47 Tuc und das Magnetfeld der Milchstraße
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
3. März 2020
Durch die Beobachtung von Pulsaren im Kugelsternhaufen 47
Tuc gelang es einem Team aus Astronominnen und Astronomen jetzt erstmals, das
Magnetfeld im Halo der Milchstraße genauer zu untersuchen. Man fand ein
unerwartet starkes Magnetfeld in Richtung des Kugelsternhaufens, senkrecht zur
Ebene der Milchstraße. Es könnte durch eine Wechselwirkung mit einem
galaktischen Wind erklärt werden.
Kugelsternhaufen 47 Tuc (oben rechts) mit der
Kleinen Magellanischen Wolke. Inset: 47 Tuc mit
dem nachgewiesenen Magnetfeld in Farbdarstellung.
Feldlinien zeigen die Wirkung des galaktischen
Windes.
Bild: ESO / VISTA VMC (Hintergrundbild);
F. Abbate et al., Nature Astronomy (Inset) [Großansicht] |
47 Tucanae oder 47 Tuc, wie er abgekürzt genannt wird, ist ein bereits mit
bloßem Auge sichtbarer eindrucksvoller Kugelsternhaufen im Sternbild Tukan,
recht nahe in Richtung der Kleinen Magellanischen Wolke am Südhimmel. Der
erste Pulsar darin wurde bereits im Jahr 1990 mit dem
Parkes-64-Meter-Radioteleskop in Australien entdeckt, und bald danach wurden
weitere Pulsare mit dem gleichen Teleskop nachgewiesen. Insgesamt kennt man
aktuell 25 Pulsare in 47 Tuc.
Aus diesem Grund ist dieser gut erforschte Kugelsternhaufen ein sehr
wichtiges Forschungsobjekt für Pulsarastronomen. Pulsare sind Quellen mit
periodischem Signal, mit dem die Astronomen das sogenannte Dispersionsmaß
bestimmen können, nämlich die Verzögerung in der Ankunftszeit der Einzelpulse
bei unterschiedlichen Frequenzen. Diese Verzögerung ist proportional zur
Dichte der freien Elektronen auf der Sichtlinie zwischen Pulsar und Erde.
"Bereits im Jahr 2001 ist uns aufgefallen, dass die Pulsare auf der
rückwärtigen Seite des Kugelsternhaufens ein höheres Dispersionsmaß zeigten
als diejenigen auf der Vorderseite. Das ist ein direkter Hinweis auf die
Existenz von Gas in 47 Tuc", sagt Paulo Freire vom Max-Planck-Institut für
Radioastronomie, der Projektleiter für eine Reihe von Pulsarmessungen in 47
Tuc.
Was 47 Tuc sogar noch interessanter macht, ist seine Entfernung von ca.
15.000 Lichtjahren, die ihn in einen relativ ungestörten Bereich des Halos
unserer Milchstraße positioniert. Der Halo umgibt die galaktische Scheibe und
enthält nur wenige Sterne und auch sehr wenig Gas. "Die Pulsare in diesem
Kugelsternhaufen ermöglichen uns einen einzigartigen und bisher nicht
gekannten Einblick in die großskalige Struktur des Magnetfelds im
galaktischen Halo", erläutert Federico Abbate vom Bonner Max-Planck-Institut
für Radioastronomie (MPIfR), der die Datenanalyse als Teil seiner
Doktorarbeit an der Universität von Mailand Bicocca und am INAF-Observatorium
Cagliari durchgeführt hat.
Die Kenntnis von Struktur und Stärke des galaktischen Magnetfelds ist
ausschlaggebend für ein vollständiges Bild unserer Milchstraße. Kosmische
Magnetfelder beeinflussen die Sternentstehung, regulieren die Ausbreitung von
hochenergetischer Teilchenstrahlung und helfen dabei, die Existenz von
Gasausflüssen von der Scheibe der Milchstraße in den umgebenden Halo zu
bestätigen. Trotz ihrer Bedeutung ist der großskalige Verlauf von
Magnetfeldern im Halo bis jetzt nicht vollständig bekannt.
