Von Synchrotron-Harfen und Weihnachtsbäumen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam astronews.com
24. Dezember 2019
Mit Radioteleskopen wurden schon seit Jahren flächige
Strukturen im Zentrum der Milchstraße beobachtet. Detailliertere Beobachtungen
zeigen nun Filamente, die an Harfen und Weihnachtsbäume erinnern. Ihre Analyse
verrät den Forscherinnen und Forschern etwas über den Transportprozess der
kosmischen Strahlung und hilft ein jahrzehntelanges Rätsel zu lösen.
Radio-Synchrotron-Harfe und Weihnachtsbaum im
galaktischen Zentrum.
Bild: T. Thomas (AIP) / MeerKat [Großansicht] |
Die inneren Regionen unserer Galaxie, der Milchstraße, zeichnen sich durch
große Mengen an warmem Gas, kosmischer Strahlung und erhöhte Radioemission
aus. "Radioastronomen beobachten schon seit Jahren flächige Strukturen im
galaktischen Zentrum. Neuere Beobachtungen mit dem MeerKAT-Teleskop in
Südafrika zeigen, dass diese in Gruppen von fast parallelen Filamenten
angeordnet sind, die sich über mehrere Lichtjahre erstrecken", erzählt Timon
Thomas vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). "Die Filamente
sind scheinbar ihrer Länge nach sortiert, so dass sie wie die Saiten einer
Harfe aussehen."
Die Forscherinnen und Forscher aus Potsdam und vom Max-Planck-Institut für
Astrophysik (MPA) in Garching tauften diese Objekte daher
Radio-Synchrotron-Harfen. Synchrotron ist die Bezeichnung des Mechanismus,
der Radiostrahlung durch Beschleunigung von geladenen Teilchen wie Elektronen
in Magnetfeldern erzeugt. "Die beobachteten Strukturen entstehen, wenn
massereiche Sterne oder Pulsare geordnete Magnetfeldstrukturen durchfliegen
und dabei entlang ihrer Bahn kosmische Strahlungsteilchen in diese
Magnetfelder entladen," erklärt Prof. Dr. Christoph Pfrommer vom AIP. "Die
Teilchen breiten sich entlang der Magnetfeldlinien aus, meist quer zur
Sternenbahn, lassen die Magnetfelder im Radiobereich aufleuchten und wie die
Saiten einer Harfe erscheinen."
Der genaue Transportprozess der Teilchen war bisher ein Mysterium. Die
Forscher gehen nun davon aus, dass die einzelnen Saiten die chronologische
Abfolge zeigen, in der die Teilchen sich vom Ort ihrer Freisetzung entlang
der Magnetfeldlinien ausbreiteten. Wäre diese Ausbreitung ein
Diffusionsprozess, also eine ungerichtete Eigenbewegung der einzelnen
Teilchen, sollten die Objekte abgerundete Glockenformen aufweisen, was sie
aber nicht tun.
Durch die Vermessung einer der Harfen sowie detaillierte Modellrechnungen
konnten die Astrophysiker nun zeigen, dass die Teilchen stattdessen wie in
einem Fluss gemeinsam strömen. Damit ist die Strömung der wichtigste
Transportprozess der kosmischen Strahlung. "Hierbei 'zupfen' die Teilchen
quasi an den Saiten und regen dabei die Magnetfelder zu Schwingungen an,
welche wiederum die Teilchen zu einem strömenden Fluid zusammenhalten,"
erläutert Torsten Enßlin vom MPA, der Initiator der Studie.
Mit dieser Erkenntnis zur Weihnachtszeit sei, so das Team, das jahrzehntealte
Rätsel um den Transport der Teilchen kosmischer Strahlung geklärt:
Hauptsächlich strömen die Teilchen, entgegen der bisherigen Annahme, die
voranging von Diffusion ausging. Die Ergebnisse wurden jetzt in einem
Fachartikel beschrieben, der bei den Astrophysical Journal Letters
zur Veröffentlichung eingereicht wurde.
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