Blick ins Herz einer Starburstgalaxie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
24. April 2024
Dank der hohen Infrarotempfindlichkeit des Weltraumteleskops
James Webb gelang nun ein eindrucksvoller Blick auf eine Region intensiver Sternentstehung im Zentrum der Starburstgalaxie Messier 82. So konnte
mithilfe großer organischer Moleküle der massereiche galaktische Wind kartiert
und sein Ursprung zu dichten Sternhaufen in der Scheibe der Galaxie
zurückverfolgt werden.

Blick auf den Zentralbereich der
Starburst-Galaxie M 82 mit der Near-Infrared Camera des JWST.
Das Bild enthält rote Filamente, die durch die Emission
polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK)
beleuchtet werden, die den Ursprung und die Form des
galaktischen Windes nachzeichnen.
Bild:
NASA, ESA, CSA, STScI, A. Bolatto (University of Maryland) [Großansicht] |
Starbursts sind Phasen rascher und effizienter Sternentstehung. Die meisten
Galaxien haben in der Frühgeschichte des Universums vor mehr als zehn Milliarden
Jahren solche Zeitalter der intensiven Sternentstehung durchlebt. Die
Erforschung dieser Bedingungen ist jedoch aufgrund ihrer großen Entfernung
schwierig. Glücklicherweise sind einige Starburst-Galaxien relativ nah und
erlauben einen detaillierten Blick in diese extremen Umgebungen.
Eine dieser Galaxien ist Messier 82 (M 82). Sie befindet sich in zwölf
Millionen Lichtjahren Entfernung im Sternbild Große Bärin und ist
vergleichsweise klein. Dennoch herrscht dort eine rege
Sternentstehungsaktivität. Zum Vergleich: M 82 bringt zehnmal mehr neue Sterne
im Jahr hervor als die Milchstraße. Vor etwa zehn Millionen Jahren lag dieses
Verhältnis sogar bei 80. "M 82 ist eine modellhafte Starburstgalaxie mit einem
wunderschönen Ausstrom aus mehreren Gaszuständen und damit ein großartiges
Labor, um diese Art von extremen Umgebungen zu untersuchen", sagt Leindert
Boogaard, Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in
Heidelberg. "Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Entwicklung
von Galaxien, sind aber bei kosmologischen Entfernungen schwierig zu
untersuchen."
"Unsere Forschungsgruppe untersucht den galaktischen Wind in M 82 schon seit
vielen Jahren", sagt Fabian Walter, Forschungsgruppenleiter am MPIA, der auch an
der jetzt vorgestellten Studie beteiligt war. Durch die Nutzung des
hervorragenden Auflösungsvermögens des Instruments NIRCam (Near-Infrared Camera)
des Weltraumteleskops James Webb (JWST) bei infraroten Wellenlängen gelang es
dem Team um Alberto Bolatto von der University of Maryland in den USA,
einen noch nie dagewesenen detaillierten Blick auf die physikalischen
Bedingungen zu werfen, die die Entstehung neuer Sterne fördern. "Bisher haben
wir neben den großen Ausströmungen kaltes und heißes, ionisiertes Gas entdeckt.
Die neuesten JWST-Beobachtungen ermöglichen einen neuen Blick auf die scheinbar
widersprüchlichen Bedingungen mit einer noch nie dagewesenen Auflösung und
Empfindlichkeit", so Walter.
Die Sternentstehung ist nach wie vor rätselhaft, da sie von Schleiern aus
Staub und Gas umhüllt ist, was die Beobachtung dieses Prozesses erschwert.
Glücklicherweise ist die Fähigkeit von JWST, in den Infrarotbereich zu blicken,
ein Vorteil bei der Erkundung dieser trüben Bedingungen. Außerdem wurden die
neuen NIRCam-Bilder des Zentrums des Starbursts in einem Instrumentenmodus
aufgenommen, der verhindert, dass die gleißend helle Quelle den Detektor
überblendet. Während dunkelbraune Stränge aus schwerem Staub den glühend weißen
Kern von M 82 selbst in der Infrarotaufnahme durchdringen, offenbart die NIRCam
des JWST ein Maß an Details, das bisher verborgen war.