Magnetfelder können normalerweise nicht direkt beobachtet werden. Statt
dessen nutzen Wissenschaftler ihre Wirkung auf Plasma von geringer Dichte in
der galaktischen Scheibe. Im Plasma sind Elektronen von Atomkernen getrennt
und sie wirken wie winzige Magnete. Die Elektronen werden vom Magnetfeld
angezogen und in Umlaufbahnen um die magnetischen Feldlinien gezwungen. Dabei
wird langwellige elektromagnetische Strahlung, sogenannte
Synchrotronstrahlung, emittiert.
Neben der direkt ausgesandten Strahlung beeinflussen freie Elektronen im
Plasma auch die Ausrichtung der durchgehenden polarisierten Strahlung. Das
elektromagnetische Feld von polarisierten Radiowellen schwingt jeweils in der
gleichen Ebene. Die Richtung wird von Elektronen in einem magnetischen Medium
frequenzabhängig verändert. Dieser als Faraday-Rotation bekannte Effekt ist
in Radiowellen messbar. Messungen der polarisierten Radiostrahlung sind für
das Magnetfeld in der galaktischen Scheibe gut anwendbar, weil die Dichte des
Plasmas groß genug ist. Im galaktischen Halo hingegen ist die Plasmadichte
für einen direkten Nachweis zu gering.
Aus diesem Grund war es bisher nicht möglich, Ausrichtung und Stärke des
Magnetfelds im Halo zu bestimmen und Modellvorhersagen ließen keine
Unterscheidung zwischen paralleler oder senkrechter Ausrichtung zur
galaktischen Scheibe zu. Auf das Vorhandensein eines magnetischen Ausflusses
von der Scheibe aus in den Halo wurde nur indirekt aus dem Vergleich mit
anderen Galaxien geschlossen. Dadurch könnte dann auch die diffuse
Röntgenstrahlung in der Milchstraße erklärt werden.
Neuere Beobachtungen der Pulsare in 47 Tuc, ebenfalls mit dem Parkes-Radioteleskop,
ermöglichten die Bestimmung der polarisierten Radiostrahlung der Pulsare und
ihrer Faraday-Rotation. Daraus lässt sich ein überraschend starkes Magnetfeld
in dem Kugelsternhaufen ableiten. Es ist tatsächlich so stark, dass es nicht
in 47 Tuc selbst erzeugt sein kann, sondern eine externe Quelle im
galaktischen Halo erfordert. Die Ausrichtung des Magnetfelds ist vereinbar
mit einem galaktischen Wind senkrecht zur galaktischen Scheibe. Die
Wechselwirkung dieses galaktischen Winds mit dem Kugelsternhaufen würde eine
Stoßwelle erzeugen, die das Magnetfeld auf die beobachteten Werte verstärkt.
Hieraus ergibt sich eine neue Beobachtungstechnik, um Magnetfelder im Halo
der Milchstraße zu untersuchen. Der Kugelsternhaufen 47 Tuc ist ein
hervorragendes Zielobjekt für Beobachtungen mit dem neuartigen MeerKAT-Radioteleskop
in Südafrika. "Bereits in naher Zukunft wird das MeerKAT-Teleskop die
Polarisationsbeobachtungen deutlich verbessern und nicht nur die Existenz des
galaktischen Winds bestätigen, sondern auch Messzahlen für seine
Eigenschaften liefern", sagt Andrea Possenti vom INAF-Observatorium Cagliari,
der am Pulsar-Beobachtungsprojekt mit MeerKAT zusammen mit dem MPIfR
beteiligt ist. Darüber hinaus ist dieses Radioteleskop, insbesondere mit der
zukünftigen Weiterentwicklung zum Square Kilometre Array (SKA), empfindlich
genug, um auch weitere Kugelsternhaufen im galaktischen Halo zu untersuchen
und die Ergebnisse zu bestätigen.
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
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