Metallarme Sterne bieten dem Leben bessere Chancen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
19. April 2023
Sterne, die vergleichsweise große Mengen schwerer Elemente
enthalten, bieten ungünstigere Bedingungen für das Entstehen komplexen Lebens
als metallarme Sterne. Grund dafür ist die Art der ultravioletten Strahlung, die
die Sonnen aussenden und die durch diese verursachten Reaktionen in
Planetenatmosphären. Das Universum könnte also mit zunehmendem Alter immer
lebensfeindlicher werden.

Das Leben auf erdähnlichen Planeten um ferne
Sterne hat bessere Chancen, wenn die Sonnen nur über wenige
schwerere Elemente verfügen.
Bild:
NASA / Ames/SETI Institute / JPL-Caltech [Großansicht] |
Auf der Suche nach bewohnbaren oder gar bewohnten Planeten, die um ferne
Sterne kreisen, beschäftigen sich Forschende seit einigen Jahren zunehmend mit
den Gashüllen dieser Welten. Lassen sich in Beobachtungsdaten Hinweise auf eine
Atmosphäre finden? Enthält diese vielleicht sogar Gase wie Sauerstoff oder
Methan, die auf der Erde fast ausschließlich als Stoffwechselprodukte von
Lebewesen entstehen? In den nächsten Jahren werden solche Untersuchungen in
völlig neue Bereiche vorstoßen: Das James-Webb-Teleskop von NASA und ESA wird es
nicht nur ermöglichen, die Atmosphären großer Gasriesen wie Super-Neptune zu
charakterisieren, sondern auch erstmals die viel schwächeren spektrographischen
Signale von Gesteinsplanetenatmosphären zu analysieren.
Eine jetzt veröffentlichte Studie wendet sich mithilfe von Modellrechnungen
dem Ozongehalt von Exoplaneten-Atmosphären zu. Wie auf der Erde kann diese
Verbindung aus drei Sauerstoffatomen die Planetenoberfläche (und Lebensformen,
die sich auf ihr aufhalten) vor zellschädigender ultravioletter Strahlung
schützen. Eine Hülle aus Ozon ist somit eine wichtige Voraussetzung für das
Entstehen komplexen Lebens. "Wir wollten verstehen, welche Eigenschaften ein
Stern mitbringen muss, damit seine Planeten eine schützende Ozonschicht
ausbilden können", erklärt Dr. Anna Shapiro vom Max-Planck-Institute für
Sonnensystemforschung (MPS) den Grundgedanken.
Wie oft in der Wissenschaft wurde auch diese Fragestellung durch die
Ergebnisse einer früheren Studie angestoßen. Vor drei Jahren hatten Forschende
unter der Leitung des MPS die Helligkeitsschwankungen der Sonne mit denen
hunderter sonnenähnlicher Sterne verglichen. Das Ergebnis: Die Intensität des
sichtbaren Lichts vieler dieser Sterne schwankt viel stärker als die der Sonne.
"Wir haben riesige Intensitätsspitzen gesehen", sagt Dr. Alexander Shapiro, der
sowohl an den Analysen von vor drei Jahren als auch an der aktuellen Studie
beteiligt war. "Es ist also durchaus möglich, dass auch die Sonne zu solchen
Intensitätsspitzen fähig ist. In diesem Fall würde auch die Intensität des
ultravioletten Lichts dramatisch ansteigen", fügt er hinzu. "Da haben wir uns
natürlich gefragt, was das für das Leben auf der Erde bedeuten würde und wie die
Situation in anderen Sternensystemen ist", sagt Prof. Dr. Sami Solanki, Direktor
am MPS und ebenfalls Koautor beider Studien.
An der Oberfläche etwa der Hälfte aller Sterne, um die nachweislich
Exoplaneten kreisen, herrschen Temperaturen zwischen etwa 5000 und 6000 Grad
Celsius. Die Forschende wandten sich in ihren Rechnungen deshalb dieser
Untergruppe zu. Mit einer Oberflächentemperatur von etwa 5500 Grad Celsius
gehört ihr auch die Sonne an. "In der Atmosphärenchemie der Erde kommt der
ultravioletten Strahlung von der Sonne eine zweifache Rolle zu", erklärt Anna
Shapiro, die sich vor ihrer Zeit am MPS vor allem mit dem Einfluss der
Sonnenstrahlung auf die Erdatmosphäre beschäftigt hatte.
In Reaktionen mit einzelnen Sauerstoffatomen und Sauerstoffmolekülen kann
Ozon sowohl entstehen, als auch vernichtet werden. Während die langwellige
UV-B-Strahlung Ozon zerstört, trägt die kurzwellige UV-C-Strahlung dazu bei,
dass in der mittleren Atmosphäre schützendes Ozon entstehen kann. "Es war daher
naheliegend anzunehmen, dass ultraviolettes Licht einen ähnlich komplexen
Einfluss auch auf die Atmosphären von Exoplaneten haben könnte", fügt die
Astronomin hinzu.