Bei näherer Betrachtung des Zentrums zeigen kleine rote Flecken Regionen an,
in denen molekularer Wasserstoff unter dem Einfluss der Strahlung eines nahen
jungen Sterns aufleuchtet. Die grün dargestellten Flecken bezeichnen
konzentrierte Bereiche mit Eisen, bei denen es sich meist um Supernova-Überreste
handelt. Supernova-Explosionen finden am Ende der kurzen Lebensdauer eines
massereichen Sterns statt. Nach einer Epoche mit einer hohen
Sternentstehungsrate führen Starbursts daher auch zu einer intensiven Ära von
Supernovae. Infolgedessen tragen die Explosionen stark zu einem galaktischen
Wind bei, der Gas und Staub in den Halo der Galaxie treibt. Beobachtungen, die
auf bestimmte Wellenlängen beschränkt sind, machen das Material sichtbar, das
weit über und unter der galaktischen Scheibe aufsteigt.
Ein Schwerpunkt des Forschungsteams war es zu verstehen, wie dieser
galaktische Wind, der durch die rasche Sternentstehung und die nachfolgenden
Supernovae verursacht wird, in Gang gesetzt wird und seine Umgebung beeinflusst.
Das Aufschlüsseln eines zentralen Abschnitts von M 82 ermöglichte es den
Wissenschaftlern den Ursprung des Windes zu untersuchen und Einblicke in die
Wechselwirkung zwischen heißen und kalten Komponenten zu gewinnen. Das NIRCam-Instrument
ist gut geeignet, um die Struktur des galaktischen Windes anhand der Emission
von Molekülen, den sogenannten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen
(PAK), zu verfolgen. PAK gelten als winzige Körnchen an der Grenze zwischen
großen Molekülen und rußigen Staubpartikeln, die kühleren Temperaturen
standhalten, aber unter heißen Bedingungen zerfallen.
Zur großen Überraschung des Teams verdeutlicht der neue Blick auf die
PAK-Emission die Feinstruktur des galaktischen Windes - ein Aspekt, der bisher
unbekannt war. Die als rote Fäden dargestellte Emission erstreckt sich von der
zentralen Region weg, in der sich das Herz der Sternentstehung befindet. Eine
weitere unerwartete Entdeckung war die ähnliche Struktur zwischen der
PAK-Emission und derjenigen von heißem, ionisiertem Gas. "Es überrascht, dass
die Emissionsstruktur der PAK derjenigen von ionisiertem Gas ähnelt", so Bolatto.
"PAKs widerstehen einer so intensiven Strahlung nicht sehr lange, vielleicht
werden sie also ständig erneuert. Das stellt unsere Theorien infrage und zeigt
uns, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind."
"Es ist beeindruckend, die spektakulären Details in den Ausströmungen zu
sehen, die in der PAK-Emission aufleuchten, was wiederum die Leistungsfähigkeit
des JWST unter Beweis stellt", betont Boogaard. "Die neuen Beobachtungen liefern
uns wichtige Informationen darüber, wie diese Ausströmungen in Gang gesetzt
werden und wie sie ihre Umgebung beeinflussen."
Die Beobachtungen von M 82 im Nahinfrarotlicht werfen weitere Fragen zur
Sternentstehung auf, von denen das Team hofft, einige mit zusätzlichen
JWST-Daten beantworten zu können. Bald wird das Team für weitere Analysen über
spektroskopische Beobachtungen von M 82 mit dem JWST verfügen, sowie über
ergänzende großflächige Bilder der Galaxie und des Windes. Die Spektraldaten
werden den Astronominnen und Astronomen helfen, das genaue Alter der Sternhaufen
zu bestimmen und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie lange die einzelnen Phasen
der Sternentstehung in der Umgebung einer Starburst-Galaxie dauern.
Auf breiterer Ebene kann die Untersuchung der Aktivität in Galaxien wie M 82
das Verständnis der Astronominnen und Astronomen für das frühe Universum
vertiefen. Schließlich ist JWST in der Lage, Galaxien in allen Entfernungen zu
untersuchen. Neben jungen, weit entfernten Galaxien können Astronominnen und
Astronomen auch Ziele in der näheren Umgebung untersuchen, um einen
detaillierten Einblick in die Prozesse zu erhalten, die hier ablaufen –
Ereignisse, die auch im frühen Universum stattfanden.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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