Heiße Gasblase auf Bahn um das Schwarze Loch der Milchstraße entdeckt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
23. September 2022
Astronominnen und Astronomen haben mit dem
Radioteleskopverbund ALMA die unmittelbare Umgebung von Sagittarius A*, dem
supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße, untersucht und
dabei Anzeichen für einen "Hot Spot" entdeckt, der die zentrale Quelle in einer
sehr engen Umlaufbahn umkreist und nur etwa 70 Minuten für eine Umrundung
benötigt.
Bild von Sagittarius A*, das die
EHT-Kollaboration im Mai 2022 veröffentlicht hat. Darin
eingetragen ist, wo sich nach der Modellierung der ALMA-Daten
der heiße Fleck befinden sollte und in welcher Entfernung er
um das Schwarze Loch kreist. Bild:
EHT-Kollaboration, ESO/M. Kornmesser (Acknowledgment: M.
Wielgus) [Großansicht] |
Mithilfe des in über 5000 Meter Höhe in Chile gelegenen Atacama Large
Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) haben Astronominnen und Astronomen
Anzeichen für einen "Hot Spot" entdeckt, der Sagittarius A*, das Schwarze Loch
im Zentrum unserer Milchstraße, umkreist. Die Entdeckung hilft, die komplexe und
dynamische Umgebung dieses supermassereichen Schwarzen Lochs besser zu
verstehen.
"Wir vermuten, dass wir es mit einer heißen Gasblase zu tun haben, die
Sagittarius A* auf einer Bahn umkreist, die ähnlich groß ist wie die des
Planeten Merkur, aber in nur etwa 70 Minuten eine volle Umkreisung vollzieht.
Dies erfordert eine unglaubliche Geschwindigkeit von etwa 30 % der
Lichtgeschwindigkeit", sagt Maciek Wielgus vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie in Bonn, der die jetzt veröffentlichte Studie geleitet hat.
Die Beobachtungen erfolgten mit ALMA in den chilenischen Anden – einem
Radioteleskop, das von der europäischen Südsternwarte ESO mitgetragen wird – und
zwar gleichzeitig mit einer Beobachtungskampagne der Event-Horizon-Teleskop-
(EHT) Kollaboration zur Abbildung Schwarzer Löcher. Im April 2017 kombinierte
das EHT acht bestehende Radioteleskope auf der ganzen Welt, darunter ALMA, was
zu dem kürzlich veröffentlichten ersten Bild von Sagittarius A* führte (astronews.com
berichtete). Für die Kalibrierung der EHT-Daten verwendeten Wielgus und seine
Arbeitsgruppe, die Mitglieder der EHT-Kollaboration sind, ALMA-Daten, die
parallel zu den EHT-Beobachtungen von Sagittarius A* aufgezeichnet wurden.
Zur Überraschung des Teams fanden sich in den ALMA-Messungen weitere Hinweise
auf die Natur des Schwarzen Lochs. Einige der Beobachtungen wurden zufällig kurz
nach einem Ausbruch bzw. Flare von Röntgenenergie aus dem Zentrum unserer
Galaxie durchgeführt, der vom NASA-Weltraumteleskop Chandra entdeckt
wurde. Diese Art von Ausbrüchen, die zuvor mit Röntgen- und Infrarotteleskopen
beobachtet wurden, stehen vermutlich mit sogenannten "Hot Spots" in Verbindung,
heißen Gasblasen, die sehr schnell und nahe am Schwarzen Loch kreisen.
"Das wirklich Neue und Interessante ist, dass solche Flares bisher nur in
Röntgen- und Infrarotbeobachtungen von Sagittarius A* deutlich zu sehen waren.
