreszeiten schwankte die Temperatur um 13 Grad. Dabei liegt die
Temperatur in den bodennahen Schichten unter dem Gefrierpunkt für Wasser auf dem
Mars. Interessant ist vor allem, dass die Temperatur die Bildung dünner Filme
aus flüssigen, salzhaltigen Solen für zehn Stunden oder mehr während eines
Marstages im Winter und im Frühling ermöglicht wenn genügend Feuchte in der
Atmosphäre vorhanden ist. Die Verfestigung dieser Sole ist deshalb die
wahrscheinlichste Erklärung für die beobachtete, rund 20 Zentimeter dicke
Duricrust-Schicht aus verfestigtem, kohäsivem Sand, von der man annimmt, dass
vor allem sie das Eindringen der thermischen Sonde der Mission in größere Tiefen
behindert hat.
Zusätzlich zu den Temperaturen konnte aus einem Vergleich der Bodentemperatur
mit der Oberflächentemperatur die thermische Diffusivität, einem Maß für die
Rate des Wärmetransports in einem Stoff, oder thermische Leitfähigkeit bestimmt
werden. Aus dem Verhältnis von Wärmeleitfähigkeit und Diffusivität konnte
erstmalig die Dichte des Marsbodens abgeschätzt werden, was mit allen bisherigen
Landesonden nicht möglich war. Diese entspricht in den obersten 30 Zentimetern
(einschließlich der Duricrust) derjenigen von basaltischem Sand, einem
Verwitterungsprodukt von häufig, auch auf der Erde, vorkommenden
eisen-magnesiumreichen Vulkangestein, und darunter der von verfestigtem Sand und
gröberen Basaltstücken.
Als die NASA-Mission InSight am 26. November 2018 nahe dem Äquator
in der Ebene Elysium Planitia sanft aufsetzte, war es eine Premiere in der
Erforschung des Mars: Zum ersten Mal wurde eine Station auf die Oberfläche des
Roten Planeten gebracht, die das Ziel hatte, mit geophysikalischen Messungen
einen "Blick" in das Innere des Planeten zu werfen. Die beiden wichtigsten
Instrumente für InSight kamen aus Europa: das französische Experiment
SEIS zur Messung von Erschütterungen des Bodens durch Marsbeben und
Asteroideneinschlägen und die vom DLR beigestellte Thermalsonde HP3, die den
Wärmefluss an und unter der Oberfläche messen sollte, um vor allem Aufschlüsse
über die thermale Entwicklung und die Existenz eines erstarrten oder aber
vielleicht noch flüssigen Metallkerns zu ermöglichen. Wegen immer stärkerer
Staubablagerungen auf den Solarpanelen der Landesonde wurde die Stromversorgung
für die Plattform, die Experimente und die Kommunikation in der zweiten
Jahreshälfte 2022 immer kritischer, was schließlich zum Verlust der Verbindung
zum Lander führte. Daraufhin beschloss die NASA, die Mission InSight
mit dem 15. Dezember 2022 für beendet zu erklären.
Die Ergebnisse der Temperaturmessungen wurden jetzt im Fachmagazin
Geophysical Research Letters veröffentlicht.
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