Besondere Schneebälle aus dem Labor
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Innsbruck astronews.com
25. November 2016
Sogenannte Fußballmoleküle könnten bei der Entstehung des
Lebens im All eine wichtige Rolle gespielt haben. Nun ist es Wissenschaftlern
der Universität Innsbruck erstmals gelungen, diese Fullerene mit einer festen
Heliumschicht zu überziehen. Ihre Messungen sind für die Analyse
astrophysikalischer Beobachtungen von Bedeutung.

Wissenschaftler haben ganz besondere
"Schneebälle" im Labor erzeugt.
Bild: Universität Innsbruck
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Wie Zuckerguss überzieht festes Helium die großen, fußballförmigen
Kohlenstoff-Moleküle, die Innsbrucker Physiker im Labor erstmals erzeugt haben.
Die Messungen an den "Schneebällen" lieferten jetzt wichtige Daten für die Suche
nach Fullerenen im Weltall. Die Moleküle könnten eine wichtige Rolle bei der
Entstehung des Lebens gespielt haben.
Helium ist die einzige Substanz, die selbst am absoluten Nullpunkt unter
Normaldruck nicht fest wird. Anders ist dies, wenn Helium sich auf geladenen
Teilchen ablagert. Dann kann sich auch bei niedrigem Druck eine feste
Heliumschicht ausbilden. Diese sogenannten Atkins-Schneebälle wurden schon für
einige einfache Teilchen nachgewiesen.
Nun hat eine Arbeitsgruppe um Prof. Paul Scheier vom Institut für Ionenphysik
und Angewandte Physik der Universität Innsbruck erstmals Fullerene mit einer
festen Heliumschicht überzogen und vermessen. Fullerene sind kugelförmige
Moleküle aus Kohlenstoffatomen, die wie auf einem Fußball angeordnet sind. Man
spricht deshalb auch von Fußballmolekülen.
Das Team um Scheier erzeugt im Labor ultrakalte Heliumtröpfchen, in denen die
beinahe kugelförmigen Moleküle aus 60 Kohlenstoffatomen eingelagert und
ionisiert werden. Mit einem Massenspektrometer werden die Teilchen dann
analysiert. "Wir konnten zeigen, dass Fullerene bis zu 32 Heliumatome aufnehmen
können, bevor der feste Heliummantel um das Kohlenstoffmolekül aufzuschmelzen
und ein Teil der Atome zu wandern beginnt", erzählt der Physiker. "Mit 60
Heliumatomen ist die erste Schale um das Fulleren voll. Ab 80 Atomen ändert sich
das Absorptionsverhalten des Ions nicht mehr, was wir mit dem Einsetzen der
Suprafluidität interpretieren."
Mithilfe eines verstellbaren, schmalbandigen Laserstrahls konnten die
Wissenschaftler Absorptionsspektren ermitteln, die Auskunft über den Zustand des
Heliums geben. Die Experimente konnten durch eine Kollaboration von Mitgliedern
des Doktoratskollegs Atome, Licht und Moleküle verwirklicht werden. Mit
umfangreichen theoretischen Simulationen konnten die Forscher die Ergebnisse aus
dem Labor bestätigen.
Die von den Innsbrucker Physikern gemeinsam mit einem internationalen Team
ermittelten Absorptionsspektren bilden eine wichtige Grundlage für die
Beurteilung von astrophysikalischen Beobachtungen. Im Jahr 2010 wurde die
Existenz von Fullerenen im Weltall erstmals nachgewiesen. Die nun vorgestellten
Ergebnisse liefern weitere Hinweise für die Interpretation von Messergebnissen
aus dem All.
Die Kohlenstoffverbindungen sind an zahlreichen chemischen und physikalischen
Prozessen im Weltall beteiligt und könnten zum Beispiel in interstellaren Wolken
bei der Entstehung komplexer Biomoleküle als Katalysator gedient haben. Das
haben frühere Untersuchungen der Innsbrucker Ionenphysiker bereits ergeben.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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