Hier sehen wir zum ersten Mal einen sehr starken Hinweis darauf, dass umlaufende
Hot Spots auch in Radiobeobachtungen vorhanden sind", sagt Wielgus, der auch am
Nicolaus Copernicus Astronomical Centre in Polen sowie in der Black
Hole Initiative der Harvard University tätig ist. "Vielleicht sind
diese bei Infrarotwellenlängen entdeckten Hot Spots eine Erscheinung desselben
physikalischen Phänomens: Wenn sich die im Infraroten strahlenden Hot Spots
abkühlen, werden sie bei längeren Wellenlängen sichtbar, wie die, die von ALMA
und dem EHT beobachtet werden2, fügt Jesse Vos, Doktorand an der Radboud-Universität
in den Niederlanden, hinzu, der ebenfalls an dieser Studie beteiligt war.
Lange Zeit ging man davon aus, dass die Flares durch magnetische
Wechselwirkungen in dem sehr heißen Gas entstehen, das in unmittelbarer Nähe von
Sagittarius A* kreist. Die neuen Ergebnisse stützen diese Idee. "Jetzt finden
wir starke Hinweise auf einen magnetischen Ursprung dieser Flares, und unsere
Beobachtungen geben uns einen Hinweis auf die Geometrie des Prozesses. Die neuen
Daten sind äußerst hilfreich für die Formulierung einer theoretischen
Interpretation dieser Ereignisse", sagt Mitautorin Monika Mościbrodzka,
ebenfalls von der Radboud-Universität.
ALMA ermöglicht es den Astronomen und Astronominnen, die polarisierte
Radioemission von Sagittarius A* zu untersuchen, die dazu verwendet werden kann,
das Magnetfeld des Schwarzen Lochs zu identifizieren. Das Team nutzte diese
Beobachtungen zusammen mit theoretischen Modellen, um mehr über die Entstehung
des Hot Spots und die Umgebung, in die er eingebettet ist, zu erfahren,
einschließlich des Magnetfelds um Sagittarius A*. Ihre Untersuchungen liefern
stärkere Anhaltspunkte für die Form dieses Magnetfelds als frühere Beobachtungen
und helfen den Forschenden, die Natur unseres Schwarzen Lochs und seiner
Umgebung zu entschlüsseln.
Die Beobachtungen bestätigen einige der früheren Entdeckungen, die mit dem
GRAVITY-Instrument am Very Large Telescope der ESO gemacht wurden, das
im Infraroten beobachtet. Die Daten von GRAVITY und ALMA deuten beide darauf
hin, dass der Strahlungsausbruch in einem Gasklumpen entsteht, der mit etwa 30 %
der Lichtgeschwindigkeit im Uhrzeigersinn um das Schwarze Loch herumwirbelt,
wobei dessen Umlaufbahn nahezu von oben erscheint.
"In Zukunft sollten wir in der Lage sein, Hot Spots durch koordinierte
Multiwellenlängenbeobachtungen mit GRAVITY und ALMA über einen größeren
Spektralbereich hinweg zu verfolgen – der Erfolg eines solchen Unterfangens wäre
ein echter Meilenstein für unser Verständnis der Physik von Flares im
galaktischen Zentrum", sagt Ivan Marti-Vidal von der Universität Valencia in
Spanien, Mitautor der Studie. Das Team hofft auch, mit dem EHT die umlaufenden
Gasklumpen direkt beobachten zu können, um noch näher an das Schwarze Loch
heranzukommen und mehr darüber zu erfahren.
"Hoffentlich können wir eines Tages sagen, dass wir wirklich verstehen, was
in Sagittarius A* vor sich geht", so Wielgus. "Diese neuen Ergebnisse belegen
eindrucksvoll, dass die am MPIfR und anderen Instituten durchgeführten
Weiterentwicklungen am ALMA-Teleskop für die Bildgebung mit dem EHT auch
Erkenntnisse über die Variabilität solcher Quellen auf Skalen ermöglichen, die
so bisher nicht möglich waren", schließt Anton Zensus, Direktor und Leiter der
Forschungsabteilung "Radioastronomie / VLBI" am MPIfR.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astronomy & Astrophyscis erschienen ist.
|