Am Montag öffnet sich für drei Wochen das Startfenster für
die Mission der ESA-Raumsonde Hera zum Doppelasteroiden Didymos und
Dimorphos. Die Mission schließt an die NASA-Raumsonde DART an, die 2022
kontrolliert auf Dimorphos einschlug, um seine Bahn zu verändern. Das Team
erhofft sich von Hera neue Erkenntnisse zur Asteroidenabwehr.
Wie gefährlich Asteroiden sein können, hat die Erdgeschichte wiederholt
gezeigt. Auch heute lässt sich der verheerende Einschlag eines
Himmelskörpers auf der Erde nicht ausschließen. In Science-Fiction-Filmen
gibt es bereits Technologien, um Einschläge zu verhindern. Doch kann die
Abwehr von Asteroiden auch im "wahren Leben" gelingen? Diese und viele
weitere Fragen soll die Mission Hera der Europäischen
Weltraumorganisation ESA beantworten. Am 7. Oktober 2024 öffnet sich das
dreiwöchige Startfenster für die Raumsonde. Sie wird mit einer
Falcon-9-Rakete vom Raumfahrtbahnhof Cape Canaveral in Florida zu ihrer
zweijährigen Reise zum Doppelasteroiden Didymos und Dimorphos aufbrechen,
den sie für sechs Monate untersuchen wird.
"Vor 66 Millionen Jahren schlug ein Asteroid in Mexiko ein und war sehr
wahrscheinlich die Ursache für das Aussterben der Dinosaurier. Träfen große
Asteroiden die Erde, wäre das eine reale Bedrohung für unseren Planeten und
die gesamte Menschheit. Mit unserer Mission Hera erweitern wir
unser Wissen über Asteroiden und leisten zusammen mit NASA, JAXA, ESA sowie
weiteren Raumfahrtagenturen einen großen Beitrag auf dem Weg zu einer
wirksamen planetaren Verteidigung unserer Erde", sagt Dr. Walther Pelzer,
DLR-Vorstand und Generaldirektor der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
Asteroideneinschläge auf der Erde sind heute sehr selten, können jedoch
gravierende Auswirkungen haben. Am 15. Februar 2013 wurden etwa 1500
Menschen verletzt, als ein kleiner Asteroid mit 20 Metern Durchmesser nahe
der russischen Stadt Tscheljabinsk in die Erdatmosphäre eingetreten war. Er
verdampfte größtenteils, seine Reste lösten bei seiner Explosion in rund 30
Kilometer Höhe aber eine Druckwelle aus, die unzählige Fensterscheiben in
der Millionenstadt zersplittern ließ. Sie waren die Ursache für die
Verletzungen. "Tscheljabinsk war ein Ereignis, das uns als Mahnung dienen
kann. Um gefährliche Ereignisse künftig zu verhindern, brauchen wir die
Daten der Hera-Mission", erklärt Dr. Manuel Metz, Hera-Projektleiter in der
Deutschen Raumfahrtagentur im DLR.
"Die Folgen des Einschlags eines größeren Himmelskörpers wären ungleich
heftiger. Sie könnten gar ganze Ozeanküsten oder Kontinente bedrohen. Dies
hätte existenzielle Folgen für den Fortbestand der Menschheit", betont Dr.
Stephan Ulamec von der DLR-Einrichtung für Raumflugbetrieb und
Astronautentraining, der an Hera wissenschaftlich beteiligt ist.
"Davon zeugen nicht zuletzt Überreste des fast 200 Kilometer großen
Chicxulub-Kraters im heutigen Mexiko."
Die gute Nachricht: Keines der etwa 36.000 bekannten, erdnahen Objekte –
die sogenannten NEOs (Near Earth Objects) – mit mehr als hundert Meter
Durchmesser befindet sich gegenwärtig auf Kollisionskurs mit der Erde. Der
2004 entdeckte Asteroid Apophis etwa wird 2029 die Erde passieren. Bei
seinem Vorbeiflug kommt er ihr mit 31.750 Kilometern über der Oberfläche
näher als Satelliten, die sich auf einer geostationären Umlaufbahn befinden.
Er hat rund 350 Meter Durchmesser, was im Fall eines Einschlags extreme
Auswirkungen hätte. Eine solche Kollision kann nach aktuellem Kenntnisstand
für das 21. Jahrhundert ausgeschlossen werden.
