Blick ins Innere von Gletschern
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
14. November 2016
Mithilfe von Radardaten von Satelliten und neuen
Abbildungstechniken würden sich nicht nur einmalige globale Informationen über
die dynamischen Prozessen auf der Erdoberfläche gewinnen lassen, sondern das
Verfahren würde auch einen detaillierten Blick ins Innere von Gletschern
ermöglichen. Nun hoffen die Forscher auf die vorgeschlagene Satellitenmission
Tandem-L.

Die Tandem-L-Satelliten mit großen
entfaltbaren Reflektorantennen im Formationsflug.
Bild: DLR [Großansicht] |
Am Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben Forscher eine neue Methode zur 3D-Vermessung
der Erde entwickelt. In enger Zusammenarbeit mit dem Alfred-Wegener-Institut
(AWI) konnte diese Methode nun erfolgreich zur Vermessung von Gletschern und
Eisflächen angewendet werden.
Bereits seit einigen Jahren unterstützt das AWI das DLR bei der sukzessiven
Interpretation des Radarsignales und so konnte das DLR erfolgreich seine
Radartechnologie in dem Bereich der Kryosphäre ausbauen. Das nun entwickelte
satellitengestützte Radarkonzept ermöglicht es Wissenschaftlern die Veränderung
der Eisschilde erstmals mit einem tomographischen Verfahren scheibenweise zu
erfassen.
Die teilweise extremen Veränderungen bei Gletschern oder aber auch der
Polarkappen sorgen nicht nur bei Klimaschützern für düstere Gesichter. Die
Abschmelzungen sind eine Bedrohung für viele Nationen, da das Schmelzwasser und
größere Eismassen den globalen Ozeanspiegel ansteigen lassen. Glaziologen
benötigen deshalb geeignete Instrumente, um die Kryosphäre – sprich Meereis,
Landeis, aber auch Permafrost – besser beobachten und untersuchen zu können.
Seit 2005 arbeitet unter anderem das AWI deshalb mit dem DLR zusammen, um
solche Tools zu entwickeln. Bereits bei ersten Flugkampagnen mit
polarimetrischen und interferometrischen SAR-Daten (Pol-InSAR) in Spitzbergen
konnten neue Erkenntnisse zur Eisabbildung gewonnen werden. Mit der Gründung der
Helmholtz-Allianz "Remote Sensing and Earth System Dynamics" und der
Weiterentwicklung des Projektes Tandem-L wurde zudem klar, dass die für
das Satellitenprojekt entwickelten Ansätze auch für die Forschung im Bereich der
Kryosphäre genutzt werden können. Durch ein tomographisches Verfahren bekommen
Forscher einen Blick in die verschiedenen Eisschichten bis zu 60 Metern Tiefe.
Dies erlaubt es zum Beispiel die genauen Veränderungen eines Gletschers über die
Jahrzehnte zu analysieren.
Erste Versuche mit diesem Verfahren fanden bereits 2015 in Grönland statt.
Bei Überflügen mit dem DLR-Forschungsflieger Do 228 wurden Radar-Aufnahmen des
dortigen ewigen Eises gemacht. Die gut sechswöchige Mission war ein voller
Erfolg. Dank der Unterstützung der Glaziologen des AWI, ein wichtiger Partner
mit wertvollen Kompetenzen in der Kryosphäre, wurden mit Hilfe der
Missionsergebnisse die Inversionsmodelle – ein negatives Höhenabbild – für das
tomographische Verfahren weiterentwickelt.
Dafür nutzen sie zunächst topographische Daten der Missionen TerraSAR-X
und TanDEM-X, die ihnen halfen, den Ursprung der Strukturen in den
tomographischen Abbildungen zu verstehen. Die einzelnen Schichten des Gletschers
können ähnlich wie Baumringe gelesen werden. Gerade bei Gletschern sind jedoch
die oberen Firnschichten von besonderer Bedeutung, denn diese sind sensibler für
veränderte Umwelteinflüsse.
Eine Analyse dieser im Vergleich mit älteren Schichten bringt wertvolle
Erkenntnisse über die Veränderungen der Eismassen – und letztendlich die
Möglichkeit, eine Prognose für die Zukunft machen zu können. Mit den zurzeit zur
Verfügung stehenden Mitteln ist es Glaziologen jedoch nicht möglich, die rasanten
Veränderungen vieler Gletscher ausreichend erfassen zu können. Zudem ist eine
flächendeckende Abdeckung aller Eisflächen wichtig, um die globalen Auswirkungen
auszuwerten.
Das Satellitenprojekt Tandem-L würde so eine Erfassung
gewährleisten. Das Satellitenduo soll in Zukunft, mit der Unterstützung des AWI,
nicht nur Informationen zur Waldbiomasse, der Bodenfeuchte und Meeresströmungen
liefern, sondern eben auch die lang benötigten Daten zum Innenleben der
Kryosphäre. Durch die globale Abdeckung zweimal wöchentlich ist zudem eine
zuverlässige Analyse der Veränderungen im Eis möglich. Die Mission ist somit
eine einmalige Chance für den Bereich der Kryosphäre-Forschung an tomographische
Daten des globalen Eisvorkommens auf der Erde zu kommen.
Tandem-L ist ein Vorschlag für eine innovative Satellitenmission zur
globalen Beobachtung von dynamischen Prozessen auf der Erdoberfläche in einer
bisher nicht erreichten Qualität und Auflösung. Aufgrund seiner neuartigen
Abbildungstechniken und seiner enormen Aufnahmekapazität wird Tandem-L
dringend benötigte Informationen zur Lösung hochaktueller wissenschaftlicher
Fragestellungen aus den Bereichen der Bio-, Geo-, Kryo- und Hydrosphäre liefern.
Tandem-L trägt damit entscheidend zu einem besseren Verständnis des
Systems Erde und seiner Dynamik bei. Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) hat Anfang 2016 ein Begutachtungsverfahren für die Erstellung
einer Roadmap für Forschungsinfrastrukturen in Deutschland gestartet. Im Rahmen
dessen tagt der Wissenschaftsrat Ende November und berät unter anderen über die
Tandem-L-Mission. Die Ergebnisse der Begutachtung werden für Mitte 2017
erwartet.
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