Die Forschenden berechneten deshalb, genau aus welchen Wellenlängen sich das
ultraviolette Licht, dass die Sterne abstrahlen, zusammensetzt. Dabei
betrachteten sie erstmals auch den Einfluss der Metallizität. Diese Eigenschaft
beschreibt, in welchem Verhältnis Wasserstoff und schwerere Elemente (von
Astrophysikern vereinfachend und etwas irrführend als Metalle bezeichnet) im
Baumaterial des Sterns vorliegen. Im Fall der Sonne kommen auf ein Eisenatom
mehr als 31.000 Wasserstoffatome. Die Studie berücksichtigt auch Sterne mit
geringerem und höherem Eisenanteil.
In einem zweiten Schritt ging das Team der Frage nach, wie sich die
berechnete UV-Strahlung auf die Atmosphäre von Planeten auswirken würde, die in
einem lebensfreundlichen Abstand um diese Sterne kreisen. Als lebensfreundlich
gelten solche Abstände, die moderate Temperaturen – weder zu heiß noch zu kalt –
an der Planetenoberfläche zulassen. Für solche Welten simulierte das Team am
Computer, welche Prozesse genau das charakteristisch zusammengesetzte UV-Licht
des Muttersterns in der Planetenatmosphäre in Gang setzt.
Um die Zusammensetzung von Planetenatmosphären zu berechnen, verwendeten die
Forschenden ein Chemie-Klima-Modell. Es simuliert die Prozesse, die Sauerstoff,
Ozon und viele andere Gase steuern, sowie deren Wechselwirkung mit
ultraviolettem Licht von Sternen in sehr hoher spektraler Auflösung. Dieses
Modell machte es möglich, eine Vielzahl von Bedingungen auf Exoplaneten zu
untersuchen und mit der Historie der Erdatmosphäre in der letzten halben
Milliarde Jahre zu vergleichen. In diesem Zeitraum bildeten sich der hohe
Sauerstoffgehalt der Atmosphäre und die Ozonschicht, die die Entwicklung des
Lebens an Land auf unserem Planeten ermöglichten. "Es ist vorstellbar, dass die
Geschichte der Erde und ihrer Atmosphäre Hinweise auf die Entwicklung des Lebens
enthält, die auch auf Exoplaneten zutreffen könnten", sagt Jos Lelieveld,
geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie, der an der
Studie beteiligt war.
Das Ergebnis überraschte: Zwar strahlen metallarme Sterne insgesamt mehr
UV-Strahlung ab als metallreiche. Doch auch das Verhältnis von ozonerzeugender
UV-C-Strahlung und ozonvernichtender UV-B-Strahlung hängt kritisch von
Metallizität ab: Bei metallarmen Sternen überwiegt die UV-C-Strahlung, so dass
eine dichte Ozonschicht entstehen kann. Bei metallreichen Sternen mit ihrer
überwiegenden UV-B-Strahlung fällt diese schützende Hülle deutlich dürftiger
aus. "Anders als erwartet, dürften somit metallarme Sterne günstigere
Bedingungen für die Entstehung von Leben bieten", fasst Anna Shapiro zusammen.
Diese Erkenntnis könnte hilfreich sein für künftige Weltraummissionen wie die
PLATO-Mission der ESA, die eine riesige Anzahl von Sternen nach Anzeichen
bewohnbarer Exoplaneten durchforsten sollen. Mit 26 Teleskopen an Bord startet
die gleichnamige Sonde 2026 ins All und wird ihr Augenmerk in erster Linie auf
erdähnliche Planeten richten, die sonnenähnliche Sterne in einem
lebensfreundlichen Abstand umkreisen. Das Datenzentrum der Mission entsteht
derzeit am MPS. "Unsere aktuelle Studie gibt uns wertvolle Hinweise, welche
Sterne wir mit besonderer Aufmerksamkeit beobachten sollten", so Prof. Dr.
Laurent Gizon, geschäftsführender Direktor des MPS und Ko-Autor der aktuellen
Studie.
Zudem ergibt sich aus der Studie eine geradezu paradox anmutende
Schlussfolgerung: Mit zunehmendem Alter dürfte das Universum immer
lebensfeindlicher werden. Metalle und andere schwere Elemente entstehen im
Innern von Sternen am Ende ihres mehrere Milliarden Jahre währenden Lebens und
werden – je nach Masse des Sterns – als Sternwind oder bei einer
Supernova-Explosion ins All abgegeben: der Baustoff für die nächste
Sterngeneration. "Jedem neu entstehenden Stern steht deshalb metallreicheres
Baummaterial zur Verfügung als seinen Vorgängern. Die Sterne im Universum werden
von Generation zu Generation immer metallreicher", so Anna Shapiro.
Gemäß der neuen Studie sinkt somit mit zunehmendem Alter des Universums auch
die Wahrscheinlichkeit, dass Sternsysteme Leben hervorbringen. Aussichtslos ist
die Suche nach Leben jedoch nicht. Schließlich haben viele Wirtssterne von
Exoplaneten ein ähnliches Alter wie unsere Sonne. Und von diesem Stern ist ja
bekannt, dass er durchaus komplexe und interessante Lebensformen auf mindestens
einem seiner Planeten beherbergt.
Über die Studie berichtet das Team jetzt in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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