Dass er die Erde so nah passiert zeigt jedoch, dass wir auf solche
Objekte stets vorbereitet sein müssen. Um Methoden zu entwickeln, wie die
Menschheit solchen Gefahren wirksam begegnen kann, führen die amerikanische
Luft- und Raumfahrtbehörde NASA und die Europäische Weltraumorganisation ESA
die Kooperation "Asteroid Impact & Deflection Assessment" (AIDA, deutsch
etwa: Asteroiden-Einschlag- und Ablenkungs-Untersuchung) durch. Sie besteht
aus der NASA-Mission DART und der ESA-Mission Hera.
Den Anfang machte die NASA mit der Raumsonde DART (Double Asteroid
Redirection Test). Als Ziel wurde der Doppelasteroid Didymos und Dimorphos
gewählt, wobei der deutlich kleinere Dimorphos (Durchmesser etwa 150 Meter)
den größeren Didymos (Durchmesser etwa 800 Meter) als Asteroidenmond
umkreist. Ziel war, die Umlaufzeit beider Asteroiden umeinander zu
beeinflussen. Hierzu schlug DART am 26. September 2022 kontrolliert mit
einer Geschwindigkeit von über sechs Kilometern pro Sekunde (22.500
Kilometer pro Stunde) auf Dimorphos ein. Messungen mit Teleskopen konnten
ermitteln, dass sich die Umlaufzeit von Dimorphos von ursprünglich 11
Stunden 55 Minuten um 33 Minuten verkürzt hatte – zuvor modelliert waren nur
10 Minuten.
Hera wird nun auf den Weg zum Doppelasteroiden geschickt, um zu
untersuchen, wie genau sich Umlaufzeit und Gestalt der Asteroiden verändert
haben. Hierzu ist die Sonde mit zwölf Messinstrumenten ausgestattet. Unter
den wichtigsten sind die beiden Asteroid Framing Cameras (AFC),
zwei in Jena gebaute, redundant ausgelegte, monochromatische Kameras, die
genutzt werden, um die Position der Raumsonde in dem Asteroidensystem zu
bestimmen. Sie sind essenziell für die Navigation der Sonde und werden
darüber hinaus zur Erforschung der Asteroiden beitragen.
Das Hera-Wissenschaftsteam wird aus den Bildern der Framing Cameras
ein digitales Geländemodell der Asteroiden berechnen und auf Dimorphos ("der
Zweigestaltige", was auf seine veränderte Form nach dem Impakt abzielt) nach
Veränderungen suchen, die durch den DART-Einschlag verursacht wurden:
"Entstand auf Dimorphos ein Krater? Wurde der gesamte Asteroid verändert?
Wurde auch die Oberfläche von Didymos von Auswurfmaterial getroffen? Diese
Fragen wollen wir mit unserem digitalen Geländemodell beantworten", sagt der
wissenschaftliche Leiter der Kameras, Dr. Jean-Baptiste Vincent vom
DLR-Institut für Planetenforschung.
Hera führt zudem zwei CubeSats, Juventas und Milani,
mit sich, die jeweils die Größe eines Schuhkartons haben. Sie werden
Dimorphos aus nächster Nähe beobachten und in der Schlussphase der Mission
sogar auf dem Asteroiden landen, um dessen Oberfläche, innere Struktur und
Gravitation zu messen. Durch die Messungen soll die exakte Masse von
Dimorphos ermittelt werden, die zuvor bereits durch die AFCs bestimmt wurde.
Die Bestimmung der Masse ist erforderlich, um nachvollziehen zu können, wie
effektiv die Ablenkung durch DART genau war. Aus den gewonnenen Daten kann
anschließend berechnet werden, wie die Ablenkung von anderen Himmelskörpern
gelingen kann.
Für den Fall eines Asteroiden auf tatsächlichem Kollisionskurs wird dies
die Grundlage einer echten planetaren Ablenkmission sein. Zudem werden die
gesammelten Daten einen weiteren Meilenstein für die Asteroidenforschung im
Allgemeinen darstellen. Deutschland ist an der ESA-Mission als größter
Beitragszahler mit etwa 130 Millionen Euro (37 Prozent der Gesamtsumme)
beteiligt. Entwickelt und gebaut wurde die Hera-Sonde von der Firma OHB SE
in Bremen. Eine neu entwickelte Antenne aus kohlenstofffaserverstärktem
Kunststoff stammt von der Münchner Firma HPS. Die beiden Asteroid
Framing Cameras kommen von Jena-Optronik. Die TU Dresden ist maßgeblich
an der Entwicklung des Radarexperiments auf dem Cubesat Juventas
beteiligt. Zudem sind Forschende aus Deutschland im Hera-Science-Team
engagiert, um die gewonnenen Daten der Mission wissenschaftlich auszuwerten.
Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR koordiniert all diese deutschen
Beiträge zur Mission mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Klimaschutz (BMWK).